von Christoph Volbers am 15.08.2014 - 13:00
Im Schnee sitzen ein paar Menschen. Das Lagerfeuer in ihrer Mitte wirft einen warmen Schimmer auf ein paar Bäume. Sie sind auf einem fremden Planeten gestrandet und diskutieren die Ereignisse, die dazu geführt haben - und wir spielen sie nach. In Gods Will be Watching bestimmen wir den Spielablauf mit unseren Entscheidung, und jede einzelne wird in der Regel furchtbare Konsequenzen haben. In anderen Worten: Das Spiel ist hart. Sadistisch hart. Ich nehme mir deshalb vor, das Interview mit den Worten “Do you hate your players?” einzuleiten.
Vorher zittere ich jedoch ein wenig – immerhin ist das mein erstes Interview mit einem Spielentwickler. Und dann auch noch auf Englisch, das ich zwar gut verstehen und schreiben, aber schlecht sprechen kann. Ach was: Ich stottere schon in meiner Muttersprache vor mich hin.
Darum bin ich erleichtert, als mein Interviewpartner zu mir kommt und erzählt, dass er Spanier ist und sein Englisch nicht so gut. “Klasse”, sage ich, “meins auch nicht.” Auf der Basis läuft das Interview ganz entspannt: Am Stand von Devolver Digital, dem Publisher von Gods Will be Watching, sitzen wir auf einem Sofa neben einer Playstation 4, auf dem der Testosteron-Prügler Broforce läuft.
Zuerst möchte ich fragen, wie es ihm denn geht – doch irgendwas verschwindet in der Übersetzung und wir einigen uns darauf, dass ich nach der Veröffentlichung von Gods Will be Watching gefragt habe. Mein Interviewpartner – Lead Artist Jorge Plaza – erzählt darauf vom eher schwachen Start des Spiels: “Wir hatten etwas Angst, da die ersten Steam-Reviews sehr negativ waren. Die Spieler erwarteten anscheinend etwas anderes. Andererseits kamen die meisten negativen Reviews nur von Spielern, die das Spiel nur 10 oder 20 Minuten gespielt hatten.”
Die Erwartungshaltung, die er anspricht, kann ich verstehen: Gods Will be Watching erinnert auf den ersten Blick an alte Lucas Arts-Adventures wie Monkey Island, in denen man bekanntlich nicht sterben konnte. Doch bereits die ersten wenigen Minuten offenbaren, dass Gods Will be Watching den Rohrstock schwingt: Wer einen Fehler macht, bekommt was auf den Finger. Bereits das erste Kapitel ist nur hart zu knacken.
Die Situation ist folgende: Wir spielen Rebellen, die in eine Forschungstation eindringen, um dort einen Code zu knacken. An der Tür klopfen die Sicherheitskräfte, auf dem Boden sitzen vier Geiseln. Damit sie nicht nervös werden und in ihrer Panik fliehen, können wir sie beruhigen, indem wir uns mit ihnen unterhalten. Doch wenn sie zu entspannt sind, dann schmieden sie Fluchtpläne – dann können wir sie nur noch erschießen oder laufen lassen. Wenn wir unsere Geiseln verloren haben, dann werfen die Sicherheitsleute eine Gasgranate in den Raum. Und gleichzeitig sinkt auch noch die Sicherheit des Netzes, in das wir uns einhacken.
“Wir haben daher das 'Mercy Update' (Deutsch: Gnade-Update) veröffentlicht, um das Spiel einfacher zu machen”, erzählt mir Jorge. “Und für die Android-Version planen wir, Checkpoints in den Kapiteln einzubauen, damit das Spiel auch in kleinen Teilen gespielt werden kann.” Denn die Kapitel sind lang und können viele Minuten dauern – dafür hat kein Mobile-Gamer Zeit. Allerdings findet Jorge, dass das ein wenig Intensität aus dem Spiel nimmt. Denn die Entscheidungen hätten mehr Gewicht, wenn der Spieler bei einem Fehler das ganze Kapitel von vorne beginnen muss.
Ich erzähle ihm, dass ich das erste Kapitel gespielt und das zweite frustriert abgebrochen habe, weil viele der Spielelemente vom Glück abhängen – und zwar hinter den Kulissen. Jorge erwidert darauf, dass das ein Teil der Designphilosophie gewesen ist: “Es ist wie im realen Leben: Auf manche Dinge, die dir im Leben passieren, hast du einfach keinen Einfluss.” Das stimmt, mindert aber nicht den Frust, wenn kurz vor Kapitelende noch etwas schief geht.
Deconstructeam, der Entwickler von Gods Will be Watching, besteht aus einem Programmierer, einem Musiker und drei Grafikern: Und das sieht man. Ich gratuliere Jorge zu der tollen Optik des Spiels, die mit zu der besten Pixelart gehört, die zur Zeit auf dem Markt ist. “Das freut mich”, sagt er. Ich frage ihn, ob das Spiel schon immer in Pixeloptik erscheinen sollte, oder ob sie mit verschiedenen Stilen experimentiert hatten – denn die Konzeptbilder, die der Spieler in Gods Will be Watching freischalten kann, sehen sehr, sehr gut aus. Jorge verneint: “Wir machen immer alles in Pixelart. Wir sind drei verschiedene Künstler mit drei verschiedenen Stilen, doch auf Pixelart finden wir alle zueinander. Außerdem sind wir mit solcher Grafik aufgewachsen.”
Auf dem Sofa gegenüber von uns hat Broforce nun einen Spieler. Jorge erzählt Jorge eine witzige Anekdote aus der Entwicklung von Gods Will be Watching: “Da wir drei Grafiker sind und nur ein Programmierer, hatten wir alle Grafiken bereits fertig, bevor unser Programmierer fertig war. Das heißt, dass wir ständig im Urlaub waren und ich mir immer neue Projekte herbeisehnte.”
Als ich ihn frage, ob sie das Universum des Spiels in einer Fortsetzung erweitern wollen, verneint er. Es gäbe zwar eine kostenlose Erweiterung, die bald erscheinen soll, aber eine Fortsetzung möchte das Team nicht machen. Jorge selber möchte an neuen Projekten arbeiten, doch es sei noch zu früh, um von einer konkreten Idee zu erzählen.
Dann ist unsere halbe Stunde auch schon zu Ende. Spanisches Englisch bedankt sich beim Deutschen Englisch (und umgekehrt), wir wünschen uns noch viel Spaß. Bevor ich gehe, erzähle ich Jorge, mit welcher Frage ich das Interview beginnen wollte. Er lacht. “Nein, ich hasse unsere Spieler auf keinen Fall”, sagt er. “Ich liebe sie sogar. Außer die, die negative Reviews auf Steam schreiben, ohne das Spiel gespielt zu haben.”