GC15 – Schritt vor, Schritt zurück
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Die Tage der gamescom 2015 sind geschlagen und die Gedanken konnten schon zu einigen Recaps gesammelt werden. So auch bei unseren Freund_innen von Superlevel, die ein – sagen wir gelinde – vernichtendes Urteil über die diesjährige Messe fällen. Ganz nachvollziehen kann ich dies jedoch nicht, auch wenn die Kritik keinesfalls ins leere schießt.

Die gamescom 2015 war die größte bisher und dies in allen möglichem Dimensionen. Noch nie gab es so viele Besucher_innen, Presseakkreditierungen, Fachbesucher_innen, Ausstellungsflächen oder sogar Aussteller_innen. Man könnte also denken, dass für alle etwas auf der Messe dabei war, doch scheinbar war das gebotene für Daniel Ziegerer zu wenig.

More of the same lame

Und im AAA-Bereich will ich ihm da auch sofort zustimmen. Wie Daniel selbst beschreibt, bekamen wir nichts Neues zu sehen und aufgewärmte E3-Trailer waren das höchste der Gefühle, die bestenfalls um die komponente der Livedemo ergänzt wurden. Das nueste MOBA kann auch Genre-Fans nicht mehr als ein lahmes Schnauben entlocken und das wenige, das direkt anspielbar war, konnte nur zum Teil überzeugen.

Selbst für das Fachpublikum ließen sich die Publisher und großen Austeller_innen nichts einfallen. Nintendo lud schon gar nicht zu Terminen für ihr Line-Up, während Sony auf eine PK und neue Ankündigungen verzichtete, was Microsoft mit einigen wenigen, dafür jedoch genau so irrelevanten Neuheiten auszugleichen versuchte, die höchstens als Fanservice gelten können. Wenn EA mit bekanntem Line Up und der Ankündigung neuer Spielmodi jener Publisher der Großen ist, der am besten abliefert, haben einfach alle verloren.

Die Nähe zur E3 hat der gamescom geschadet, was sich an der Relevanz des Gezeigten spiegelte. Was in den letzten zwei zwei Jahren aufgebaut wurde, verlor die Messe nun wieder und es kann nur gehofft werden, dass sie nächstes Jahr wieder Highlights zu bieten hat, die die Erwartungen zumindest erfüllen.

Hallendurchblick Halle 6

Aber nicht nur im AAA-Bereich schwächelte die Messe, wie Daniel in seiner Aussage über die Indie-Area aufzeigt. Was ansonsten die Indie-Fahne im Entertainment-Bereich hoch hielt und dieses Jahr sogar so groß war wie noch nie, war auch so beliebig wie eh und jeh. Den nächsten 2D-Puzzle-Plattformer in Pixel-Grafik und einem vermeintlich einmaligen Story- oder Gameplay-Twist braucht einfach niemand mehr. Nur bei einigen wenigen Titeln stellte sich so etwas ähnliches wie Gefallen ein und wenn das Highlight des Standes ein Pinball-Spiel war, dann sagt das doch einiges aus.

Dafür gab es aber im Business-Bereich mehr als eine kleine Perle, die entdeckt werden konnte, wenn man dies denn gewollt hätte. An jeder Ecke luden gerade in den zwei kleinere Hallen viele Indies ein, ihre neues Kreationen anzuspielen und besonders die Länder-Pavillons boten Schätze. Egal ob es nun die niederländische Produktion über Verlust und Liebe Fragments of Him, der deutsche episodale Stealth-Titel Grand Values: Monaco von ausgebildeten Game Design-Student_innen oder das sehr unterhaltsame Shooter-MOBA Gigantic aus dem Hause Motiga. Und dies waren nur die Titel, die ich sehen konnte. Unsere anderen Redakteur_innen sahen noch viel mehr Titel, die einer näheren Betrachtug wert wären.

Die gamescom als großes get together

Doch wer die gamescom allein aufgrund der Spiele und dem Aufgebot bewertet, vergisst einen wichtigen Aspekt: Es geht in erster Linie nicht um die Spiele. Die Messe ist eine große Party, in der mit gleichgesinnten zusammen ein Erlebnis geteilt wird und diese war noch nie so gut wie bisher.

Allein die Tatsache, wie gut die Messe dieses Jahr organisiert war, macht sie zu der vielleicht entspanntesten, die jemals in Köln stattfand und dies trotz des Zuwachses an Besucher_innen. Dies liegt zum einen natürlich an der größere Fläche, die zwar mit Abzügen im Komfort des Business-Centers einhergeht, insgesamt jedoch zu einer sichereren Messe beitrug.

Und Sicherheit ist ein gutes Stichwort, denn noch nie kam mir das Konzept der Menschensteuerung so ausgetüfftelt und gekonnt umgesetzt vor wie dieses Jahr. Die Ordner_innen waren bestimmt und in einem solche Maße freundlich, wie es die Situation eben erlaubte. Auf jeden Fall wurden die Massen mit der nötigen Autorität durch Umwege so gelenkt, dass es nie zu Staus kam und die Messe überfüllt wirkte. Dem zuträglich war auch die strenge Kontrolle bei den Eingängen, denn alle Ein- und Ausströmenden mussten sich registirieren, sodass immer ein Überblick über die genauen Besucher_innenzahlen möglich war.

Eingang Süd

Dieses Managment schlug sich auch auf die Stimmung innerhalb der Hallen aus, die sehr locker und angenehm war. Alle Leute waren freundlich, und selbst wenn man nun durch die Masse stürmen musste, um einen Termin im Entertainment-Bereich wahrnehmen zu können, bockten die Menschen nicht und verzeihten den ein oder anderen Stoß sofort, entschuldigten sich sogar für Zusammenstöße, an denen sie keine Schuld hatten. Die Stimmung stieg selbstverständlich auch durch die lückenlos funktionierende Klimatisierung, die selbst bei größter Hitze die Hallen auf erträgliche Temperaturen kühlte.

Dazu kommt auch noch, dass das Gezeigte, auch wenn es so beliebig und egal war seit Lange nicht mehr, dem Pulibkum zumindet in einer ansprehenden Weise präsentiert wurde. Als Vertreter_innen der Presse, der deutschen Blog-Landschaft oder gar einer quasi immer „Anti“ eingestellten Indie-Seite kann man dies natürlich kritiseren, doch die riesigen Stände, mit den lautstarken „Verlosungen“ von Merch und Sonstigem, haben schon ihre Anziehungskraft für Fans der jeweiligen Marken. Was immer noch nicht entschuldbar ist: Messe-Babes in knappen Klamotten.

Die vielleicht beste Neuerung mag einigen sogar vielleicht gar nich aufgefallen sein, was ihre Effektivität nur aufzeigt. Kinder unter vier Jahre konnten nicht mit auf die Messe gebracht werden. Dem ekligen Auswuchs, dass verantwortungslose Eltern ihre Babies oder Kleinkinder über die Messe schleppen oder schieben, wurde damit ein Ende gesetzt.

Logo_NotgamesFest2015

Abschließend noch ein Wort zum Vergleich mit den Notgames-Festival, den Daniel zieht. Klar ist das Notgames-Festival die kreativere Bühne, das interessantere Event für alternative Konzepte und Ideen. Es jedoch mit der gamescom zu vergleichen ist auf mehreren Ebenen nicht unbedingt sinnvoll. Zum einen, wie es natürlich auch Daniel bewusst ist, ist die gamescom eine Consumer-Messe mit über 340.000 Besucher_innen, die ja gerade den Mainstream abdecken will. Dies mit dem bewusst als Gegenkonzept gehaltenen Notgamesvestival in Relation zu setzen, das auf ein ganz anderes Publikum abzielt und wenn überhaupt einige Hundert Besucher_innen lockt, naja. Das Hinken sollte eigentlich sofort erkennbar sein.

Viel mehr ist es jedoch der Fakt, dass das Notgames-Festival eben das Gegenkonzept ist, sich sogar eventuell aus der Gegenteiligkeit entzieht. Es findet bewusst zur Zeit der gamescom statt und will zur Zeit des großen Getößes der Messe eben den Alternativen eine Bühne bieten. Es feiert eine Blase, ohne Rücksicht auf die gamescom zu nehmen und steigt somit eigentlich aus dem Vergleich aus. Die gamescom kümmert das Notgamesfestival nicht, was den Unterschied zum Artikel von Superlevel ausmacht. Anstatt sich über die AAA-Masse abzufucken wird diese einfach ignoriert und stattdessen das eigene Schaffen zelebriert.

Nichts Aufregendes – Kein Boreout

Was also bleibt ist eine gamescom, die zwar von internationaler Irrelevanz im Bereich AAA geprägt war, was sich in fehlenden Ankündigungen oder neuem Material zeigte. Aber dafür konnte die Messe an vielen Punkten aufstocken, was gerade die Organisation oder auch das Flair anbelangt, das vor Allem durch eine gekonnte Kontrolle und Führung der Menschenmassen zu einer der entspanntesten gamescoms führte, die ich bisher besuchte. Zudem erwiesen sich gerade die Indie-Titel neben der gleichnamigen Arena als ein Kosmos an Fundstücken, die Daniel vielleicht nicht finden wollte, keine Zeit hatte um sie zu sichten oder einfach nicht interessant genug fand.

Alles in Allem erhoffe ich mir für die kommende gamescom die Fortführung der organisatorischen Verwaltung, die sie dieses Jahr eingeschlagen haben mitsamt einer wieder erstärkenden Relevanz, was hoffentlich durch den größeren Abstand zur E3 wieder gewährleistet werden kann, der dann acht Wochen betragen wird. Messe Köln, wir sehen uns also vermutlich vom 16. bis 21. August 2016 wieder.

(Fotos: Koelnmesse)

Über Dejan Lukovic

Dejan ist Redakteur bei Krautgaming. In dieser Tätigkeit erblickten schon die ein oder anderen Artikel das Licht der Welt, die von einfachen News bis hin zu Reviews reichen. Derzeit studiert Dejan Germanistik an der Universität Innsbruck, um sich im Anschluss einen Master der Medien, Gender Studies oder Film Studies zu erarbeiten.

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