Simons Indie Stübchen #2: Everhood

Simons Indie Stübchen #2: Everhood

von am 21.04.2021 - 14:18
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Hereinspaziert, hereinspaziert. Die Bar hat wieder geöffnet! Holen sie sich ein Kaltgetränk aus der imaginären Minibar und fläzen sie sich wieder hin. Heute steht nämlich ein ganz besonderes Spiel auf dem Programm.

Mit dem Zwei-Personen-Projekt „Everhood“ möchten die Entwickler Chris Nordgren und Jordi Roca zum großen Wurf ausholen. Ganz nach dem großen Vorbild Undertale, aber mit Mechaniken aus „Guitar Hero“. Warum das Konzept waghalsig ist und direkt fast perfekt funktioniert, verrät der Test.

„EVERHOOD“ ist für Nitnendo Switch und den PC erhältlich.

Bitte, was?

Es ist dunkel. Es ist still.

Wir wachen als „Red“, eine allseits bekannte Holzpuppe, mitten im Wald auf. Doch etwas stimmt nicht.

Ach… der Arm fehlt. Was auch sonst?!

Also flott den blauen Dieb der neben uns liegt auf den Rücken geschnallt und auf zur Suche. Doch was ist das? Ein Frosch fordert uns zum Tanz/Rhythmus-Duell heraus? Naja… egal. Schnell geschafft und weiter.

Während wir uns noch Gedanken über diese seltsame Begegnung machen, nehmen wir durch die Baumkronen ein immer stärker werdendes Wummern wahr. Leicht macht sich das Neonlicht bemerkbar, als wir plötzlich vor einem Underground-Danceclub stehen. Doch die Türsteher-Statue lässt uns nicht rein. Wir brauchen 20 „Schmuckels“.

Ein Glück, dass direkt neben dem Club ein Geldautomat steht, nochmal Glück geha-ha…?! UUUUUUUND er möchte uns umbringen und fordert uns zu einem weiteren Dance-Battle heraus.

(auf-) gebrochene Kreativität

Was folgt ist ein wilder Ritt durch mehrere Welten, dutzende Charaktere, verschiedene Spiele-Engines und jede Menge beklopptester Ideen.

Das all diese Entwürfe eben nicht in sich zusammen fallen, ist mit der recht geradlinigen Narrative und dem klaren Ziel verbunden: Ihr wollt euren Arm zurück. Komme was da wolle.

Klar. Auf dem Weg dorthin werdet ihr häufig verwirrt sein. Wer kann es euch verübeln. Aber es lohnt sich.

So erinnert mich „Everhood“ zwar AUCH an Undertale, aber vielmehr an die Genre-vereinenden Spiele von „NIER“- Schöpfer Yoko Taro und das ist das größte Kompliment, was ich geben kann. Wie hier mit gängigen Konventionen und narrativen Möglichkeiten jongliert wird, ist wirklich einzigartig.

Ich muss mich wirklich beherrschen, nicht zu spoilern. Nur so viel: Die zweite Hälfte des Spiels gibt euch genug Kontext, um das meiste zu verstehen und stellt zudem die gewohnte Erwartung an ein Videospiel ein wenig auf den Kopf.

Das ist nicht so Brücken-einreißend wie z.B. in „Nier:Automata“,  kommt aber verdammt nah heran. Und das lässt mich wirklich, ehrlich staunend zurück.

Dunkel und Faszinierend: Die Welt

Die Story findet in einer Art Traumwelt statt, die jede Menge zu bieten hat. Wir euch vielleicht im obersten Abschnitt aufgefallen ist, wirft „Everhood“ mit Settings nur so um sich und vermischt sie schon beinahe wahllos miteinander.

Dadurch ergibt sich eine Welt, die so herrlich unvorhersehbar wird, dass ihr euch irgendwann über gar nichts mehr wundert. Schön ist aber, dass diese Unvorhersehbarkeit nie in Beliebigkeit ausartet. Die Orte scheinen stets miteinander verbunden zu sein, ohne es wirklich zu tun.

Gefüllt ist diese markante Welt mit allerlei Secrets und Goodies. Ihr entdeckt so z.B. quer durch die Welt verteilt immer wieder einen seltsamen Mäuserich, welcher irgendwas gestohlen hat. Warum der da ist? Keine Ahnung. Das letzte Geheimnis habe ich noch nicht gefunden.

Dunkel und unübersichtlich: Die Welt

Everhood bezahlt letzten Endes den Preis, wenn man ein solches Spiel macht: Es ist wirklich schwer zu durchschauen. Ihr wisst relativ selten, wo ihr jetzt genau hin müsst oder warum ihr gerade tut, was ihr eben tut. Und das kann einen in den Wahnsinn treiben.

Natürlich sind Geheimnisse schön und wichtig, doch ab und an hätte ich mir dann doch wirklich gerne die Komplettlösung angesehen.

Habe ich nicht.

Erst beim zweiten Durchlauf, weil mir aufgefallen war, dass ich circa 50% des Spiels noch gar nicht gesehen habe und generell an gefühlt allem vorbei gelaufen bin.

Wirklich vorwerfen kann ich das dem Spiel nicht. Dafür ist alles viel zu exakt platziert und so vom Entwickler gewollt. Nur sollte euch klar sein, mit was für einer Art Spiel ihr es hier zu tun habt. Wer nicht akribisch auf die Suche geht, findet auch nicht alles.

Aber auch ohne alle Geheimnisse gefunden zu haben, hatte ich eine tolle Zeit und alleine das zählt.

Gitarrenriffs im Technogewand

Es gibt Kämpfe in „Everhood.“ Wer jedoch ein klassisches Kampfsystem erwarten, irrt sich gewaltig. Vielmehr werdet ihr auf ein „Guitar Hero“ mäßiges Spielbrett geworfen und müsst nun nicht diese Noten treffen, sondern ihnen ausweichen.

Und das ist am Anfang noch recht leicht, wird aber mit der Zeit so stark erweitert, aufgefächert und erschwert, dass ihr mehr als einmal fluchend vor dem Bildschirm sitzen werdet. Der gewünschte Schwierigkeitsgrad ist schwer und ich empfehle euch, auf eben diesem das Spiel auch zu spielen. Nur so sind die Gefechte anspruchsvoll genug und befriedigend.

Und noch ein Wort zum Soundtrack: Was hier an verschiedenen Musikstilen und Einflüssen vermengt wird, ist wirklich beachtlich. Und auch wenn mir der Elektronikeinfluss ein wenig zu stark war: „Everhood“ rockt und ist aus meiner Playlist nicht wegzudenken.

Zum Ende hin habe ich noch ein Geständnis abzugeben. 

Ich habe die letzten 3 Kämpfe auf leicht abgeschlossen. Ich konnte schlicht nicht mehr. Nach meinem 31. Versuch habe ich die Gelegenheit wahrgenommen, die Schwierigkeit jederzeit runter drehen zu können. Mea Culpa.

Under the hood

Klingt also nach einem hervorragenden Spielerlebnis? Ja schon, wäre da nicht die Technik, denn hier muss ich dann doch ein wenig meckern. Ich musste „Everhood“ immer wieder neu starten, weil der z.B. der Pause-Button zum Absturz-Butten mutierte oder auch der ein oder andere NPC plötzlich das Reden komplett eingestellt und so meinen Spielfortschritt verhindert hat.

Wenn man zu einem solchen Zeitpunkt länger nicht mehr gespeichert hat (das müsst ihr nämlich an stationären Laternen in der Welt tun), kann euch das gut und gerne mal die eine oder andere Stunde kosten.  Schade.

Das Stübchen-Fazit

Evehood

von am 21.04.2021

Was für ein Spiel. „Everhood“ nimmt mich für ca. sieben Stunden gefangen und lässt mich verwirrt und begeistert zurück. Am Ende der Reise habe ich viel über Freundschaft und Opferbereitschaft erfahren, gegen Bretter verkaufende Kröten gekämpft und mich in dieser Welt verloren. Und auch wenn ich das mal durch die Technik eine Pause einlegen musste: „Everhood“ ist einer der ganz großen Geheimtipps 2021. Zur Getränkewertung (wir sind ja immer noch im Stübchen): Everhood ist ein hervorragend gemixter „Bloody Mary“ in einem Technoclub. Passt irgendwie nicht zusammen, ist aber geil. So. Ich mach dann mal Schluss und wünsche viel Spaß damit!

Grafik: 83
Sound: 92
Gameplay: 87
Spieldesign: 95
Spielspaß: 90
Welt / Atmosphäre: 89

 

 

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