Hatred – Die zum Spiel gewordene rechte Machtfantasie
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Seit Tagen geistert die zum Spiel gewordene und ewiggestrige „Gewaltspiele sind Doof“-Debatte in Form von Hatred wieder durch die Medien, Blogs und Social-Media-Postings der kleinen deutschen Videospiel-Filterbubble. Von „menschenverachtenden Inhalten“ wird gesprochen. Vom „Videospiel als Kunst“, die ein solches Artefakt vertragen muss, wird gesprochen. Doch das eigentliche Problem von Hatred wird nicht erfasst und nur am Rande zum Thema gemacht: Es wird anscheinend von Rechten entwickelt, die das Spiel mit ihren Ansichten bestücken und zumindest mehr als fragwürdige Statements abgeben.
Ein Kommentar von Dejan Lukovic

Aber fangen wir von vorne an: Mit Hatred kündigte das polnische Entwicklerstudio Destructive Creations ihr erstes Spiel an, das augenscheinlich als traditioneller 2-Stick-Shooter daher kommt. Doch anstatt Jagd auf Zombies oder sonstiges Gesocks zu machen, stürmt ein bis zu den Zähnen bewaffneter großer Mann mit langen schwarzen Haaren und einem noch längeren schwarzen Ledermantel in die graue Welt hinaus, um einen Amoklauf zu starten. Möglichst viele Unschuldige sollen dem Protagonisten zum Opfer fallen, aber weshalb? Wie der Titel des Spieles eigentlich schon vermuten lässt, ist die Motivation der pure Hass auf die eigenen Mitmenschen.

„My genocide crusade begins here“

„My name is not important. What is important is what I am going to do. I just fucking hate this world and these human worms feasting on it’s carcass. My whole life is just cold bitter hatred and I always wanted to die violently. This is the time of vengeance and no life is worth saving and I will put in the grave as many as I can. It’s time for me to kill and it’s time for me to die. My genocide crusades begins here.“

So beschreibt sich die namenlose Figur selbst, ehe sie aus dem Haus stürmt und mit ihrem „Genozid Kreuzzug“ beginnt und umstehende Passanten wahllos erschießt.

Und hier finden die Ewiggestrigen den Punkt des Anstoßes am Titel: Die exzessive Gewaltdarstellung eines Amoklaufs. Und daran mag nichts Falsches liegen, denn so positioniert sich der Titel nur über seine Gewaltdarstellung. Die Gameplay-Sequenzen laufen in einer isometrischen Sicht ab, während bei Exekutionen das ganze Spektakel in Nahaufnahmen gezeigt wird. Der Spieler soll das Explodieren von Köpfen oder das mehrfache Einstechen mit einem Messer in seiner ganzen Brutalität sehen können.

Der Trailer soll schockieren. Er soll entsetzen und die Entsetzten zur Positionierung mobilisieren. Sie sollen sich empören. Sie sollen über das Spiel reden. Sie sollen schlechte Werbung machen. Denn wie jeder weiß, ist schlechte Werbung gute Werbung, und genau das hat der Trailer auch geschafft.

Dass er damit die extrem langweilige und langwierige Diskussion über die Gewalt in Videospielen wieder hervorgebracht hat, ist ihm wahrscheinlich nur recht. Dadurch wird nur noch länger über Hatred gesprochen, was den Polen von Destructive Creations nur gefallen kann.

Aber der hohe Gewaltgrad ist nicht das Problem von Hatred. Als Spiel wird es schnell wieder in Vergessenheit geraten, sobald es auf dem Markt erschienen ist, wenn nicht sogar schon zuvor. Dafür ist das Spiel zu beliebig und einfach gestrickt.

Rechte Entwickler – Rechte Ideen

Viel eher stößt der Fakt auf, dass es sich bei einigen der Entwickler von Destructive Creations um Anhänger rechter Ideologien handelt, die auch Eingang in das Spiel finden. So zeigte der Tumblr-Blog FuckNoVideoGames auf, dass man mehrere Angestellte und selbst den Destructive Creations CEO in Verbindungen mit rechten Gesinnungen bringen kann.

 Destructive Creations Entwickler-Team

Hintere Reihe – Dritte Person von Links: Marcin Kaźmierczak
Vordere Reihe – Erste Person von Links: Jarosław Zieliński
Zweite Person von Links: Jakub Stychno

CEO Jarosław Zieliński zeigt sich auf Facebook als Anhänger der Polska Liga Obrony, einer nationalistischen und islamophoben Gruppe. Der Gameplay Designer Jakub Stychno trägt ein T-Shirt, dass an die Żołnierze wyklęci erinnert, einem ehemaligen Trupp an Anti-Kommunisten, der besonders von polnischen Rechten verehrt wird. Außerdem soll Stychno auch Sympathisant der Obóz Narodowo Radykalny, die eine neue Version der alten faschistischen Partei National Radical Camp ist. Auch der FX Artist Marcin Kaźmierczak ist Supporter der Obóz Narodowo Radykalny und mehrerer anderer xenophoben, islamophoben, homophoben und rassistischer Seiten auf Facebook.

Und sieht man sich nun den Trailer zu Hatred an und welche Personengruppen vom Protagonisten ermordet werden, zeigt sich eine klare Tendenz. Denn so werden nur Frauen, Schwarze und Polizisten in den Nahaufnahmen Opfer der exorbitanten Gewalt. Also entweder Mitglieder von Minderheiten, Frauen oder die personifizierte Rechtsstaatlichkeit.

So liest sich Hatred als zum Spiel gewordene Machtfantasie von rechtsextremen Nationalisten, die sich in einer toleranten Gesellschaft in ihrem Gedankengut angegriffen fühlen und Political Correctness als Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit sehen, wie Zieliński in einem Interview mit Polygon verlautbaren lässt.

„What it [political correctness] means to me is the way we are told and taught to think, even if it’s totally in spite of ourselves. And you get that coercion in the gaming industry as well. I mean right now we’re the best example of it.“ – Jarosław Zieliński

Passend dazu steht auch die Beschreibung von Hatred auf der offiziellen Seite von Destructive Creations:

The question you may ask is: why do they do this? These days, when a lot of games are heading to be polite, colorful, politically correct and trying to be some kind of higher art, rather than just an entertainment – we wanted to create something against trends. Something different, something that could give the player a pure, gaming pleasure. Here comes our game, which takes no prisoners and makes no excuses. We say ‘yes, it is a game about killing people’ and the only reason of the antagonist doing that sick stuff is his deep-rooted hatred.

Man wird das Gefühl nicht los, dass Hatred der manifestierte Hass der Entwickler auf diese „Gutmenschen-Welt“ ist. Dieser Hass muss auch irgendwie raus und all jene, die sich so fühlen, bezeichnet Zieliński sogar als Zielgruppe:

„Our target is basically a gamer that is coming home after a long, tiring and overall a shitty working day. So we give him the opportunity to just sit by his computer and let some of the steam go by shooting NPCs and destroying the level.“

Wer sich also klein, macht- und bedeutungslos in dieser Welt fühlt, soll mit Hatred genau das richtige Spiel für sich finden, in dem er die zuvor geschluckten Aggressionen nun frei herauslassen kann. Dass die Entwickler damit entweder bewusst oder unterbewusst die eigene Machtlosigkeit in eine zum Spiel gewordene Machtfantasie schmiedeten ist das tatsächlich verwerfliche an Hatred.

Eine übermäßige und nicht-kontextualisierte Präsentation von Gewalt konnte bisher jede Medienform verkraften. Rechtsextreme Inhalte sind dahingegen mit aller Entschlossenheit aufzuzeigen, zu kritisieren und zu bekämpfen.

Diesen Artikel abschließen will ich mit einer Konversation auf Twitter, die mit dem unteren Tweet begann, in dem Rainer Sigl des Blogs Videogametourism eine interessante Sichtweise auf Hatred eröffnete.

Disclaimer: Bei der hier geschilderten Meinung handelt es sich jeglich um jene des Autors. Von einer Zuschreibung an Krautgaming wird abgesehen.

Über Dejan Lukovic

Dejan ist Redakteur bei Krautgaming. In dieser Tätigkeit erblickten schon die ein oder anderen Artikel das Licht der Welt, die von einfachen News bis hin zu Reviews reichen. Derzeit studiert Dejan Germanistik an der Universität Innsbruck, um sich im Anschluss einen Master der Medien, Gender Studies oder Film Studies zu erarbeiten.

Kommentare

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Kosslov 7. Dezember 2014 um 22:43 07.12.2014 - 22:43

gut, so lasse man einen schwarzen als protagonisten spielen…ach ne, dann ist der schwarze ja amokläufer… als polizist spielen? wäre ja auch doof, der cop als feind…hm
oder man lässt den trailer wie er ist damit er saumäßig aufrägt und man einen artikel drüber schreibt… *dingdingding* volltreffer

Julian Reichenbach 8. November 2014 um 13:06 08.11.2014 - 13:06

Ich möchte hier kurz mal was copy and pasten (und zwar eine URL)

http://www.spieletipps.de/artikel/5406/1/

Einfach mal durchlesen und bitte nicht Gerüchte glauben 🙂

Dejan Lukovic 24. Oktober 2014 um 16:34 24.10.2014 - 16:34

Ich erfreue mich an dieser gewinnbringenden Diskussion.
Was gefällt dir denn an diesem Artikel nicht?