Simons Indie-Stübchen #5: Ender Lilies

Simons Indie-Stübchen #5: Ender Lilies

von am 13.07.2021 - 22:04
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Willkommen und hereinspaziert. Es wird wieder ein Indie-Spiel serviert.

Was?

Warum niemand sonst hier? Warum sich niemand an der Bar mehr aufhält und es nach altem Holz müffelt?

Lange Geschichte, ich fange mal so an:

Ender Lilies ist für PC, Xbox und Nintendo Switch erhältlich.

Erwacht in Weiß

Es ist dunkel.

Feucht.

Modrig.

Ein weiß leuchtendes Mädchen erwacht in einer dem Untergang geweihten Welt. Vielleicht hat dieser Untergang schon lange statt gefunden. Begleitet von einem Ritter macht sich dieses Mädchen auf, zu ergründen wer sie ist und was mit dieser Welt geschehen ist.

Wirklich viel erzählen tut uns „Ender Lilies“ zum Anfang nicht. Ähnlich wie im sehr offensichtlichen Vorbild „Hollow Knight“, werden wir ohne großen Kontext in eine lebensfeindliche Umgebung geschmissen. Doch so viel kann ich zu Beginn schon mal verraten:

Die beschwerliche Reise lohnt sich!

 

Hollow-Vania

In den letzten Jahren hat das Indie-Darling „Hollow Knight“ im Metroid-Vania Genre einen kleinen Paradigmenwechsel herbeigeführt. Waren es bis dahin verlassene Raumstationen, Alienplaneten und große, verschachtelte Herrenhäuser, die das Genre im visuellen prägten, gesellen sich nun immer mehr untergegangene Königreiche mit nihilistischer Grundstimmung hinzu.

„Ender Lilies“ schlägt dabei so sehr in diese Kerbe wie kaum ein anderes Spiel zuvor.

Wie im großen Vorbild habt ihr ein rudimentäres Kampfsystem, einen deftigen Schwierigkeitsgrad, Bänke zum ausruhen und mehrmalige „Heilorbs“ mit denen ihr haushalten müsst. Noch ein paar leichte „Souls“-Anleihen darüber gestreut und fertig ist der verregnete Indie-Traum.

Mädchen mit fester-Identität

All das klingt zunächst einmal nicht so aufregend. Und ehrlich gesagt hatte ich zuerst Schwierigkeiten, mich von meinen im Game-Hirn gefestigten Vorurteilen zu lösen.

Denn „Ender Lilies“ macht ganz plötzlich viel mehr als das Nötigste. Bleibt eben nicht beim Grafikdesign im Regen stehen, sondern legt mir eine Welt dar, an die ich noch einige Zeit denken werde.

Da knarzt es im Unterholz, es wummert, es schimmert. Ich verliere mich regelmäßig in dieser beinahe hypnotischen Mischung aus Melancholie und Hoffnungslosigkeit, habe jedoch stets die Möglichkeit mich an dieses Licht in Gestalt eines Mädchens zu klammern. Sie dient als Leuchtturm. 

Und dann ist sie da: Die eigene Identität. Kein „Hollow Knight“ und auch kein „Souls“. Ihr findet immer wieder kleine Zettel, Infos über diese verlassene Welt. Gerade genug um alles nötige zu verstehen und gerade ausreichend um eure Fantasie anzuregen. Das ist selten. Das ist toll! 

 Hartes Gameplay

Auch das Gameplay hebt sich sehr angenehm von der (in diesem Genre generell) sehr starken Konkurrenz ab.

Wenn ihr Mini-Bosse und Bosse im Spiel besiegt, erhaltet ihr neben Ressourcen und EP auch stets einen zusätzlichen Angriff oder Buff.

So habt ihr anschließend die Möglichkeit, an den Ruhebänken verschiedenste Angriffsarten zu kombinieren und aufzuleveln. Und das ist alles erstaunlich tiefgehend, da ihr stets drei verschiedene Angriffe aufeinander abstimmen könnt und müsst.

Durch diese Systeme bekommt „Ender Lilies“ eine zusätzliche taktische Komponente, die simpleren Genre-Vertretern wie „Blasphemous“ fehlt. Die Kämpfe verkommen damit nie zu simplen Reaktionsabfragen, sondern lassen sich auch alternativ durchaus mit Köpfchen meistern.

Köpfchen und Skill

„Elder Lilies“ ist ein schweres Spiel, aber kein aussichtsloses. Wenn ihr befürchtet, Bosse endlos wiederholen zu müssen, kann ich aus meiner Sicht Entwarnung geben. Zwar wird es hier und da mal tricky, es gibt aber kein Problem, welches sich nicht mit ein bisschen gesundem Grind oder auch mal Glück überwinden ließe.

Das soll jedoch nicht heißen, dass ihr nur mit halber Aufmerksamkeit spielen solltet. Die Welt von „Ender Lilies“ ist durchaus erbarmungslos und lässt euch das auch immer wieder durch kleine Schwierigkeitsspitzen spüren.

Ihr dürft euch nicht von zu vielen Gegnern übermannen lassen, sonst winkt ganz schnell die letzte besuchte Bank. Wirklich etwas verlieren werdet ihr dadurch aber nicht, so dass das Ableben nie wirklich große Auswirkungen hat.

Orientierung? Verloren

Nach diesem ganzen, ausschweifenden Lob muss ich dann aber doch noch ein wenig meckern. Denn so schön diese Spielwelt auch ist, so unübersichtlich ist sie. Zwar weiß man durch die Karte stets, wo man sich denn so in etwa aufhält, komplett zu Ende gedacht wirkt diese aber leider nicht.

Und das ist in einem „Metroid-Vania“ kein Kavaliersdelikt. Warum habe ich nicht die Möglichkeit Orte zu markieren, zu denen ich später nochmal zurückkehren möchte? Warum werden mir verschiedene Ein- und Ausgänge in der selben roten Farbe angezeigt? Warum z.B. kein Farbtürensystem wie in Metroid? Oder wenigstens die Möglichkeit, mir irgendwie Notizen machen zu können? Das macht doch praktisch jedes andere Spiel dieser Art?

Und warum sitze ich mit Block und Stift vor dem PC, um diese Makel auszugleichen?

Ich MUSS einfach wissen, wo ich bin! Punkt. Aus. Schade.

Soundtrack wie Tränen im Regen

Eine der größten Stärken ist ohne Zweifel die hervorragende Musik. Wenn ich, vom Piano begleitet, die Überreste dieses einstmaligen Paradieses vor mir sehe, zieht „Ender Lilies“ alle Register.

Das großartige Artdesign verschmilzt hier in wirklich seltener Brillianz mit dem Sound zu einem wirklich gelungenen Gesamtbild. Und auch wenn einige Stücke im Detail vielleicht etwas zu kurz geraten sind:

Boxen bzw. Kopfhörer laut und ab.

 

Fazit

Ender Lilies

von am 13.07.2021

Ich habe bislang wirklich Glück in meiner Indiestube! Nach einer Contra-Gans die unglaublich viel Spaß gemacht hat, kommt mit „Ender Lilies“ ein weiteres Highlight aus dem buchstäblichen Nichts. Die Welt ist atmosphärisch auf Top-Niveau, das Game steuert sich angenehm, tiefgehend und bietet darüber hinaus jede Menge Stoff zum rätseln und diskutieren. Da verzeiht man gerne die Schnitzer in Sachen Orientierung und Karte. „Ender Lilies“ ist wie ein „Goodnight Moon“. Nicht zu sanft, nicht zu herb und wird stets am Ende eines Abends serviert.

Grafik: 90
Sound: 89
Gameplay: 84
Spieldesign: 82
Spielspaß: 88
Welt / Atmosphäre: 92

So wertet Krautgaming:
0-25 ungenügend (6), 26-45 mangelhaft (5), 46-65 ausreichend (4), 66-75 befriedigend (3), 76-85 gut (2), 86-95 sehr gut (1), 96-100 ausgezeichnet (1+)

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