Windbound – Die Magie des Seins [Review]

Windbound – Die Magie des Seins [Review]

von am 14.09.2020 - 07:30
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Kennt ihr diese magischen Momente, die euch direkt einfangen, obwohl eigentlich noch nichts passiert ist? Kennt ihr das beruhigende Gefühl zu wissen, dass egal was kommt, eine gewisse beflügelte Leichtigkeit im Kern der Sache wohnt? Es ist selten geworden… Leider. Aber unverhofft hat sich hier eine Perle offenbart, die dieses Gefühl geweckt hat, das ich zuletzt bei Final Fantasy XV verspürt habe und so tief in den Moment versinken konnte, wie in kaum einem anderen Spiel der letzten Jahre. Von Windbound will ich nicht nur… Nein!… Ich muss euch davon erzählen. 

Getestet auf Xbox One X. 

Wo Magie beginnt

Tja… Ihr merkt wahrscheinlich schon, dass das hier kein Standard-Review wird, bei dem man sich so korrekt und analytisch ausdrückt um der Objektivität zu genügen. 

Was ich in den letzten Jahren immer wieder festgestellt habe, ist der Umstand der Verrohung dem zu bearbeitenden Material gegenüber. Und auch wenn man versucht davon Abstand zu gewinnen und nicht in typische Phrasen abzudriften, passiert es dennoch immer wieder. Manchmal fragt man sich beim Erstellen eines Review, wo die Leidenschaft bleibt und ob man die typischen Wertungen um Grafik, Gameplay und den ganzen Krempel nicht einfach vergessen sollte um bei manchem Titel einfach nur der eigenen Emotionalität zu verfallen. 

Diesen Gedanken hat mir Windbound direkt im Hauptmenü entgegen geschleudert. 

Ich sah einen Strand vor mir und dann setzte die Musik ein. 

Ich war gefangen in einem Bild. Einer Ahnung. Einem Gefühl. Versunken in der Idylle. 

Träumen 

Windbound ist ein Survival Game und trotzdem ist es gnädig. Denn noch bevor ich mich ins Abenteuer stürze, bekomme ich abseits des Überlebenskampfes auch noch die Option bereitgestellt die Story in den Vordergrund zu stellen. Und das tue ich auch. 

Dann beginnt auch schon die Eröffnungssequenz. Da ich die Machart des Spiels in besonderer Form würdigen möchte und jedes Survival Game auch das Bestehen und Erleben einer ganz eigenen Geschichte bedeutet, werden auch die kommenden Zeilen sich der literarischen Gattung der Epik bedienen. Um das etwas abzuheben, sind diese Stellen kursiv und fett dargestellt. 

Kara segelt mit ihrem Floß auf der stürmischen See. Die Nacht lässt die Fackeln an den kleinen Floßen ihrer Kameraden wie Irrgeister wirken, die hilflos über die Wellen gleiten und jederzeit drohen von den Wellen in die Tiefe gezogen zu werden. 

Doch noch während Kara winkend ihren Arm in den Himmel reckt und versucht auf sich aufmerksam zu machen erhebt sich eine gewaltige Kreatur aus dem dunklen Wasser vor ihr. Eine Tentakel, mit dem Stachel eines Skorpions an der Spitze bäumt sich vor ihr auf und für ihre entsetzten Augen soll dies vorerst der letzte Anblick dieser Nacht sein. 

Kara erwacht nicht. Sie ist bereits wach. Umgeben von Wasser. Doch es umhüllt sie nicht und zieht sie genauso wenig in die eisige Tiefe, die ihre Haut hätte erkalten lassen, weil sich das Blut in ihrem Körper zurückgezogen hätte um sie von innen heraus am Leben zu erhalten. Sie schwebt über dem kalten Nass und sieht vor sich eine Kette aus Gestein, in deren Mitte ein leuchtendes Tor ihre komplette Aufmerksamkeit einfängt. 

Trotz aller Verwunderung und Bedenken, bleibt wohl keine andere Wahl. Kara steuert auf das Tor zu und geht hindurch. 

Hier beginnt für den Spieler die eigentliche Reise und die einhergehende Faszination aus schöner Grafik und stimmungsvollem Auftakt sitzt. Ich möchte mich fesseln lassen und beginne mir bereits auszumalen, welche Bedeutung das Tor und die monströse Kreatur im weiteren Verlauf von Windbound für mich haben werden. Ich träume. 

Alleine 

Kara findet sich auf einer kleinen Insel wieder und außer der Kleidung an ihrem Leib und einem Messer, ist all ihr Hab und Gut vom Meer verschlungen. Oder war es gar das Monster? 

Auch von ihren Kameraden war keine Spur. Sie war alleine. Auf sich gestellt. Doch Zeit um Verzweiflung über sich ergehen zu lassen, sollte nicht bleiben. Ein Plan musste her. 

Sie war schon immer geschickt mit dem Messer und ihr Volk war bekannt dafür, geschickt in nahezu jedem Handwerk zu sein. Sie waren Erbauer, Erkunder und Jäger. 

Für mich gilt es nun die Mechaniken des Spiels zu verinnerlichen und diese sind zum Glück recht einfach gehalten. Wie in jedem Survival Spiel, muss man sich jeden Gegenstand erarbeiten und dafür Materialien sammeln. Angefangen bei Stöcken, Steinen, dichten Gräsern und schließlich auch aus Teilen, die ich erlegten Tieren entnehme. Ähnliches gilt auch für Karas Status. Ohne Nahrung lässt ihre Ausdauer nach und auch ihre Lebensenergie, nach Stürzen oder Kämpfen mit der heimischen Tierwelt, kann nur so wieder aufgefüllt werden. 

Kara kehrt nur kurz in sich, füllt ihre Lungen in einem kräftigen Atemzug mit Luft, um kurz darauf langsam auszuatmen. In der Ruhe liegt die Kraft. 

Sie beginnt dichte Gräser zu sammeln. Diese könnte man geschickt zu einem ersten Wassergefährt verknüpfen. Denn eines war jetzt schon sicher: Auf dieser kleinen Insel kann sie nicht bleiben. 

Also stellt sie erstmal ein paar Seile aus den Gräsern her, mit denen sie wiederum größere Grasballen aneinander binden kann.

Doch etwas fehlt… Wie soll sie das Boot steuern? Kurzerhand macht sich die junge Frau auf den Weg und sucht nach geeigneten Hölzern für ein Ruder. Doch fündig wird sie nicht. 

Da entdeckt sie eine leichte, felsige Anhöhe und beschließt kurzerhand die eigenartig geformten Felsstrukturen genauer zu begutachten. Vielleicht hatte sie ja Glück und würde ein paar stärkere Äste finden, die sie benutzen könnte um ein Ruder zu bauen. 

Doch je näher Kara den Felsen kommt, desto mehr erkennt sie einen Pfad der geradewegs auf eine Art Altar zuführt. Am oberen Ende angelangt, sieht sie einen Gegenstand, der in den Altar eingelassen ist und ihre Neugierde wächst. Vorsichtig greift sie nach dem eigenwillig geformten Teil, das sie ein wenig an den Anhänger erinnert, den sie um den Hals trägt. Es fühlt sich gerade so an, als würde eine mysteriöse Verbindung zwischen den Schätzen der Insel und ihrem Volk bestehen. 

Kaum hält Kara den Gegenstand in ihren Händen, geschieht etwas unglaubliches. Das Artefakt verwandelt sich in einem bezaubernden, bläulichen Lichtspiel. Und als wäre der magische Moment noch nicht genug, verwandelt sich das Ding vor ihren Augen in ein Ruder. Genau in den Gegenstand, den sie sich in diesem Moment am meisten gewünscht hatte. Was auch immer jetzt kommen würde, Kara war sich einer Sache nun bewusst: Der Weg, welcher nun vor ihr lag, war alles andere als einfach und würde all ihr Geschick erfordern um zu überleben. Doch sie würde es wagen. Sie musste es wagen… 

Die Reise

Dass es in einem Review nicht ganz ohne Fachlichkeit geht, dürfte selbsterklärend sein, denn ansonsten dürfte ich es nicht als solches betiteln. 

Ich wollte in den bisherigen Zeilen einen Eindruck des Anfangs verschaffen und verdeutlichen, was das Spiel auf emotionaler Ebene bei mir ausgelöst hat. Es hat mich berührt und zugleich aus standardisierten Fesseln der Anschauung befreit. Technisch ist es vielleicht kein extremer Überflieger, aber grundsätzlich sind es eher Kleinigkeiten, die man mit kritischem Auge betrachten kann. So ist beispielsweise die Steuerung beim Klettern etwas unpräzise. 

Ansonsten ist auf Gameplay-Ebene sehr vieles richtig gemacht worden. Eine einfache Menüführung, die ansprechende Steuerung des Bootes (besonders wenn es stärker ausgebaut wurde), die angenehm und trotzdem stetig steigende Lernkurve, und die recht freie Erkundbarkeit der Inseln, sind insgesamt positive Eigenschaften, die das eigentliche Erlebnis stützen. 

Windbound strotzt nicht vor Innovationen und inhaltlichen Meilensteinen. Es ist auch kein Spiel, dass man in einem Rutsch mal eben durchspielt ohne ähnlich wiederkehrenden Strukturen zu begegnen. Aber das muss es nicht sein und sollte es auch nicht sein. In diesem Game geht es viel mehr um Atmosphäre. Ihr habt die Chance eine Reise zu gestalten und in die Spielwelt einzutauchen. 

Doch eine Sache gibt es trotzdem noch: Unterschätzt nicht den Schwierigkeitsgrad. Während ihr Insel für Insel erkundet, entdeckt ihr immer mehr der Kreaturen und auch neue Anwendungsmöglichkeiten für die Verarbeitung von Materialien. Aber selbst im Story-Modus können euch die Tiere gefährlich werden. Zwar verteilen sie grundsätzlich etwas weniger Schaden, aber dieser kann reichen um euch, ohne Kenntnisse über Verhaltensmuster und Bewegungsabläufe, dem Tod nah zu bringen. Im klassischen Survival verliert ihr nahezu alles und beginnt das Spiel eigentlich von vorne. Im Story-Modus bewahrt ihr euch zumindest den Kapitelfortschritt und mehr eurer erarbeiteten Items. 

Direkter Angriff, ohne ein wenig Analyse, ist also eher die schlechteste Idee um in Windbound die Geheimnisse aufzudecken, die Karas Geschichte ergeben. 

FAZIT 

Windbound lässt mich einmal mehr an typischen Wertungen und Kategorisierungen in Genre zweifeln. Es macht was es macht und ich bin zufrieden. Es ist ein Rückzugsort, ein Abenteuer, eine Reise und auf seine Weise einfach wunderschön. 

Die Komposition aus Optik und Klang weiß zu verzaubern und lässt mich in meine eigene Geschichte eintauchen. Ich nehme mir die Zeit die ich brauche und lasse die Welt und das Schaffen in selbiger auf mich wirken. Die Reisen mit meinem Boot sind einfach toll und ich fühle mich fast wie in Zelda – The Windwaker dazu animiert, einfach nur Stunden auf See zu verbringen und die Inselkette zu erkunden. 

Die Geschichte baut sich langsam auf und versprüht eine motivierende Faszination, die mich immer wieder einfängt. 

Ich habe neben dem Spielen natürlich auch mal andere Tests und Berichte zu Windbound gelesen, um mir einen Eindruck zu verschaffen, was andere schreibende Kollegen so fühlen und wahrnehmen. Und so bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mich in keinem dieser Berichte wiedergefunden habe. Ich möchte mich einer regulären Wertung entziehen und Windbound nicht in eine Schublade stecken.

Ich spiele es des Spielens wegen. Bestimmt hätte man mehr Abwechslung in der Gestaltung der Inseln vornehmen können und genauso könnte man unzählige Vergleiche zu anderen Survival-Titeln ziehen und Zelda – Breath of the wild als optisches Vorbild sehen. Aber wo bringt mich das hin?

Windbound ist ein Erlebnis auf das man sich unbefangen einlassen sollte und bei dem ich persönlich, nach einem anstrengenden Tag, abschalten konnte. Ich habe meine Reise nach Empfinden gestaltet und sie sehr genossen.

Über Daniel Machut

Ich bin Chefredakteur bei KRAUTGAMING ! Aufgewachsen in der Steinzeit des Gaming, bin ich noch heute unterwegs in den unterschiedlichsten Welten. Hyrule, Rapture, Eos, das viktorianische London, Sondereinsätze auf der ganzen Welt und selbst die dunklen Tiefen des Weltraums habe ich nicht gescheut. Hier sollt ihr mehr von meinen Reisen in den virtuellen Weiten erfahren...

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