Grusel-Freunde dürften bei dem Namen Shinji Mikami hellhörig werden. Schließlich war der japanische Entwickler federführend bei der konzeption des 1996 erschienenen Resident Evil. Danach begleitete er die Reihe für die nächsten Teile hinweg als Produzent, bevor er 2004 für Resident Evil 4 erneut auf dem Regiestuhl platz nahm und die Reihe erfolgreich modernisierte. Nach dem Fortgang von Capcom arbeitete er einige Jahre an verschiedensten Projekten, bevor er 2014 mit The Evil Within zum (von ihm mitbegründeten) Survival Horror zurück kehrte. Tatsächlich gelang The Evil Within dabei der schwierige Spagat aus klaustrophobischem Horror und spannendem Überlebenskampf. Und das sogar besser als der, zum damaligen Zeitpunkt, stagnierenden Resident Evil Reihe. Für die Fortsetzung von The Evil Within fungierte der Horror-Meister allerdings erneut „nur“ als Produzent. Ob der Titel von Tango Gameworks und Bethesda dadurch an Qualität eingebüßt, oder sogar andere Stärken entwickelt hat, klären wir im Test.
zurück im stem
Sebastian Castellanos hat es nicht leicht. Vor Jahren hat der ehemalige Cop Frau und Tochter verloren, nur um kurz darauf bei einem höllischen Trip durch den STEM nur knapp mit dem Leben davon zu kommen. Dabei ist der STEM ein Gerät das künstliche Welten, ähnlich der „Matrix“, erschafft. Nur eben dass diese Welten aus dem Geist eines Menschen, dem sogenannten „Kern“ entstehen, und andere Personen diese ebenfalls betreten können. Im ersten Teil gelang es einem geisteskranken Psychopathen die Kontrolle über den STEM zu übernehmen, und sie in eine verzerrte Version der Beacon Nervenklinik umzuwandeln. Sebastian überlebte den Horrortrip durch die Psyche des Wahnsinnigen zwar und konnte sich nach einer finalen Konfrontation aus dem STEM befreien, doch er blieb als gebrochener Mann zurück. Der Verlust von Frau und Kind, sowie Zweifel am eigenen Verstand setzten dem Ex-Cop schwer zu.
Bis er erneut von Julie Kidman kontaktiert wird. Diese Arbeitet für Mobius, die zwielichtige Organisation die hinter den STEM Experimenten steckt. Kidman offenbart Sebastian, dass seine Tochter noch lebt. Sie fungierte als „Kern“ in einem weiteren STEM Versuch, gilt nun jedoch als vermisst. Die Aussicht seine totgeglaubte Tochter wiedersehen zu können, lässt Sebastian alle Zweifel beiseite schieben, und so betritt er erneut die Welt des STEM. Doch dieses mal ist alles anders.
willkommen in unity
Während im Vorgänger ein Großteil der Handlung in den klaustrophobischen und bizarr deformierten Gängen der Beacon Heilanstalt spielte, wird das Geschehen hier in die (optisch leider recht langweilige) amerikanische Kleinstadt Unity verlegt. Doch kaum hat Sebastian die von Mobius geschaffene Welt betreten, wird auch schon klar, dass hier etwas gewaltig schief gegangen sein muss. Bruchstücke der Stadt schweben bedrohlich am Himmel, und die Bewohner wurden allesamt zu widerlichen Monstrositäten. Sebastian steckt also erneut in einem Albtraum fest, und zudem muss er in all dem Chaos auch noch seine Tochter Lily finden.
Mit Unity als neuem Schauplatz unterscheidet sich das Gameplay von The Evil Within 2 tatsächlich gewaltig von seinem Vorgänger. Die einzelnen Stadtteile können frei erkundet werden, wobei man hier zwar wieder auf die bekannte Mischung aus Schleichen und Schießen setzt, jedoch über mehr spielerische Freiheit verfügt.
leben am limit
Erledigt man die bösartigen Kreaturen schleichend mit dem Messer, setzt auf zerstörerische Waffengewalt oder umgeht die Monster einfach? Theoretisch steht einem diese Entscheidung also frei. In der Praxis allerdings, sollte man schon auf dem mittleren Schwierigkeitsgrad versuchen die Feinde schleichend auszuschalten. Denn tatsächlich ist Munition Mangelware. So können zwar gefundene Komponenten an Werkbänken zu Munition verarbeitet werden, doch wer allzu verschwenderisch damit umgeht kommt nicht weit.
Glücklicherweise lässt sich auch die Spielwelt zum eigenen Vorteil einsetzen. Sebastian kann mittels leicht entzündlicher Benzinlachen beispielsweise ganze Gegnergruppen in Brand stecken, während Pfützen wunderbar dabei helfen mehrere Feinde durch einen Stromschlag zu rösten. Im Idealfall spart man so wertvolle Munition und gewinnt jede Menge grünes Gel. Die glibberige Flüssigkeit erhält man erneut von besigten Monstern, und wie im Vorgänger lassen sich damit Sebastians Fähigkeiten in mehreren Stufen verbessern.
Dadurch erhöht sich beispielsweise der angerichtete Nahkampfschaden oder beschleunigt die eigenen Schritte beim Schleichen. Allerdings sind die hochstufigen Fähigkeiten enorm teuer, weshalb man sich gut überlegen sollte, für welche Fähigkeiten man sein grünes Gel ausgeben sollte. Gleiches gilt für die Waffenverbesserungen. Auch die hierfür benötigten Komponenten sind rar gesät und Maximalverbesserungen kostspielig.
survival? ja! Horror? eher weniger.
Doch ich will an dieser Stelle nicht meckern, ganz im Gegenteil. Durch die ständige Munitions- und Ressourcen-Knappheit zwingt einen das Spiel zu bedächtigem Vorgehen. Erst die Lage sondieren, dann zuschlagen lautet die Regel. Und das ist auch gut so! Denn so entsteht auf Unitys Straßen echtes Survival Feeling!
Doch leider ist die offene Kleinstadtwelt absolutes Gift für den Horror-Aspekt des Titels. Die Bedrohung durch die herumwandernden Monster ist zwar ständig da, doch Grusel-Stimmung kommt hier keine auf. Das liegt zum einen daran, dass man in den offenen Gebieten viel zu leicht vor einem Angriff entkommen kann und zum Anderen setzt die Inszenierung hier zu häufig aus. Klappernde Türen, seltsame Visionen und unheimliche Geräusche, all das erlebt man an dieser Stelle im Spiel viel zu selten. Und wenn doch, dann ist die aufgebaute Stimmung schnell wieder verflogen.
Weshalb ich ständig betone „an dieser Stelle“? Glücklicherweise kriegt The Evil Within ab der zweiten Spielhälfte doch noch die Kurve! Die Areale werden linearer und die tolle Inszenierung greift wieder häufiger. An das Horror-Niveau des Vorgängers reicht man zwar nicht mehr ganz heran, doch nach den schwachen ersten Kapiteln in Unity ist diese Rückkehr zum Altbekannten eine Wohltat. Und auch die Story nimmt hier erst so richtig Fahrt auf. Ging es zu Beginn nur darum Lily zu retten, muss Sebastian nun seine gesamte Vergangenheit in Frage stellen.
die technik
Auf technischer Seite gibt der Titel leider ein ähnlich gemischtes Bild ab. Hinsichtlich der Grafik gibt es nur leichte Verbesserungen gegenüber dem Vorgänger, und dieser war schon nicht ganz auf der Höhe der Zeit. So fallen vor allem in gut beleuchteten Arealen eine gewisse Detailarmut und Matschtexturen ins Auge. Dennoch gelingt es den Entwicklern durch den cineastischen Look, sowie gelungene Beleuchtungseffekte eine stimmige Atmosphäre zu schaffen. Auch die Charakterdesigns sind grundsätzlich gelungen. Besonders die grotesken Bosse und viele der monströsen Kreaturen sehen einfach nur schön schaurig aus.
Komplett begeistert bin ich dagegen von der sensationellen musikalische Untermalung. Diese trifft zu jeder Zeit den richtigen Ton, egal ob bei vorsichtiger Erkundung oder der panischen Flucht vor einer Kreatur. Selten hat sich mein Puls so schnell erhöht, nur weil der Soundtrack plötzlich bedrohlich anschwillt.
Die Steuerung ist in meinen Augen ein weiterer kleiner Kritikpunkt. Wie schon im Vorgänger reagiert Sebastian auch hier ein wenig zu träge. Vor allem bei Bosskämpfen oder Konfrontationen mit wendigen Gegnern fällt dies negativ auf.
fazit
The Evil Within 2 leidet unter enormen Startschwierigkeiten. So gestalten sich die ersten Stunden in Unity zwar für Survival Fans interessant, doch der Horror kommt viel zu kurz. Glücklicherweise ist die zweite Hälfte des Spiels wieder linearer aufgebaut, wodurch die tolle Inszenierung und die spannende Geschichte deutlicher zur Geltung kommen. Damit bleibt The Evil Within 2 auf einem „guten“ Niveau. Wobei ich mir für eine etwaige Fortsetzung wieder mehr Horror und endlich eine flottere Steuerung wünsche.
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