Was wurde eigentlich aus Oddworld?
Die Oddworld-Reihe ist interessanter, als sie auf dem ersten Blick aussieht: Hinter Abe mit seinen zugetackerten Lippen und den Puzzle-Plattformer-Mechaniken steckt eine Botschaft gegen Ausbeutung durch Konzerne. In etwa zwei Wochen erscheint der neueste Ableger Oddworld New ’n‘ Tasty. Doch die Frage bleibt, warum es lange so still war – der letzte Titel erschien 2005 (Stranger’s Wrath), seitdem lediglich HD-Remakes. Wie immer ist der Grund Geld – in einem weiteren Sinne, als man vielleicht erwarten mag.
Es war eine bewusste Entscheidung, die Industrie für ein paar Jahre hinter sich zu lassen. In einem Interview mit Metro erklärt Lorne Lanning, kreativer Chef des Oddworld-Kosmos, dass die Publisher das Problem waren. Es ginge ihnen nicht um die Spiele, sondern um Studios. Wenn die Studios einen Vertrag über die Entwicklung eines Spiels abschließen, dann unterschrieben sie damit oft auch ihre Aneignung. Lanning weigerte sich: „Wir haben die Firma ja nicht gegründet, um die Firma zu verkaufen.“
Zudem ärgerte Lanning, dass die Entwickler einen so geringen Teil am Umsatz eines Spiels sahen: „Ich habe fünf Millionen Spiele verkauft und niemals einen Scheck für meine Anteile gesehen.“ Eine Aussage, die er immer wieder von anderen Entwicklern hörte.
Gleichzeitig waren die Möglichkeiten des digitalen Vertriebs 2005 noch nicht so ausgereift, wie sie es heute sind – ein weiterer Stein, der der Unabhängigkeit der Oddworld-Marke im Weg lag. Insgesamt fasst Lanning die Situation vor seinem Ausstieg aus der Industrie so zusammen:
Wir machten Stranger’s Wrath, das Publikum liebte es, während meine Industrie-Kollegen nicht einmal wussten, dass es veröffentlicht war, und wir arbeiteten mit einem Publisher zusammen, der nur daran interessiert war, uns anzueignen, auch wenn er es nicht zugeben möchte. […] Es war nicht so, dass ich keine Spiele machen wollte, ich wollte nur kein Sklave sein. Ich wollte kein Sklave für die Publisher sein, die einen Haufen Geld machten, während die Entwickler leer ausgingen.
Lanning zeigt sich letztendlich jedoch zufrieden mit der heutigen Situation – die Oddworld-Reihe werfe noch immer Gewinn ab. Er ist stolz auf die Unabhängigkeit seines Studios: „Wir finanzieren uns selber, wir veröffentlichen uns selber, und das ist genau das, was es [Indie] bedeutet… auch wenn da jetzt so ein Stigma dran hängt…“
Damit spielt er auf die Indie-Szene an, in der Pixel-Art und Chiptunes vorherrschen, während New ’n‘ Tasty sehr moderne Produktionswerte hat. Verstanden: Independent bedeutet nicht zwingen Retro-Grafik und Synthie-Gedudel, wie auch ein Indie-Film nicht schwarz-weiß und ohne Ton sein muss.
Lanning geht noch einen Schritt weiter und vergleicht den finanziellen Aspekt der Indie-Szene mit der Film-und Musikindustrie, in der zum Beispiel ein DJ mit einem Publikum von 15.000 Fans es schaffen kann, ein Jahr lang Musik zu machen, wenn jeder von ihnen eine Single kauft.
„Durch die Selbstveröffentlichung habe ich mehr Kopien von Stranger’s Wrath verkauft als der Publisher damals. […] Wir haben es digital neu rausgebracht, kleinerer Preis, und das hat mehr Kopien verkauft als jemals zuvor.“
Ob man davon leben kann, ist eine andere Geschichte: Lanning erzählt, dass er zurzeit kein Gehalt bezieht. Das mag nicht das Klügste sein, aber es inspiriert in einem Medium, in dem Geld eine so große Rolle spielt: Lanning wirkt wie jemand, der sein Herz in sein Werk steckt und die kreative Kontrolle darüber behalten will. Damit ist er vielleicht einer der wenigen Autoren in der Industrie – ein Grund mehr, in zwei Wochen dann Oddworld: New ’n‘ Tasty zu kaufen.