Gamescom 2012: Kölnmesse degradiert Blogger
Die Diskussion ist entbrannt. Mit ihren aktualisierten Akkreditierungsrichtlinien zur Gamescom 2012 hat die Kölnmesse sich den Unmut im Internet eingeheimst, denn Blogger bleiben draußen. Aber so unrecht haben die Messevertreter gar nicht. Ein Kommentar.
„Es werden keine Akkreditierungen an Inhaber privat initiierter Spiele-Homepages, privat initiierter Blogs sowie Podcast-Seiten ausgestellt.“ Dieser Satz aus den Akkreditierungsrichtlinien der Kölnmesse ist wohl zentraler Stein des Anstoßes. Mit diesem Satz beweist die Kölnmesse leider, dass sie nicht verstanden hat, in welchem Maße sich die Medienlandschaft im Internet verändert.
Doch beginnen wir beim Anfang, was ist eine Akkreditierung eigentlich? Die Akkreditierung der Kölnmesse gegenüber den Bloggern und Journalisten ist die institutionelle Bestätigung der professionellen Berichterstattung über das Thema, nach dem lateinischen accredere „Glauben schenken“. Damit soll nicht, wie manch einer glaubt, der generelle Besuch bei der Kölnmesse versüßt werden, sondern das für Journalisten eh schon harte Arbeitsumfeld im Messealltag vereinfacht werden.
Zu den Möglichkeiten der Akkreditierung zählen neben dem einfachen Nachweis der eigenen journalistischen Tätigkeit gegenüber Anderen auf der Messe auch Zugang zum Pressezentrum, in dem man in Ruhe arbeiten kann und Zugang zum Business Center, jenem abgeschlossenen Bereich, in dem die Publisher spezielle Präsentationen für Geschäftspartner, Journalisten und eigene Gäste veranstalten.
Missverständnis 01
Doch hier kommen wir schon zum ersten Missverständnis. Eben diese „Vorteile“ erwecken Begehrlichkeiten gegenüber dem Normalbesucher. So sind im Pressezentrum die Erfrischungen um einiges günstiger als im Besucherbereich, es steht kostenloses Internet zur Verfügung und es ist natürlich nicht so voll wie in den Messehallen. Ein Schelm, wer hier Böses denkt, doch ja, ich weiß auch von einigen, die einen inaktiven, selten betriebenen Blog vorgeschoben haben, um in den Genuss dieser Vergünstigungen zu kommen.
Ich denke hier sind wir am Kern, den auch die Kölnmesse angreifen wollte. Jens Quentin, Chefredakteur bei Gameswelt, hat das Problem auf seinem Twitter Account recht treffend erfasst:
Wenn wir wollen, dass diese Industrie und seine Pressevertreter irgendwann mal ernst genommen wird, müssen Kinder und Amateure halt raus.
MISSVERSTÄNDNIS 02
Doch von dieser Aussage, in dessen Kern viel Wahres steckt, gleiten wir direkt ins zweite Missverständnis: die Abgrenzung von Blogger und Presse. Volker Bonacker beschreibt dieses Problem in seinem Blog so:
Ich bin ein großer Freund von bürgerjournalistischen Beteiligungs-Angeboten, immer schon. Da draußen liegt viel Fachwissen, viel Expertise, die so eben kein Redakteur unter einem Dach bündeln kann, dazu fehlen Geld und Manpower.
Ohne Zweifel, und das stellt Bonacker heraus, ist der Journalismus ein hart erlernter Beruf, welcher nicht mal eben von hier auf gleich erlernt ist. Mein Lieblingszitat aus seinem Eintrag ist eindeutig: „Nur weil du dir Federn in den Arsch steckst, bist du kein Huhn.“
Nur hier ist die Frage, ab wann man denn nun ein Huhn Journalist ist? Wenn man heute in die Belegschaft sämtlicher(!) Games-Publikationen in Deutschland schaut, dann ist die Differenzierung nicht mehr so einfach. Reicht es, von einem Verlag für seine 3-Zeiler bezahlt zu werden, um sich Journalist zu nennen? Reichen 1 1/2 Jahre Praktikum und Volontariat, um den Titel „Journalist“ zu tragen? Reicht das Studium? Meiner Meinung nach lauten hier alle Antworten: Nein.
Ein guter Journalist ist geprägt von seiner Erfahrung, Engagement und Talent. Das ist in der Spielebranche nicht anders als in jedem anderen Bereich der Berichterstattung. Die Erfahrung ist das Kernelement einer guten Recherche, um zwischen gut und schlecht differenzieren zu können. Dazu passend hole ich mal ein ganz altes Zitat aus der Schublade, getätigt von Gameswelt Chefredakteur Jens Quentin in der GameOne Serie „Wie werde ich eigentlich Spieleredakteur?“:
Das Wichtigste ist meiner Meinung nach das Grundwissen und die Basis als langjähriger Spieler. Ich kann Mitarbeiter immer noch zu Grammatik- oder Text-Fortbildungen schicken, es gibt aber keine Kurse “25 Jahre Spielegeschichte für Anfänger”.
In einer idealen Welt, was unterscheidet da einen Blogger von einem Journalisten? Der eine muss mit seiner Tätigkeit Geld verdienen, der andere tut es in der Regel aus reiner Leidenschaft. Man könnte hier also von einem Beruf und einer Berufung reden. Dennoch, von diesem kritischen Faktor abgesehen, sind sich Blogger und Journalist in vielerlei Hinsicht nicht unähnlich.
Missverständnis 03
Dennoch hat der Journalist dem Blogger etwas voraus: eine relativ verlässliche Aussage über die eigenen Fähigkeiten durch die erreichte Position. Oder um es anders zu sagen: Ein Vollpfosten wird nicht Chefredakteur bei Gameswelt. Drastisch, aber einfach. So eine Messgröße über die Vollpfosten-Skala bei den Bloggern heranzuziehen ist leider nicht so einfach.
Und hier rasseln wir direkt ins dritte Missverständnis herein: Blogger sind alle Kinder und Amateure. Und wer kein Kind oder Amateur ist, ist ein Journalist. Ich vermute, dass eben diese Verallgemeinerung ein Resultat der fehlenden Messbarkeit der Qualität bei Blogs ist. Entgegen dem Missverständnis, dass Blogger alles Amateure und Kinder sind, behaupte ich, dass sich unter den Bloggern einige befinden, die hinsichtlich Erfahrung und Talent so manchem Journalisten einiges voraushaben, um nicht zu sagen: Hätten wir mehr solcher Journalisten in der Spielebranche, dann hätten wir so manche Probleme jetzt nicht.
Beispielhaft kann man hier die Kollegen von manuspielt, Polygamia und Superlevel ins Feld schicken. Ja, sie sind hauptberuflich keine Spielejournalisten (soweit ich weiß), dennoch hätten sie es hinsichtlich Qualität und Erfahrung alle mal verdient ihnen Glauben zu schenken, oder frei vom lateinischen accredere: Man sollte sie akkreditieren.
Trotzdem, und das ist mir schmerzlich bewusst, sind diese Blogs eher die Ausnahme. Um es mal etwas profaner zu umschreiben: Die Diamanten der Spieleblogs versinken in einem riesigen Haufen Scheiße. Dennoch sind diese Diamanten im heutigen Medienmix nicht zu vernachlässigen in der ach so wichtigen Meinungsbildung potentiell zahlender Kunden.
Und hier steht man jetzt vor dem Problem, dem sich auch die Kölnmesse gegenübersteht. Wie differenziert man? Die Reaktion der Kölnmesse zeigt leider, dass die Veränderungen im Markt und die Macht der Blogs offensichtlich nicht verstanden wurde.
Ich hoffe inständig, dass sich die Kölnmesse hier noch etwas einfallen lässt, um ein wenig stärker zu differenzieren. Vielleicht kann sich in Köln ja sogar jemand zur aktiven Förderung von Blogs durchringen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Kölnmesse hier nicht von seiner Politik abrückt und so ein verhängnisvolles Zeichen setzt.
Volker Bonacker wartet wie ich nur noch auf den Startschuss der Sau namens “Die Gratis-/Schnorrer-Kultur im Web zerstört die gedruckten Spielemagazine!”, der Joker wird in diesem Zusammenhang mit Sicherheit noch gezogen. In diesem Argument sticht der pickelige Volontär auf der 423. Hierarchieebene des Verlages den erfahrenen, talentierten und vor allem leidenschaftlichen Blogger. Ja, es geht auch anders herum.