Alles Gute zum Jubiläum, liebe WRC! Und dazu auch gleich noch ein neues Spiel. Angeblich mit ganz viel neuem Sound und Jubiläumsgedöns. Ob sich das erneute Solofahren lohnt, klärt der Test für euch.
Penibler Ersteindruck
Es gibt so Genres und Sub-Genres, die sind einfach nicht so wirklich zu fassen. Leben in ihrer kleinen Nische vor sich hin, ohne den Anspruch, sich auch nur einen Zentimeter aus der Komfortzone zu bewegen.
Und genau das war schon immer bei Rallye-Spielen der Fall. Immer auf das Kernpublikum zugeschnitten, mit klarem Fokus auf das wichtigste. Und das ist, mit einer kleinen Fanbrille auf der Nase, auch völlig in Ordnung.
Doch so ein wenig muss ich mich bei WRC 10 dann doch wundern. Ja, wenn das Spiel zum ersten Mal startet, ist direkt alles da. Zeitfahren, Karriere, online gegen Ghosts oder reale Spieler, und die übliche News-Sektion, die einen mit tagesaktuellen Nachrichten aus der Rallye-Welt versorgt.
Aber wo ist das Jubiläum hin?
Partypooper
Vielleicht hat man bei Entwickler Kylotonn bereits die Sachen schon halb in den Karton gepackt, da ab 2022 Codemasters und EA die WRC Lizenz verwalten werden. Anders kann ich mir dieses bewusste Nicht-Zelebrieren des Sports nicht erklären.
Ja, es gibt sie, die großen Spezialstrecken plus Autos. Doch das ist dann im Grunde auch alles. Keine kleinen Doku-Schnipsel, Audios, Texte mit Hintergrund-Infos, irgendwas. Vielleicht wirkt es schon fast verwöhnt, was ich hier schreibe. Ich finde es einfach schade. Wo in anderen Franchises die eigene Historie gefeiert wird, gibt sich WRC 10 in diesem Aspekt bewusst bieder. Ja, WRC ist seriös. Ja, das hier ist ein Spiel für Fans und Rallye-Cracks. Doch ein wenig mehr Freiraum in der Präsentation hatte dem Racer wirklich gut zu Gesicht gestanden.
So bleibt von diesem Aspekt leider kaum etwas übrig. Ist man die zugegeben schön designten Strecken ein paar Mal gefahren, war es das mit der Feierlaune. So verkommt die 10 im Titel leider zu einer kleinen Luftschlange.
Alles wie immer und besser
Bei WRC wird Kontinuität großgeschrieben. Nicht nur die Menüs sind denen des Vorgängers WRC 9 extrem ähnlich, auch die Modi sind im Grunde wie immer, mit leichten Verbesserungen im Detail.
So wurden vier neue Rallyes hinzugefügt, wodurch das Roster auf eine stattliche Anzahl gewachsen ist. Zudem wurden 22 „legendäre“ Autos aus der Historie der WRC hinzugefügt und die Modelle der bereits existierenden Autos aktualisiert und zum Teil neu modelliert.
Das wäre es dann auch mit den ganz großen Neuerungen.
Nicht viel dabei? Schon.
Reicht der Rest, um zu unterhalten?
Auf jeden Fall.
Bis an die Spitze
Der Karriere Modus ist wie immer das Herzstück von WRC. Hier müsst ihr nach einer Art „Tutorial-Season“ in der WRC bis ganz nach oben fahren. Dazu gehört jedoch mehr, als einfach nur gut mit dem virtuellen Lenkrad zu hantieren, denn der Modus hat eine wirklich beachtliche Tiefe.
Das haben wir auch dem neu beigefügten Crew-Management zu verdanken. So könnt ihr nun auch abseits der eigentlichen Rallyes und Teamevents euer Team noch weiter Individualisieren. Dazu könnt ihr verschiedenste Posten einsetzen. Vom Marketing-Manager bis zum Meteorologen ist da dann auch wirklich alles dabei, was das Manager-Herz begehren könnte.
Eure Crew müsst ihr, um erfolgreich zu werden, stets bei Laune halten, auf verschiedene Faktoren wie Erschöpfung achten, sowie in Teambuilding Maßnahmen zusammenschweißen. Dass ihr nebenher auch auf Dinge wie Budget und Beziehung zum Hersteller achten müsst, ist dann eigentlich schon selbsterklärend.
All diese Aspekte ergeben, verbunden mit dem robusten Team Editor, ein wirklich rundes Gesamtbild, welches auch auf längere Zeit zu motivieren weiß. Einzig und allein die hier gewählte trockene Präsentation ist verschenktes Potenzial.
Eine Sache des Stils
Und damit meine ich jetzt nicht, dass man mir wie in Need for Speed irgendwelche „Larger than life“- Charaktere Sprüche an den Helm werfen muss. Hier könnte man von großen Vorbildern wie „Grand Tourismo“ oder „Forza“ lernen. Denn auch dort ist nicht alles groß und aufgeblasen, sondern ebenfalls klassisch gehalten.
Es kommt eben ganz darauf an, wie man eine Simulation verpackt und präsentiert. Wo beispielsweise mit sehr stylishen Menüs punkten kann, kommt einem WRC irgendwie immer wie der kleine, nicht ganz so begabte Bruder vor, welcher sein bestes tut, nur um dann doch einfach nur Durchschnittskost abzuliefern.
All das macht aus WRC 10 noch lange kein schlechtes Spiel, aber verhindert eben auch ein Vordringen in die großen Wertungshöhen. Und das macht mich wirklich stutzig und etwas wahnsinnig, denn:
Ich BIN das Auto
Die größte Stärke von WRC war schon immer das großartige Handling der verschiedenen Wagen. Und daran hat sich auch im 10. Anlauf nichts geändert. Wie hervorragend sich das einfach anfühlt! Wenn man in den verschneiten Bergen Finnlands eine fast perfekte Fahrt hinlegt und dann noch mit Bestzeit abschließt, fühlt sich das schon ganz schon toll an.
Ich gebe es zu. Ich bin nicht der große Rallye-Fanatiker. Und doch habe ich jede Menge Spaß, sobald ich im Wagen sitze und die Schotterpisten herunter brettere, mit der Handbremse spiele und irgendwann gar nicht mehr auf die Anzeige schauen muss, sondern mich einfach von meiner Beifahrerin ins Ziel leiten lasse. Auf Deutsch und Englisch. Tipp top!
Realismus im Fahrersitz …
Das Schadensmodell wurde ebenfalls nochmals ordentlich überarbeitet. Vorbei sind die Zeiten, in denen Autohersteller bloß nicht wollten, dass die heilige Karosserie beschädigt wird. Hier werden die Autos dreckig und verbeulen in herrlichster Weise. Und auch wenn wir von abfallenden Reifen und Türen noch immer seltsam weit entfernt sind: So macht das Ganze wirklich Spaß.
Der Grad an Realismus ist besonders bei den jeweiligen Einstellungen für die verschiedenen Tourenwagen zu spüren. Vom Reifendruck bis zum Lackierungseditor ist sind hier den Wünschen keine Grenzen gesetzt. Dass sich diese je nach Schwierigkeitsgrad ab- und anwählen lassen, ist obendrauf ebenfalls noch eine sehr schöne Dreingabe.
Einmal Multiplayer bitte
Der Multiplayer tut in bester Tradition genau das, was er halt schon immer gemacht hat. Den gibts dann eben online gegen Ghosts, andere Spieler (mit Bestenlisten) und einen Beifahrer Modus, der erstaunlich gut funktioniert.
Sehr löblich ist hier der Splitscreen Modus hervorzuheben, in welchem man gegen einen Freund an einem Bildschirm zocken kann. Sollte es immer geben! Und wirklich schön, dass das hier der Fall ist.
Blech-Sound und knarzende Technik
Auf den ganz große technischen Wurf können wir uns wohl erst mit Codemasters freuen. Denn auch wenn „WRC 10“ weit davon entfernt ist, ein hässlicher VW Polo zu sein (was keineswegs wertend für Fans der kleinen Knutschkugel gedacht ist), so ist man genau so wenig ein Ferrari. Das ist alles ganz nett, die Lichtstimmungen verschleiern die nicht mehr taufrischen Texturen mit Bravour und auch die Vegetation weiß sich gut zu verkaufen. Dass sich da im Wald kein Ast so wirklich bewegen will, lasse ich mal kurz außen vor.
Ein größeres Problem stellt hingegen der Sound des Spiels dar, denn hier ist man dann doch wirklich in der Breite besseres gewohnt. Wo in anderen Spielen die Motoren wummern, erinnert die Soundkulisse in WRC10 doch eher an eine fahrende Cola-Dose, als an einen starken Boliden. Wenn dann noch die eher unvorteilhafte Einbindung des PS5 Controller-Lautsprechers hinzukommt, ist der kleine Motorschaden perfekt.
Fazit
Am Ende ist WRC10 ein zweischneidiges Schwert. Einerseits sind alle Stärken des Vorgängers auch im Nachfolger vertreten. Andererseits vermag keine der Neuerungen so wirklich zu zünden. Die Jubiläumsstrecken sind enttäuschend in Szene gesetzt, die Präsentation noch immer zu trocken und der Sound wurde beinahe verschlimmbessert. Wenn ihr also nach langer Zeit mal wieder Lust auf ein Rallyespiel habt, oder euch neu in der Kategorie ausprobieren wollt, könnt ihr gerne zugreifen und werdet auch euren Spaß haben. Besitzer des Vorgängers könnten WRC 10 jedoch getrost auslassen, wenn sie auf ein paar klassische Strecken verzichten können.
Grafik: 77
Sound: 65
Gameplay: 90
Spieldesign: 70
Spielspaß: 80
Welt / Atmosphäre: 72
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