The Last of Us Part 2 – Der Fluch der unbegrenzten Narrative

The Last of Us Part 2 – Der Fluch der unbegrenzten Narrative

von am 07.07.2020 - 13:23
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Der größte Release das Jahres steht an. Auf kaum ein Spiel wurde so sehr hin gefiebert, wie auf dieses. Dass da die Erwartungen entsprechend hoch sind, versteht sich dann von selbst. Wie „The Last of Us- Part 2“ diese gleichzeitig sprengt und völlig unterbietet, verraten wir im Test.

Die Sache mit der Story

Ein kurzer Disclaimer zu Anfang: Ich werde hier nicht auf größere Storyspoiler eingehen. Kleinere Anmerkungen zur Geschichte lassen sich aber einfach nicht vermeiden. WENN ihr also völlig blind ins Spiel wollt, solltet ihr das Fazit lesen und den Rest, wenn ihr durch seid.

Noch da? Gut. Fangen wir an.

Erwartungen und Ablehnung

The Last of Us- Part 2 macht es mir nicht leicht. Nicht einmal annähernd. Es ist daher kein Zufall, dass ich klar aus der Ich-Perspekitve schreibe und eher lapidar formuliere. Denn dieses Spiel möchte beim Spieler, bei mir, auf die aller persönlichste Ebene vordringen. Und in den ersten 6 Spielstunden gelingt das absolut.

Ellie lässt mich die harte, kalte Gnadenlosigkeit der Welt fühlen, fast schmecken. Wenn sie sich, wie besessen von Rache, von Ort zu Ort fräst, wie eine nicht aufzuhaltende Maschine, wirke ich als Spieler gehemmt. Ich will nicht weiter spielen. Das, was hier auf dem Bildschirm zelebriert wird, ist düster und im höchsten Grad gewaltsam. Es tut weh, Ellie bei ihrer Geschichte zuzusehen.

Doch die großen Momente, welche mir im Gedächtnis bleiben, haben mit der gegenwärtigen, nach Rache suchenden Ellie, nichts zu tun. Nein. Jedes Mal wenn Naughty Dog mit meinen Erinnerungen an den ersten Teil spielt, werde ich emotional gepackt. Und dabei fand ich den ersten Teil zwar sehr gut, mein Spiel des Jahres war es damals aber nicht.

Und dennoch schießen mir in gewissen Momenten tränen auf. Aber leider nur dann, wenn das Spiel in die ruhigeren Szenen wechselt oder die Beziehung zwischen ihr und Joel (oder auch Dana) beleuchtet wird.

Und als diese immer weniger werden, wird mir klar: Irgendetwas stimmt hier nicht.

Wusstet ihr das Rache schlecht ist?

Das Problem in der Geschichte von „The Last of us Part 2“ sind nicht die Charaktere. Ganz und gar nicht. Diese sind hervorragend ausgearbeitet und funktionieren in den zwischenmenschlichen Beziehungen hervorragend. Neil Druckman und sein Team haben hier wirklich ganze Arbeit geleistet und auf ganzer Strecke abgeliefert. Besonders ein großer Charakter, der später eingeführt wird, hat es mir extrem angetan.

Doch leider müssen sich alle Charaktere, alle Momente, alle Sektionen dieses Spiels der großen, zentralen Thematik beugen: Dem Hass und der Rache. Denn wo es „The Last of us“ noch verstanden hat, seine Grundthematiken um Vaterschaft, Liebe und Aufopferung in eine sehr gut funktionierende Road-Trip Story zu packen, ist sein Nachfolger deutlich platter.

Wenn Dialoge und Menschen nicht wirklich in das zentrale Thema passen, spielen sie in Part 2 leider eine nur sehr untergeordnete Rolle. Joel und Ellie sind mir damals nicht wegen der tollen Thematik des Vorgängers ans Herz gewachsen. Die dort angesprochenen Themen hat man schon sehr oft in Literatur und Film behandelt. Es war die starke Bindung zwischen diesen beiden Menschen, diese starke Liebe zwischen Vater und Tochter, welche mich mitfiebern ließ. Wenn ihr auch nur ähnliches vom Nachfolger erwartet, muss ich euch leider enttäuschen. Nochmal: Alles ordnet sich der zentralen Thematik unter.

Natürlich gibt es die schönen Momente. Wenn Ellie mit ihrer Gitarre spielt und den Dialogen Raum zum Atmen gelassen wird. Doch diese sind leider viel zu selten.

Wusstet ihr, dass töten schlimm ist?

Das Problem ist ja auch nicht das zentrale Rachethema an sich, sondern der Fakt, wie platt und nicht wirklich zu Ende gedacht das wirkt. Denn eigentlich wohnt Videospielen ein enormes Potenzial inne: Die Möglichkeit, mich selbst zu entscheiden. Meinen eigenen Weg zu gehen. Nicht töten zu müssen. Doch Part 2 verwehrt mir diese Art des Spielens immer wieder, nur um mir dann zu sagen, dass es doch ganz, ganz schlimm ist, was ich da gerade getan habe.

Dass es anders geht, haben zahlreiche andere Spiele längst bewiesen. Ein Bioshock ließ mich an meiner Fähigkeit, zu Hinterfragen zweifeln. Ein „Spec Ops: The Line“ brach ganz gezielt mit meinen Erwartungen, um mich dann vor schockierende, von mir verursachte, Tatsachen zu stellen. Und von den großen Entscheidungen in RPGs wie Mass Effect, Fallout: New Vegas, Disco Elysium oder The Elder Scrolls muss ich gar nicht erst anfangen.

Dadurch fühlt sich die Narrative im Vergleich zu den oben genannten Spielen, aber auch im Vergleich zum Vorgänger, wie ein Rückschritt an. Wo Teil 1 noch mit der subtilen Korrumpiertheit der menschlichen Psyche spielte, packt Part 2 den Hammer aus und drückt mir seine Aussage mit Anlauf ins Gesicht. Und auch das muss ja per se nichts schlechtes sein. Nur passt es, meiner Meinung nach, absolut nicht zum Kontext des Spieles.

Eine Wunderschöne Apokalypse

The Last of Us -Part 2″ ist eines der schönsten und grafisch beeindruckendsten Spiele aller Zeiten. Punkt. Was hier selbst aus der alten Base- PS4 rausgeholt wird, ist nichts weiter als beeindruckend. Die subtilen, kleinen Falten in Ellies Gesicht, die pure Schönheit der Vegetation und die schmierig, knorpeligen Auswülstungen der Klicker. Alles ist so großartig in Szene gesetzt, dass ich mit diesem Spiel am liebsten ein ganzes Foto-Album füllen würde. In einer sturen Regelmäßigkeit lasse ich die Kamera zum Horizont schweifen, bleibe einfach nur stehen und lasse diese wunderschöne, schreckliche Welt auf mich wirken. Denn das haben die Entwickler verdient.

Hinzu kommt die filmreife Regie, die mit allem was Hollywood zu bieten hat, locker mithalten kann. Von aufwändigen Kamerafahrten, bis hervorragendem Schnitt, ist hier fast perfektes Handwerk vollführt worden. Ganz großes Lob dafür.

Der Tod

Ihr werdet töten. Viel töten. Und Part 2 unternimmt den Versuch, dass ich mich dabei so schlecht wie möglich fühle. Mit allen Mitteln.  Denn wenn ich NPCs in den (zu vielen) Gefechten töte, erklingt nicht einfach nur ein Signal, dass da jetzt keiner mehr ist. Hier wird, geschrien, gerobbt, geweint und gefallenen Kameraden nachgerufen.

Denn jedes Mal wenn ihr tötet, wird einer der anderen Gegner so etwas wie „oh nein, nicht John!“ rufen. Wenn ihr jemandem ins Bein schießt, wird diese Person physikalisch korrekt nach hinten geworfen und robbt sich hinter die Deckung.

Das ist aus einer technischen Sicht durchaus beeindruckend, doch leider wird auch hier viel Potenzial liegen gelassen. Denn ob ich jetzt John, Don oder Erika getötet hab, ist am Ende des Kampfes egal. Und am Ende der Narrative erst recht. Die so erhoffte Wirkung, mir als Spieler den Spiegel vor zu halten und mir so das Weiterspielen zu erschweren, verpufft dadurch leider nach wenigen Stunden. Spätestens nach dem zwölften Gefecht, hört sich der 30. Namensruf auch nur noch wie ein x- beliebiges „Doublekill“ an.  Und wenn wir doch gerade bei den Gefechten sind…

 

Alles beim alten

Zum Gameplay lässt sich leider fast gar nichts sagen. Denn Part 2 steuert sich praktisch identisch zum Vorgänger. Ihr habt eure üblichen Waffen (Revolver, Schrotflinte, Gewehr) und schleicht euch von Gegner zu Gegner, um einen nach dem anderen auszuschalten. Das Leveldesign ist bei diesen Encountern gelungen, ihr müsst taktisch denken um nicht entdeckt zu werden und besonders auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad kommt hier größerer Spielspaß auf. Besonders, da die menschlichen Gegner  deutlich taktischer und intelligenter agieren, als noch im Vorgänger.

Bei den Zombies, Klickern und Co. hat sich hingegen wirklich nichts getan. Und das ist sehr enttäuschend. Ja, es gibt ein, zwei neue Gegnertypen, die sich aber auch nicht wirklich von bereits existierenden unterscheiden. Ansonsten geht ihr exakt so vor, wie vor 7 Jahren. Stein, Flasche oder sonst was werfen und den Zombie von hinten erledigen.

Von den Möglichkeiten anderer Schleichspiele wie dem neuen „Hitman“ oder „Metal Gear Solid 5“ ist man hier wirklich meilenweit entfernt. Aber auch das Hauseigene „Uncharted 4“ machte hier deutlich mehr Spaß.

Aufgelockert werden die Gefechte von gelegentlichen Rätseln, welche sich diesmal nicht um Paletten drehen wie im Vorgänger, sondern um Kabel und Seile, welche man geschickt über Rohre und ähnliches werfen muss. Das ist physikalisch beeindruckend aber auch schnell wieder vergessen. Zudem gibt es ein paar Safes, die ihr knacken könnt und in denen Belohnungen auf euch warten. Leider sind die Wege, um an diese Kombinationen zu kommen, viel zu leicht. Meist befindet sich der Zettel mit der benötigten Nummer im selben Raum wie der Safe selbst.

Viele Vorräte, wenige Probleme

Und auch mit dem Looten verhält es sich ganz ähnlich. Ihr säubert ein Haus von Gegnern und öffnet alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Was ihr in diesen Häusern findet, ist im Grunde immer das gleiche. Ihr braucht es halt, um eure Waffen zu verbessern und Equipment herzustellen. Auch findet ihr hier Pillen, um eure Statuswerte aufzubessern.

Viel mehr gibt es hier eigentlich nicht zu sagen und das ist ein wenig enttäuschend. Besonders nachdem Uncharted 4 gezeigt hat, wie es besser geht.

DAS ganz große Problem

Fassen wir also kurz zusammen: Hervorragende Inszenierung, nettes Gameplay und eine Geschichte, die ihr Potenzial nicht wirklich entfalten kann. Also viel Licht und viel Schatten. Und doch gibt es einen Punkt, der mich am Ende leider mehr auf die negativen Punkte schauen lässt und diese noch zusätzlich verstärkt: Das Pacing.

Denn „The Last of Us- Part 2“ hat ein zentrales Problem. Es ist zu lang. Viel zu lang. Als sich der Abspann auf meinem Bildschirm breit machte, hatte ich 27 Stunden auf dem Tacho. Ganz ehrlich: 15 hätten es auch getan. Und hier spoilerfrei zu bleiben ist extrem schwer, aber ich versuche es trotzdem: Das Spiel lässt sich grob gesagt in zwei Hälften teilen. Nach dem direkten Durchspielen hatte ich das Gefühl, dass das Spiel nach hinten heraus zu lang war. Doch das stimmte nicht. Es ist die erste Hälfte, in welcher der Klicker begraben liegt.

Der Punkt des Spiels, was mir das Spiel sagen will hatte auch funktioniert, indem man die erste Hälfte von 15 auf 5 Stunden kürzt. Und das ist nicht einfach nur daher gesagt: Die zweite Hälfte des Spiels ist in so vielerlei Hinsicht vielschichtiger und hat so viel mehr zu sagen, dass es furchtbar schade ist, dass sie von der ersten Hälfte so stark ausgebremst wird. Denn im Grunde ist diese nur der Aufhänger für die zweite. Und da hätten es 5 Stunden auch getan.

 

Fazit:

The Last of Us 2

von am 07.07.2020

Um mich mal von oben unverschämt selbst zu zitieren: „The Last of us Part -2 macht es mir nicht leicht“. Schon lange habe ich nicht mehr so sehr mit einem Test gehadert und mit einer Wertung gerungen. Denn für alle Schritte die dieses Spiel nach vorne geht, geht es einen zurück und zwei zur Seite. Und wie mir jeder Tanzaffine bestätigen kann: Irgendwann stolpert man über die eigenen Erwartungen und die gesteckten Ziele. Part 2 ist schon fast absurd ambivalent. Ist in einer Szene das Mutigste seit langem, nur um in der nächsten Szene in Fallen zu tappen, die ich seit Jahren für überwunden hielt. Ob man dieses Spiel mag, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich hoffe, ich konnte klar machen, warum es bei mir nicht ganz so ist. Das Spiel ist keinesfalls schlecht, aber hält den liebevollen Erinnerungen an Teil 1 einfach nicht stand. 

Grafik: 95
Sound: 90
Gameplay: 70
Spieldesign/ Spielwelt: 78
Spielspaß: 75

 

 

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