Nioh habe ich im Jahr 2017 als meine Überraschung des Jahres bezeichnet. Aus einem, auf den ersten Blick, „Dark Souls-Klon“ wurde bereits mit den ersten Stunden eine hervorragende Alternative. Warum sich Nioh 2 zum besten Souls-Like ohne FromSoftware mausert, verraten wir im Test.
Es war einmal…
Hier ist es also. Das nächste Nioh. Die nächste Gelegenheit oft zu sterben und am Ende (hoffentlich) zu jubeln. Ein weiteres Mal stellen wir uns mutig zahlreichen „Yokai“ (japanischen Fabelwesen) entgegen.
Aber kommen wir mal kurz zur Geschichte: Nioh 2 spielt 50 Jahre vor seinem Vorgänger. Zur Zeit von Tokugawas Feldzügen, um genau zu sein. Eure Mutter wird bereits im Vorspann getötet, der Vater ist unbekannt und ihr habt euch alleine in eine Hütte zurückgezogen. Das ist aber auch alles erstmal egal, denn ihr werdet schon sehr bald in alle möglichen Zwiste und Feldzüge Tokugawas herein geworfen. Und diese sind meist ziemlich blutig.
Die Hauptfigur ist diesmal nicht der Witcher-Verschnitt „William“ aus Nioh 1, sondern ein/e von euch selbst gebaute/r, stumme/r Protagonist/In.
Der Charakter-Editor ist übrigens direkt einmal das erste große Highlight. Was hier an Möglichkeiten geboten wird, ist schon fast einmalig. Alleine für das Gesicht könnt ihr bereits 20 Minuten investieren. Über die Länge und Breite der Nasenflügel, bis zum Detailgrad der einzelnen Augen, wird hier wirklich alles geboten.
Das bitte ab sofort in jedem dieser Spiele. Danke!
Eine kurze Einführung
Die Geschichte macht diesmal einen deutlich besseren und besonneneren Eindruck als noch vor drei Jahren. Waren Williams Geschichten noch in nichtssagenden Cutscenes und Item-Beschreibungen versteckt, ist der Fokus diesmal wirklich auf den kleinen Filmschnipseln.
Diese Veränderung tut der Geschichte wirklich sehr gut, da ihr so immer auf dem laufenden bleibt, ohne euch dauerhaft alle Infos selbst zusammen klamüsern zu müssen. Vorbildlich.
So. Damit hätten wir die Geschichte im Grunde abgehakt. Sie bildet ja schließlich nur das Vehikel für das Gameplay. Und das hat sich dann doch verändert. Naja… ein wenig zumindest.
Dark-Samurai
Grundlegendes: Bei Nioh 2 handelt es sich um ein sogenanntes „Souls-Like“. Soll heißen: In bester Dark-Souls Manier bekämpft ihr Gegner mit allerhand Waffen, levelt auf, besiegt super schwere Bosse und schaltet Abkürzungen innerhalb der großen Level frei. Im Gegensatz zu Dark Souls, aber in bester „Nioh“-Tradition, habt ihr keine zusammenhängende Welt, sondern einzelne Level die ihr über eine Karte anwählt. Das ist weder besser noch schlechter. Ihr müsst einfach selbst entscheiden, welches System ihr lieber mögt. Gestört hat es jedenfalls nicht.
Und natürlich darf die zentralste Mechanik eines jeden Souls-Like nicht fehlen: Wenn ihr sterbt bleibt sämtliches „Amrita“, eure Erfahrungspunkte die ihr für das Töten von Gegnern erhaltet, am Ort des Ablebens als Grab übrig. Wenn ihr nun ein weiteres Mal sterbt, ohne zum Grab zu gelangen, sind alle Amrita futsch.
Es gibt natürlich wieder die Schreine, die als Speicherpunkte in der Welt fungieren. Und auch die kleinen grünen Kodamas gibt es wieder in vielen Leveln zu finden. Neu sind hier übrigens die roten „Sudamas“, die knuffig dämonische Variante der kleinen Racker. Findet ihr einen solchen, habt ihr die Möglichkeit mit ihm eine Waffe oder Rüstung gegen werftvolle Items oder Equipment zu tauschen.
Also alles beim alten. Aber hat sich irgendwas getan?
Veränderung und Wandel
Alles in Nioh 1 fußte im Grunde auf der flüssigen Steuerung, sowie dem sehr befriedigenden Gameplay-Loop. Und da gibt sich Nioh 2 keine Blöße. Die Steuerung flutscht genauso flüssig und souverän von der Hand wie im Vorgänger und auch der Einsatz verschiedener Items durch Magie und Ninja-Techniken ist fast eins-zu-eins gleich geblieben.
Zur Steuerung: In Nioh 2 habt ihr diesmal 3 Balken. Einen Lebensbalken, einen für Stamina, der eure Aktionen begrenzt, und eine Anima-Leiste.
Huch? Anima? Das ist ja was neuartiges!
Jepp… Das war vorher noch nicht da. Und das hat einen ganz simplen Grund. Ihr seid nämlich zur Hälfte selbst ein Yokai. Ich weiß. Krasser Plot-Twist.
Naja… Jedenfalls könnt ihr euch nun im Kampf in einen Yokai verwandeln, oder auch verschiedene Techniken, wie einen sehr wirksamen „Wuchtkonter“ oder durch Kerne ausgerüstete Spezialangriffe, ausführen. Die Leiste leert sich mit dem Einsetzen eben dieser Techniken.
Diese Techniken könnt ihr wiederum mit dem Einsatz verschiedener Yokai-Kerne verändern. Auch hat jeder Schutzgeist noch einmal eine andere Art und Weise, diese Kerne aufzunehmen. Ihr könnt Kerne übrigens auch spenden um dafür „Ruhm“ zu erhalten. Ihr könnt sie aber auch aufleveln. Ihr könntet sie aber auch zu stärkeren Kernen verbinden.
Und wenn ihr glaubt, dass das herrlich kompliziert klingt, liegt ihr genau richtig. Denn den größten Brocken habe ich mir für jetzt aufgehoben. Denn eines hat Nioh 2 mehr als jedes andere Spiel. Und das sind Spielsysteme.
Systeme in Systemen in Systemen……
Würde ich alle Möglichkeiten und Systeme aufzählen UND erklären, die Nioh 2 zu bieten hat, müsste ich mich mit Sehnscheidenentzündung einliefern lassen. Ich versuche jetzt nicht zu ausführlich zu werden. Aber verzeiht, wenn ich selbst den Überblick verliere.
Einverstanden? Und Los!
System 1: Rüstung und Waffen
Beim Spielen erhaltet ihr Berge über Berge an Rüstungen und Waffen. Diese haben unterschiedliche Werte und Seltenheit zu bieten. Diese könnt ihr entweder
- in der Schmiede einschmelzen, verbessern oder verkaufen
- ab und an bei einem Suada gegen andere Ausrüstung tauschen
- im Aussehen verändern, aber nicht in den Werten
- mit neuen Fähigkeiten ausrüsten
- in Schreinen gegen göttlichen Reis eintauschen, womit ihr euch kleine Gegenstände wie Elixiere und Pfeile kaufen könnt
System 2: Fähigkeiten lernen
Wenn ihr Waffen und Techniken häufig einsetzt, bekommt ihr Skillpunkte für die jeweilige Waffe, die ihr einsetzen könnt.
- Jede Waffe hat einen eigenen Skilltree
- Dieser Skilltree ist nochmals unterteilt in verschiedene Haltungen und aktive sowie passive Fähigkeiten
- Einige könne auch zusätzlich durch gefundene Items erweitert werden
- Zudem hat euer Charakter 2 Skilltrees für sich selbst und die Yokai-Form
System 3: Rufpunkte und Titel
Wenn ihr das Spiel spielt, bekommt ihr durch verschiedene Herausforderungen Titel, welche euch Rufpunkte bringen. Diese können z.B. bewirken:
- mehr Amrita von Gegnern bekommen
- mehr Elixier bekommen
- bessere Waffen erhalten
- mehr Kerne erhalten
- zudem gibt es 2 verschiedene Arten von Rufpunkten. Warum weiß niemand so genau…
System 4: Kerne und Schutzgeister
Das hatte ich ja schon kurz angesprochen. Ihr könnt euch im Spiel mit verschiedenen Schutzgeistern ausrüsten und von Yokai Kerne sammeln um diese an die Schutzgeister zu binden. Folgendes:
- Es gibt viele verschiedene Schutzgeister mit anderen Werten und Fähigkeiten
- Kerne erhaltet ihr von allen möglichen Gegnern und geben euch spezielle Angriffe, die ihr im Yokai-Modus auslöst
- Diese Kerne können fusioniert und aufgelevelt werden
- Ihr könnt sie aber auch spenden um Rufpunkte zu erhalten.
- Außerdem hat jeder Kern eine eigene Stufe (nicht zu verwechseln mit dem Rang), die ihr nicht verbessern könnt. Wollt ihr einen höher stufigen Kern mit hohem Rang, müsst ihr also neu fusionieren.
- Diese Kerne könnt ihr übrigens genau wie das Amrita verlieren, wenn ihr mehrfach sterbt bevor ihr bei einem Schrein wart.
- Jeder Schutzgeist hat ein Limit dafür, welche und wie viele Kerne jeweils ausgerüstet werden könne
System 5: Online
Natürlich gibt es auch einige Online-Features.
- Im Teehaus könnt ihr eine Teesammlung anlegen um passive Werte zu verbessern
- Außerdem könnt ihr dort einem Clan beitreten um online Wettkämpfe zu bestreiten.
- Ihr könnt gegen die Geister anderer Spieler kämpfen, um Teile ihrer Ausrüstung zu erhalten.
- Zudem könnt ihr selbst blaue Geister anderer Spieler beschwören, die euch im Kampf helfen
- Ihr könnt mit einem Item ein blaues Helfergrab platzieren um anderen Spielern zu helfen und so Rufpunkte zu sammeln
SO, ICH BIN FERTIG! HALLELUJAH!!!
Ein paar Worte zur schwere
Aber ihr müsst diese Systeme nicht alle verstehen. Wenn ihr euch auf ein paar Aspekte konzentriert, kommt ihr gut durch das Spiel.
Aber ich muss euch warnen. Das Spiel ist hart. Sehr hart. Und trotzdem nie unfair. Hat das erste Nioh noch mit recycelten Bossen genervt, schafft Nioh 2 mehr Abwechslung und ein noch ausgeglicheneres Spielerlebnis.
Achtet auf den Ki-Impuls und alles ist gut.
Und da ich hiermit den Bogen schon fast überspannt habe, halte ich mich zum Rest ganz kurz.
Ein Haiku zur Grafik
Es sieht fast aus wie Teil eins.
Genauso schön und bieder zugleich.
Schlimm ist es nicht.
Doch schön auch nicht.
Zufrieden.
Ein Haiku zum Soundtrack
Ich höre die Flöte im Wind,
das rasseln der Schwerter.
Es klingt.
Es schreit.
Wunderschön.
Fazit
Ja… Niohs Systeme und Komplexität können absolut erschlagend sein. Da einfach noch mehr reinzuhauen, war dann vielleicht doch zu viel des Guten. Aber dennoch juckt es mir gerade extrem in den Fingern. Denn ich möchte weiterspielen. Nioh 2 spielt sich fantastisch und macht praktisch alles noch einmal besser als der schon sehr gute Vorgänger. Man etabliert sich hiermit immer mehr als die definitive Nr. 2 im Genre. Zwar kommt man besonders im Weltendesign nicht an FromSoftwares Serien heran, doch das stört nur wenig. Wer sich die Wartezeit auf „Eldenring“ versüßen will, kommt um Nioh 2 nicht herum. So muss ein Nachfolger aussehen. Auch wenn etwas mehr eigene Identität gut getan hätte, statt einfach nur „mehr Nioh“.
Grafik: 80
Sound: 90
Gameplay: 92
Spieldesign/ Spielwelt: 85
Spielspaß: 88
So wertet Krautgaming:
0-25 ungenügend (6), 26-45 mangelhaft (5), 46-65 ausreichend (4), 66-75 befriedigend (3), 76-85 gut (2), 86-95 sehr gut (1), 96-100 ausgezeichnet (1+)
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