Erica Review – Thriller mit Hängern

Erica Review – Thriller mit Hängern

von am 16.09.2019 - 08:37
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Das Genre der Live-Action Spiele erlebt in den letzten Jahren eine ganz kleine Renaissance. Im Fahrwasser von „Her Story“ und „Late Shift“, möchte nun auch „Erica“ eine spannende Geschichte mit interaktiven Elementen bieten. Und mit App.

Spaß mit Smartphones

Bei „Erica“ handelt es sich  im Grunde um einen Film, bei welchem wir gelegentlich die Handlung mit unseren Entscheidungen beeinflussen können. Dies geschieht entweder per Controller-Touchpad oder (und das würde ich euch wirklich empfehlen) per praktischer Smartphone App. Schnell runter geladen und dann kann es auch schon los gehen. Und eigentlich fängt die Geschichte ganz spannend an.

Der ist wohl Tod

Die Geschichte beginnt mit einem Rückblick. Die noch sehr junge Erica spricht mit ihrem Vater über die verstorbene Mutter. Hierbei können wir bereits die vorhandenen, interaktiven Elemente begutachten. So können wir uns zu Anfang zwischen 3 Fotos entscheiden und so bereits direkt zu Beginn die Geschichte in verschiedenste Bahnen lenken. Kurz darauf findet Erica ihren Vater Tod im Zimmer vor. Mit einer großen Wunde über der Brust, die dem Emblem einer Einrichtung ähnelt, in welcher ihr Vater gearbeitet hat. Was hat es damit auf sich? Wer sind die Drahtzieher? Und was hat Erica mit dieser ganzen Verschwörung gemein?

Spoooky

Die sich daraus ergebende Narrative stellt das Kernelement des Spies dar und macht zu Beginn wirklich Lust auf mehr. Die Schauspieler machen ihren Job wirklich gut, die nicht immer gut geschrieben Zeilen nachvollziehbar herüber zu bringen. Besonders der Hauptdarstellerin muss ich hier ein Lob aussprechen, denn sie hat eine gute Präsenz und emotionale Reichweite.

Und auch die restlichen Produktionswerte können sich ganz gut sehen lassen. Hier spielt zwar weder die Regie, noch das Editing in den oberen Ligen mit, dennoch kommt ein wenig Atmosphäre auf.

Aber all das bringt leider nichts.

Denn leider blättert der schöne Lack nach 20 Minuten ab. Und wenn man nach einer guten Stunde den Abspann sieht, sitzt man ein wenig verdutzt vor dem Fernseher und fragt sich, was denn da schief gelaufen ist. Und man begibt sich auf die Suche nach Antworten.

Der Thriller außerhalb des Thrillers

Wenn man sich den ersten Trailer aus dem Jahr 2017 so anschaut, kommt man wirklich ins grübeln. Denn hier handelt es sich noch um eine gänzlich andere Geschichte. Inklusive anderer Darsteller und anderem Grundton. Natürlich verändern sich Spiele und Filme über den Produktionsverlauf hinweg sehr. Dass jedoch alles anders zu sein scheint, ist wirklich sonderbar.

Laut den Entwicklern hat man einfach kurz nach der Veröffentlichung dieses Trailers beschlossen, eine andere Richtung einzuschlagen. Noch immersiver sollte die Erfahrung werden, noch stärker die Einbindung des Spielers. Und genau daran scheitert Erica leider krachend.

 

Dann doch wenigstens Wie David Cage?

Denn hier muss ich einfach mal den offensichtlichen Vergleich zu anderen narrativen Spielen wir „Beyond two Souls“ oder „Detroit-Become Human“ zeihen. Bei diesen ist nämlich alles in der Spielwelt auf Interaktion ausgelegt. Ich kann mich dort durch Bücher wühlen, wenn ich will. Kann mir Zeit nehmen die einzelnen Locations zu erkunden und so ein besseres Gefühl für die jeweiligen Welten und Personen bekommen. Schlicht: Diese Spiele wissen, dass sie Spiele sind und nutzen diesen Umstand aus.

In „Erica“ hingegen bin ich nur passiver Zuschauer. Und das ist im Grunde ja auch gar nicht schlimm. Ich erinnere hierbei an strikte, lineare Titel wie „Batman“ von Telltale oder „Late Shift“.

Denn bei diesen Titeln konzentriere ich mich auf wesentliche Elemente. Ich sehe praktisch einen Film und kann an bestimmten Punkten entscheiden, wohin die Reise geht. Ich werde nicht mit unnötiger Interaktion aufgehalten und kann mich ganz der Geschichte hingeben.

Quo Vadis?

Erica ist aber weder „Detroit“ noch „Late Shift“. Denn ich muss ständig auf etwas reagieren. Reagieren und wirklich interagieren sind hier ein wesentlicher Unterschied. Sei es das Entzünden eines Feuerzeuges oder das Öffnen eine Geschenkpapieres. Das ist natürlich nicht verwerflich und auch löblich. So müsste dies ja (in der Theorie) die Immersion steigern. Aber das Gegenteil ist der Fall. Denn für jede dieser kleinen Interaktionen wird das Spielgeschehen komplett angehalten. Ich habe keinen Zeitdruck und muss mich in diesen Fällen nicht schnell entscheiden.

Es erinnert viel mehr an einen Film, in dem ich die Schnitte selbst durchführen muss. Und das ist ungeheuer frustrierend. Man stelle sich vor, ich sitze im Kino und ca. alle 15 Sekunden hält der Film an, bis ich auf meinen Smartphone eine passende Bewegung ausgeführt habe. Das ist weder spannend, noch besonders immersiv. Sondern einfach nur gewollt! 

Lückenhafte Erzählung

Dazu kommt, dass Erica mehrmals durchgespielt werden soll um vollständig verstanden zu werden. Und da liegt ein weiteres Problem. Bei anderen Spielen dieser Art ist es doch das schöne, seine eigene Geschichte zu schreiben und dann mit Freunden über die Erfahrung zu reden.

Und in diesen Runden hat jeder einzelne Spieler seine in sich abgeschlossene Handlung. Spieler A hat dann eben mehr eine Tragödie, während Spieler B stattdessen mehr ein Drama und Spieler C wieder einen Krimi gespielt hat. 

Bei Erica hingegen hätten alle nach jeweils einem Spieldurchlauf keine Ahnung, um was es denn da jetzt eigentlich ging.

Und selbst das, ja selbst das ist noch zu verzeihen. Denn wenn das Spiel das so möchte, dann lasse ich mich immer gerne darauf ein. Doch auch hier gibt es einen letzten Haken.

Wiederholt gescheitert

Und ich weiß, dass ich mit meinen Vergleichen schon fast nerve, aber einen letzten muss ich noch ziehen.

Denn wo man in Quantic Dreams Spielen immerhin einzelne Kapitel ansteuern kann, um so die einzelnen Knoten in der Geschichte zu entwirren, muss ich in „Erica“ das komplette Spiel von vorne beginnen. Und das ist, verbunden mit dem Fakt, dass es lediglich einen einzigen Speicherstand gibt. Das ist in meinen Augen schlechtes Spieldesign. Wenn ihr wollt, dass ich ein Spiel nochmals durchspiele, dann gebt mir doch bitte wenigstens die Gelegenheit zum Experimentieren und zum eigenständigen Erschließen.

So saß ich in meinem 3. Durchlauf mit einem Block vor dem Fernseher und schrieb mir meine getroffenen Entscheidungen auf, um wenigstens nach dem 4. Mal die Geschichte halbwegs verstehen zu können.

Nein. So geht das wirklich nicht.

Erica ist aktuell exklusiv für die Playstation 4 erhältlich. 

Fazit:

Erica

von am 16.09.2019

Erica ist leider gut gedacht und schlecht gemacht. Ich habe schon lange kein Spiel mehr gehabt, bei welchem ich ab und zu laut hörbar stöhnen musste, um mich zum weitermachen zu bewegen. Denn am Ende sind es die kausalen Zusammenhänge die Erica im Weg stehen. Sei es die Konfus erzählte Geschichte im Zusammenhang mit den nervigen, die Handlung zum Stillstand bringenden Interaktionen. Oder der Zwang die komplette Geschichte zu wiederholen, welcher nur zu noch mehr Frust führt, da einem Entscheidungen aus dem letzten Durchlauf (aufgrund fehlender Speicherpunkte) nicht angezeigt werden. Am Ende bleibt damit leider ein ambitionierter, aber gescheiterter, interaktiver Film. Und das ist einfach nur schade. Da hilft auch der Soundtrack von Austin Wintory (The Banner Saga) nicht viel , denn der läuft kaum hörbar im Hintergrund.  

Grafik/optische Darstellung: 60
Sound:60
Gameplay:30
Spieldesign/ Spielwelt:30
Spielspaß/ Atmosphäre: 49

So wertet Krautgaming:
0-25 ungenügend (6), 26-45 mangelhaft (5), 46-65 ausreichend (4), 66-75 befriedigend (3), 76-85 gut (2), 86-95 sehr gut (1), 96-100 ausgezeichnet (1+)

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