ARTIKEL: Horizon Zero Dawn – Die Geschichte steckt im Detail

ARTIKEL: Horizon Zero Dawn – Die Geschichte steckt im Detail

von am 26.03.2017 - 21:21

Das PS4 Open World RPG Horizon: Zero Dawn präsentiert sich als großer Hit mit einer cleveren Geschichte und wunderschönen Spielwelt. Wie viel Tiefe in dieser Welt liegt, sieht man allerdings erst, wenn man sich durch das hohe Gras an den Maschinen und den offensichtlichen Plotpunkten vorbeschleicht und einen Blick auf die unzähligen Details wirft.

Autor: Lars Eggers

 

Wir haben genau das getan und zeigen euch eine Reihe an coolen Tidbits, die euren Marsch durch die Welt von Horizon: Zero Dawn noch unterhaltsamer machen werden, denn nicht nur der Teufel steckt im Detail, sondern auch die Glaubwürdigkeit einer Welt.

Vorsicht: im Laufe des Artikels wird es zu kleineren Spoilern kommen.

Nicht eine Spielwelt – eine Welt

Es gibt einen großen Unterschied zwischen der Welt in Guerillas Open Worlder und den meisten anderen, durch die ich in den letzten Jahren gelaufen, geschlichen, gefahren oder galoppiert bin. Angefangen hat die folgende Beobachtung, als ich in einer Siedlung im heiligen Land der Nora, dem Stamm der Protagonistin Aloy, ein Dejà vu hatte – die Siedlung sah einem Dorf in Afrika, welches ich vor einiger Zeit für eine Dokumentation besuchte, unglaublich ähnlich – Häuser, Aufbau, selbst der ausgetretene Boden. Eine solche Assoziation war mir bis dato in einem Spiel noch nie untergekommen. Ich begann auf die Details zu schauen und fand den Grund für meine überraschende Erkenntnis: Das Team von Guerilla hat nicht einfach eine Welt gebaut, um ein Spiel zu darin spielen zu lassen. Es hat eine Welt gebaut. Punkt. Dieser kleine, aber fundamentale Unterschied zeigt sich in vielen Punkten und hat einen enormen Effekt.

Horizon Zero Dawn™

Die Menschen

Lauft durch eine beliebige offene Welt, beispielsweise in Skyrim oder Witcher 3. Macht einen Screenshot von einem Bauern oder Passanten. Nicht von einer Wache oder einem wichtigen NSC, der durch seinen Stil die Location garniert. Zeigt den Screenshot einem anderen Spieler und fragt ihn: „Wo im Spiel ist das?“ Die Chance, dass man anhand des „kleinen“ Charakters sagen kann, in welchem Part der Karte das Bild gemacht wurde ist sehr gering. In Horizon: Zero Dawn ist das anders: Es gibt es eine klare Stammesstruktur. Und jeder Angehörige ist gemäß der Mode und der Kultur des jeweiligen Stammes gekleidet und geschmückt. Mit anderen Worten, man kann nicht nur sofort sagen, in welchem Teil der Karte der jeweilige Charakter zu Hause ist, man kann auch seinen Status erkennen. Händler, Kämpfer, Jäger – sie alle haben distinktive Frisuren, Gesichtbemalungen, Rüstungen und Kleidungsstile. Man kann sogar bei Ausgestoßenen oder Banditen erkennen, welchem Stamm sie vor Ihrem Fall angehört haben, weil Kleinigkeiten des alten Stils noch immer vorhanden sind.

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Dadurch entstehen Momente, die es so in kaum einem anderen Spiel gibt. So ging ich nach ungefähr 20 Spielstunden auf einen Charakter zu und bemerkte anhandd seienr Frisur und Kleidungt – das ist ein Nora-Händler. Sofort dachte ich: „Was macht der denn so weit von zu Haus?“ Bevor auch nur ein Wort mit der Figur gesprochen wurde, war klar – da steckt eine Geschichte

Die sozialen Unterschiede

Und so geht es weiter. Zwar sehen die Nora aus wie die Nora, aber nicht jeder handelt auch gemäß der vielen ausgearbeiteten Erkennungsmerkmale, Regeln und Gesetze. Da setzen sich Braves über die Richtlinien der Matriarchen hinweg, mal ganz bewusst, mal im Fieber der Jagd – wie Menschen eben so sind. Man trifft Ausgestoßene, die sich ihrer Schuld bewusst sind und das Beste aus ihrer Situation machen und andere, die an dem Urteil der Verbannung zu Grunde gehen. Man trifft auf vermeintliche Feinde, die von ihrem Standpunkt aus völlig logisch und vernünftig vorgegangen sind, aber eben auf der „falschen“ Seite stehen.

 

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Die Fraktionen sind grau, denn es sind Gesetze und Kulturen, die von Menschen gelebt werden und Menschen machen eben meist doch, was sie wollen. Auch bekommt man schnell mit, dass einige der Regeln ganz offensichtlich aus der Geschichte erwachsen und alles andere als zeitgemäß sind. Das beste Beispiel: die für die Geschichte sehr wichtige Verbannung der Nora. Spricht man mit den Außenseitern, so merkt man schnell – so kann es nicht weitergehen, das System funktioniert einfach nicht, es erschafft mehr Probleme als es löst.

Und wo wir schon mal bei der Geschichte sind…

Die Geschichte

Anders als bei vielen Spielen hat man sich bei Horizon: Zero Dawn vor allem beim Schreiben der Dialoge sehr viele Gedanken darüber gemacht, wie Charaktere sprechen, die sich in dieser Welt bewegen. Es wird mit Selbstverständlichkeit über vergangene und aktuelle Geschehnisse gesprochen, oft völlig kommentarlos. In praktisch jedem Dialog findet man Referenzen und Redewendungen, die auf die Welt und ihre Geschichte verweisen. Auch die Charaktere selbst sind Teil der Geschichte. Als beeindruckendes Beispiel kann man hier Zaid nennen, der eine zentrale Rolle im ersten Teil der Queste „Die Rache einer Tochter“ spielt. Hier sucht eine Nora namens Nakoa Vergeltung für ihren in den Red Raids getöteten Vater. Zaid ist ein hochrangiger Carja, der während der Red Raids gegen die Nora vorging. Er macht keinen Hehl daraus, distanziert sich aber energisch von den Greueltaten dieser Feldzüge. Er wirkt ganz und gar nicht wie die Monster, von denen man zuvor in Verbindung mit den Red Raids immer zu hören bekam. Er zeigt sich sogar verständnisvoll für den aus Hass geborenen Angriff Nakoas auf seine Person und appelliert an Aloy, die neuen, friedlichen Zeichen der Zeit nicht zu ignorieren. Ein Geniestreich, denn auf einmal zeigt sich, dass der Rachefeldzug von Nakoa (eine relativ typische RPG-Queste) eine gute Chance hat, anstatt Gerechtigkeit mehr Gewalt und Feindseligkeit zu bringen. Gut und Böse verschwimmen, die Welt wird lebendiger.

 

Die Topographie

 

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Auch in dem vielleicht größten Pluspunkt des Spiels, der Optik der Welt, zeigt sich an allen Ecken und Enden die Detailverliebtheit der Guerilla-Designer. Der Zerfall der alten Welt ist erschreckend realistisch, die jahrhundertealten Wolkenkratzer und Straßen muten mancherorts an, wie die römischen Ruinen in meiner Heimatstadt Trier. Am meisten hat mich aber ein im ersten Augenblick völlig nebensächliches Detail beeindruckt: der Wasserfluss. Die Flüsse und Bäche haben das Land geprägt, tiefe Furchen geschnitten und eine absolut überzeugende Topographie erschaffen. Und mehr als das – in den Ruinen der alten Welt entstehen an den tiefsten Punkten, dort das Wasser schlechter versickert, natürliche Seen und Wasserläufe. So findet man nicht selten dort, wo einst Straßen waren nun Teiche von beunruhigender Schönheit.

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Die Behausungen

Kommen wir zum letzten Punkt, eben jenem, der mich auf all das oben stehende gebracht hat: die Behausungen der Menschen – und mehr. Auch bei den Unterkünften in der Welt erkennt man deutlich, dass Dörfer, Forts und Handelsstützpunkte nicht so gebaut wurden, dass sie dem Spiel an sich genehm sind. Der Geniestreich hier ist eigentlich sehr simpel. Ganz offensichtlich haben die Entwickler bei Horizon Siedlungen und Welt nicht in einem Guss gebaut. Erst wurde die Welt und Natur erschaffen, dann die Bebauung – wie im echten Leben. Dadurch gibt es so winzige Details, wie einen kleinen Bach, der sich quer durchs Dorf zieht und mehrfach mit kleinen Brücken überspannt werden muss, Häuser, der quer an Bäume und Felswände gesetzt wurden und Straßen, die sich völlig wirr um die Topographie und Bebauung schlängeln. Durch dieses natürlich Chaos ergeben sich Fußwege zu Häusern, kleine Aufstiege und Eckchen in den Siedlungen, die kein Designer jemals freiwillig einbauen würde.

Und es geht weiter. Auch die Siedlung in Zero Dawn haben Geschichte. Nicht alle Häuser sind gleich alt, selbst bei manchen Forts der Banditen kann man erkennen, dass sie einst als eine kleinere Struktur angefangen haben, die nach außen gewachsen sind und dabei verschiedene Terrainaspekte in die Siedlung verbauen mussten. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen erstreckt sich diese Detailverliebtheit sogar auf die Maschinengegner. In den Cauldrons kann man deutlich sehen, wie auch diese ehemalig von Menschen gebauten Strukturen nach und nach von den Maschinen erweitert wurden.

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Perfekt ist die Welt natürlich nicht – es gibt auch bei Horizon: Zero Dawn hier und da Zugeständnisse an die Spielbarkeit und den Handlungsverlauf, das liegt in der Natur der Sache. Aber die simple Entscheidung die Welt in den Vordergrund zu stellen und primär nach realen Aspekten zu bauen lässt Horizon: Zero Dawn in meinen Augen lebendiger und überzeugender wirken, als die jede andere Spielwelt.

Haltet also Ausschau. Es gibt viel zu entdecken.

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