REVIEW: Sniper Ghost Warrior 3

REVIEW: Sniper Ghost Warrior 3

von am 11.05.2017 - 21:13

Die ersten beiden Teile der Sniper Ghost Warrior-Reihe hinterließen 2010 und 2013 bei Spielern, wie auch Kritikern gemischte Gefühle. Schwach inszenierte Story, kleine Areale und zu wenig spielerische Freiheit waren nur einige der Hauptkritikpunkte, die einem im Kern soliden Gameplay gegenüber standen. Für den dritten Teil gelobt Entwickler CI Games Besserung: Eine gewaltige Spielwelt, gepaart mit zahllosen Herangehensweisen und getragen von einer spannenden Geschichte sollen Sniper Ghost Warrior 3 endlich in höhere Wertungsregionen katapultieren. Ob dieser Plan tatsächlich aufgeht klären wir im Test…

Getestet wurde auf der Xbox One

Autor: Dominic Reifschläger

EINATMEN. AUSATMEN. ABDRÜCKEN.

Im schwachen Mondlicht liege ich am Rand einer Felsklippe und sondiere das Zielgebiet durch das Zielfernrohr meines Scharfschützengewehrs. Auf den Straßen des Hochhauskomplexes vor mir, tummeln sich ein gutes Dutzend georgische Seperatisten, doch meine Zielperson, den Anführer dieser militanten Einheit, kann ich nirgends entdecken. Also aktiviere ich meine überaus praktische kleine Spionagedrohne, und steuere sie mit aktivierter Nachtsichtkamera zwischen den Hochhäusern hindurch.

 

Kurz bevor der Akku der agilen Flugdrohne nachlässt entdecke ich endlich die Zielperson, an einem Fenster im obersten Stockwerk der mir abgewandten Seite eines Gebäudes. Von meiner jetzigen Position aus ist ein tödlicher Schuss unmöglich. Also was tun?! Ich könnte versuchen an den Soldaten auf der Straße vorbei in das Gebäude zu schleichen und das Ziel mit meiner schallgedämpften Pistole ausschalten. Doch im Gebäudeinneren könnten neben Überwachungskameras noch mehr, bisher unentdeckte Gegner lauern. Und selbst wenn dieser Plan gelänge, bestünde immer noch das Problem, dass ich nach der erfolgreichen Tötung wieder lebendig aus dem Gebäude entkommen muss. Keine guten Voraussetzungen also. Doch ein weiterer Drohnenflug offenbart mir eine bessere Möglichkeit. Das Dach des gegenüberliegenden Gebäudes würde eine perfekte Schussposition bieten, ich muss nur ungesehen zur dort hinauf führenden Leiter gelangen. Also schleiche ich großflächig um den Komplex herum, schalte unterwegs zwei Feinde mit der Pistole aus und gelange so tatsächlich unbehelligt auf das Dach. Meine Zielperson dreht gerade eine Runde durch das Stockwerk, doch sie könnte jeden Moment wieder am Fenster auftauchen. Also suche ich mir in der Zwischenzeit eine geeignete Position, klappe das Zweibein auf um präziser zielen zu können und justiere mein Gewehr auf die richtige Entfernung zum Ziel. Der Wind bläst mit 9 Metern in der Sekunde, was bei einer Distanz von etwa 200 Metern nur geringen Einfluss auf den Schuss haben dürfte. Ich lege gerade an, da taucht die Zielperson gerade wieder auf. Noch zwei Schritte und ich habe ihn genau im Visier. Nur noch einer, ich halte den Atem an, mein Finger spannt sich um den Abzug (der rechte Trigger um genau zu sein) und ich drücke ab.

TAKTIK vs. KI vs. STEUERUNG

Diese situative Spannung in Momenten wie dem eben beschriebenen, ist mit Sicherheit das stärkste Argument für Sniper Ghost Warrior 3. Die Areale für einige der Haupt- und Nebenmissionen innerhalb der offenen Welt sind abwechslungsreich gestaltet und bieten immer mehrere Wege die zum Ziel führen.

 

Auch das Missionsdesign selbst, mit seinen vielfältigen und manchmal recht kreativen Aufgaben ist durchaus unterhaltsam. Zusammen mit der frei zusammenstellbaren Ausrüstung (bestehend aus Haupt-, Sekundär-, sowie Nebenwaffe und zahlreichen Gadgets) entstehen vielerlei taktische Überlegungen wie man an die Missionen herangeht. Zusätzlich erhaltet ihr während der Missionen für bestimmte Aktionen Skill-Punkte, welche ihr in den Kategorien Sniper, Geist und Krieger für neue Fähigkeiten (wie z.B. schnelleres Nachladen) ausgeben könnt, wodurch man das Spiel weiter dem bevorzugten Stil anpassen kann. Es wäre sogar möglich (wenn auch nicht empfehlenswert) in bester Rambo-Manier durch die Gegend zu ballern.

 

Wer im Gegensatz dazu den Nahkampf komplett meidet, sollte nach taktisch klugen Schusspositionen Ausschau halten, denn häufig ist entscheidend in welcher Reihenfolge man die gegnerischen Soldaten ausschaltet. Wird eine Leiche entdeckt geht sofort das ganze Lager in Alarmbereitschaft. Es ist also egal auf welche Weise man an das Spiel herangeht, eine gute Planung gehört immer dazu.

Was leider oftmals den taktisch geprägten Spielfluss stört ist eine gelegentliche Inkonsistenz beim Verhalten der KI. Um beispielsweise ungesehen in ein Gebäude zu gelangen, musste ich zuvor aus der Distanz eine Kamera zerschießen. Dies klappte beim ersten Versuch problemlos, doch kurz darauf wurde ich entdeckt und getötet. Als ich diesen Vorgang nun wiederholen musste, zog der Schuss plötzlich die Aufmerksamkeit einer weit entfernt stehenden Wache auf sich, die daraufhin sofort Alarm auslöste. Ein weiteres Beispiel: Tötet ihr eine Wache aus der Distanz registriert der 5 Meter daneben stehende Soldat dies hin und wieder gar nicht, während er ein beim nächsten Mal  sofort Alarm auslöst.

Das KI Verhalten entwertet zusätzlich auch den Kampf auf mittlere Distanz. Schleicht ihr beispielsweise mit schallgedämpfter AK oder Pistole durch ein Gebäude und werdet dabei von einer Wache entdeckt, bleiben euch nur Sekundenbruchteile um zu reagieren. Gelingt es euch dann nicht sofort den Gegner auszuschalten, wird direkt der Alarm aktiviert. Auch mehrere Schüsse in den Brustbereich halten die KI dann oftmals nicht mehr auf, wer hier keinen Kopftreffer landet wird automatisch entdeckt. Das ist zum einen ärgerlich weil ihr oft die Vorgabe habt, keinen Alarm auszulösen und zum anderen weil euch danach sofort die komplette KI-Übermacht entgegen stürmt. Und glaubt mir, in ein offenes Feuergefecht wollt ihr lieber nicht geraten, die KI schießt schon auf niedrigen Schwierigkeitsgraden sehr akkurat während man selbst mit der trägen und eher unpräzisen Zielmechanik kämpft. Hier wäre es schön gewesen hätten die Entwickler mehr Optionen zur Einstellung der Zielempfindlichkeit für unterschiedliche Waffen oder für verschiedene Zoomstufen eures Gewehrs zur Verfügung gestellt. Im Moment reagiert die Zielmechanik mit Pistolen und MPs auch auf höchster Empfindlichkeit für meinen Geschmack noch zu träge. So verzichtete ich meist auf den Einsatz von automatischen Waffen sowie der Pistole und ging lieber leise meuchelnd mit dem Messer in den Nahkampf. Oder man bleibt gleich auf sicherer Distanz, denn Handling und Zielempfindlichkeit wurden merklich auf die Distanzwaffen eingestellt.

Doch dies ist nicht die einzige merkwürdige Macke was die Steuerung angeht. Der Charakter neigt zum Beispiel sehr häufig dazu, an kleinen Kanten am Boden hängen zu bleiben. Oder (noch weitaus schlimmer) hin und wieder wurden meine Eingaben auf dem Gamepad erst beim zweiten drücken oder gar nicht erkannt. Manchmal kam es auch vor das mein Elite-Scharfschütze nach dem Druck auf den ‚Waffe wechseln‘-Button plötzlich ganz ohne Schießeisen dastand! Diese Fehler kamen zum Glück selten vor, doch gerade in einem Shooter in dem oftmals schnelle Reaktionen gefragt sind ist das ein absolutes No-Go!

Ein, in meinen Augen, weiterer herber Kritikpunkt sind die schlecht verteilten Rücksetzpunkte. Dass es trotz des doch recht hohen Schwierigkeitsgrades nicht möglich ist frei zu speichern, ist schon absolut unverständlich. Das einige Rücksetzpunkte euch dazu beinahe wieder an den Anfang einer Mission versetzen hat mich hingegen nicht nur einmal fast dazu gebracht den Controller an die Wand zu pfeffern!

WAS? WER? WARUM? EGAL.

 

Warum ich bisher noch kein Wort über Hauptcharakter Jon North und dessen Suche nach seinem entführten Bruder Robert verloren habe? Oder über die Hintergründe des Konflikts in Georgien zusammen mit den geheimen Machenschaften der ominösen Verbrechergruppe Gesellschaft 23? Weil die Entwickler es leider zu keiner Zeit schaffen diese Geschichte interessant zu erzählen. Schon die einleitende Filmsequenz die eigentlich das Verhältnis der Brüder Jon und Robert beleuchten soll, bleibt nur wegen der hakeligen Animationen und den teilnahmslosen Synchronsprechern im Gedächtnis. Auch die nachfolgenden Sequenzen, in denen weitere, vor Klischees nur so triefende Charaktere hinzukommen, verstärkt den Eindruck das die Story, trotz gut gemeinter Ansätze, nur eine Nebensächlichkeit bleibt. Auch die Verstrickungen diverser militärischer Organisationen sowie den vermeintlichen Darahtziehern bleibt uninteressant und verwirrend. So war es mir schon bald recht egal, weshalb ich dies oder jenes tun soll, Mission bleibt Mission und das ‚Warum‘ spielt keine Rolle mehr.

Auch die offene Welt ist nur bedingt gelungen und trägt kaum zu einer echten Immersion bei. Meist fahrt ihr nur von eurem Unterschlupf Richtung Zielgebiet und sammelt nebenbei noch Materialien zum Craften von Munition ein, oder erfüllt unterwegs noch einige bedingt unterhaltsame Nebenaufgaben.

 

Die Landschaften sehen dabei, (sowie das gesamte Spiel) recht schick aus, hauen einen aber auch nicht wirklich vom Hocker. Leider trüben einige Matsch-Texturen und gelegentliche Slow-Downs den eigentlich gelungenen Eindruck. Dazu kommt, dass Dörfer und andere Örtlichkeiten innerhalb der weitläufigen Areale von Klon-Zivilisten bevölkert werden, die zwar manchmal etwas zu erzählen haben, es aber dennoch nicht schaffen der Spielwelt leben einzuhauchen.

FAZIT

Wie schon die Vorgänger macht es einem auch Sniper Ghost Warrior 3 nicht leicht. Einige der Kritikpunkte an den Vorgängern wurden ausgemerzt, doch viele Neue kommen hinzu. So stehen vor allem die interessanten Missionen in weitläufigen, abwechslungsreich gestalteten Gebieten, mitsamt ihrer enormen spielerischen Freiheit und situativer Spannung auf der Haben-Seite. Das dabei die klischeebehaftete Geschichte völlig uninteressant erzählt wird wäre noch zu verkraften. Doch die vielen kleinen Macken hinsichtlich der Technik und Steuerung, zusammen mit einer leblosen Spielwelt und teilweise unfairen Rücksetzpunkten, trüben zu häufig den Spielspaß. Es ist schade, dass man trotz der vielen guten Ansätze weiterhin nur einen soliden Shooter auf gehobenem Durchschnitts-Niveau erlebt.

WERTUNG:

7 VON 10

Kommentare

Sag etwas, mein Freund!

Jetzt hast du die Gelegenheit die Person zu sein, zu der deine Mutter dich immer machen wollte: Freundlich, höflich und klug!

Du darfst grundsätzliches HTML und diese Tags benutzen:

<a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>