GC15 – Ein geladener Devolver

GC15 – Ein geladener Devolver

von am 10.08.2015 - 10:00
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Letztes Jahr gab es einen Vorgeschmack, dieses Jahr das komplette Paket: Mittwoch war Devolver Digital-Tag. Der unabhängige Publisher bot mir auf der Gamescom gleich satte sechs potentielle Perlen aus ganz verschiedenen Genres an. Und es hat Spaß gemacht, denn kreativ, anders und persönlich sind die Spiele unter Devolvers Banner allemal. Doch leider folgen sie auch einigen Indie-Trends, wodurch sie sich nur schwer aus der Masse der unabhängigen Spiele herausheben.

Während ich The Talos Principle, Shadow Warrior 2 und Mother Russia Bleeds eigene Artikel widmen möchte, gibt’s hier die restlichen Spiele, die ich bei Devolver sehen durfte. Mit dabei sind Eitr, das mit den Themen und der Kälte der nordischen Mythologie spielt, die Vogel-Visual Novel Hatoful Boyfriend: Holiday Star und der Wortspielkönig Enter the Gungeon.

Der Weltenbaum EITR-t

In Eitr treffen nordische Mythologie, Pixelgrafik, Dark Souls und Diablo aufeinander, erzählen mir die Entwickler. Eine rothaarige Kriegerin mit Schwert und Rundschild zieht darin in eine kalte, feindliche Welt. Yggdrasil, der Weltenbaum, ist krank – Grund dafür ist der Eitr, der die Welt befallen hat, und gegen den sie als einzige immun ist.

Eitr - Screen 3

Während eine andere Bloggerin spielt, unterhalte ich mich mit dem Komponisten des Spiels und sehe zu. Ich bin beeindruckt, dass ich die düstere Atmosphäre des Spiels trotz Messelärms fühlen kann – dunkle Windgeräusche und spärlicher Musikeinsatz vermitteln mir das Gefühl, dass die Welt von Eitr im Sterben liegt. Als ich dann selber spielen kann, schlägt sich dieser Eindruck auch im Spielgefühl nieder.

Eitr - Screen 8

Schnell lerne ich, dass es in meinen Kämpfen auf genaues Timing ankommt, denn Eitr ist eins dieser Spiele mit langsamen Angriffen: Wenn ich den Knopf drücke, dauert es einen klitzekleinen Moment, bis die Kriegerin ihr Schwert schwingt. Während sie schwingt und die Animation läuft, ist sie verwundbar. Das bedeutet, dass ein kleiner Fehler im Kampf schon dazu führen kann, dass sie mehrere Treffer einstecken muss, denn ihre Widersacher nutzen jeden Fehler aus. Es ist schwer, und das spiegelt perfekt die feindliche Welt von Eitr wieder. Gänsehaut!

Hatoful Boyfriend: Holiday Star

„We deflected the Otaku-Laser.“ Als dieser Satz auf dem Bildschirm auftaucht, muss ich ihn in mein Notizbuch schreiben, und glaubt mir: Selbst mit Kontext macht er kaum mehr Sinn.

Hatoful Boyfriend HS - Screen 1

Hatoful Boyfriend: Holiday Star ist ein Ableger der Kult-Visual Novel Hatoful Boyfriend, einer sogenannten Dating-Sim, in der der Spieler verschiedene Vögel daten kann – genauer gesagt Tauben, mit Bewusstsein, Berufen, Vorlieben und Wünschen. In Holiday Star soll es nun vier zusätzliche Episoden geben, die im Hatoful Boyfriend-Universum spielen und besonders den Fans gefallen sollten.

Hatoful Boyfriend HS - Screen 3

Ganz recht: Hatoful Boyfriend ist nun ein Franchise, ein fiktives Universum mit einem etablierten Kanon.

Hatoful Boyfriend HS - Screen 2

Was für eine Zeit, in der wir leben.

Enter the Gungeon: Praise the Gun!

Erneut fragt mich ein Entwickler, ob ich Dark Souls gespielt habe – erneut verneine ich. Ich spüre einen Trend. Doch in Enter the Gungeon steckt noch ein anderer Einfluss, nämlich der von The Binding of Isaac. Und der von Zelda. Und von Star Wars. Und von Dungeons & Dragons.

EtG - Screen 2

Tatsächlich spielt sich Enter the Gungeon wie ein präziseres Binding of Isaac. Die Räume, durch die wir uns ballern, sind – wie immer bei diesen Spielen mittlerweile – prozedural gestaltet, sehen also immer wieder anders aus. Mit einer selbstgewählten Figur geht’s ins Spiel hinein, und dann schieße ich auf superniedliche Patronen, die mit kurzen Armen, Beinen und Gesichtern durch die Level wanken. Gemeinsam mit dem Entwickler zerlege ich ein paar Räume und lasse kein Stein auf dem anderen, Werfe Tische als Deckung um und erfreue mich – ähnlich wie bei Mother Russia Bleeds zuvor – eher an der Grafik als am Gameplay.

EtG - Screen 17

Ich bin nicht sonderlich gut im Spiel, glaube aber, dass ich es verstanden habe. In Truhen können wir neue Ausrüstung finden, und da niemand auf der Gamescom wirklich lange Zeit hat, zeigt mir der Entwickler per Konsolenaufruf ein paar der über 200 Waffen, die es im Spiel geben soll – etwa den Einhorn-Laser, der einen bunten Regenbogen-Strahl in den Raum ballert; oder eine Wasserpistole, die keinen Schaden macht, aber in dessen Wasser sich die Pixel-Figuren wunderschön spiegeln können.

Devolver’s volle Trommel

Sechs Spiele, sechs Volltreffer: Die Titel im Programm von Devolver Digital sind interessant, anders und bringen gute Ideen ins Spiel, mit denen sich auch Schwachstärken kaschieren lassen. So bin ich zum Beispiel kein großer Fan des Beat’em Up-Gameplays von Mother Russia Bleeds, liebe aber die kreative Spritzen-Mechanik. Enter the Gungeon erweckt mit zuckersüßen Animationen eine schräge Welt zum Leben, die wir dann im Kampf gegen einen Gatling Gull (pun intended) mit einem Einhornlaser zerballern können (once you go unicorn, you never go back). Dazu gibt’s dann Lo Wang mit einem dynamischen Upgrade-System und halbwegs zufallsgenerierten Karten.

Doch die Welt von Devolver ist wahrscheinlich nicht für jeden Spieler etwas, denn die Unterhaltung ist vor allem eins: brachial. Abseits von The Talos Principle ist Subtilität nicht die Stärke des aktuellen Katalogs – in Enter the Gungeon habe ich zum Beispiel über eine ganze Bibliothek zerschossen und es sah aus, als ob die Bäume dieses Jahr kein Laub, sondern Buchseiten geworfen hätten. Shadow Warrior und Mother Russia Bleeds sind wahre Blut- und Gore-Orgien, und die Protagonistin von Eitr verabschiedet sich mit einem schrecklichen Schrei, wenn sie kraftlos zu Boden sinkt. Selbst Hatoful Boyfriend: Holiday Star zeigte uns eine gigantische Schlacht zwischen Fangirls – per Text, aber die subtile Unterwanderung von Anime-Klischees und Fanerwartungen aus dem ersten Teil ist mir etwas lieber.

Ein weiterer Trend ist der Schwierigkeitsgrad der Spiele – immer wieder fällt im Gespräch mit Entwicklern der Name Dark Souls. Das ist auf der einen Seite zu begrüßen, wie es zum Beispiel der Komponist von Eitr an Hand von World of Warcraft erklärt: Während es früher das Ergebnis wochenlanger Arbeit war, hochwertige Schilde, Schwerte und Rüstung im Spiel zu tragen, ist es mittlerweile auch für ungeschickte Spieler möglich, gute Ausrüstung ohne Aufwand zu ergattern. Das riecht zwar nach Hardcore-Elitismus, enthält aber einen wahren Kern – einige Spiele unserer Zeit sind nicht mehr weit von „Press X to win the game“ entfernt, weil sie massenkompatibel sein sollen. Und da ist es vielleicht auch ganz gut, dass Devolver ein paar Spiele präsentiert, die nicht jedem Spieler gefallen sollen.

 

Über Christoph Volbers

Christoph hat viel zu viele Töpfe am Kochen: Er ist der Kopf hinter dem Science Fiction-Metal-Projekt Xenogramm und schreibt an seinem eigenen Roman. Gleichzeitig studiert er Englisch und Geschichte im schönen Bremen (nicht lachen!). Da er jedoch nicht immer vor dem Bildschirm hocken kann, geht er arbeiten - und zwar in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wenn er sich davon erholen will, dann kocht er, oder er geht laufen, oder er sieht sich Filme und Serien an. Oh, und offenbar schreibt er auch für krautgaming. Wie konnte ich das nur übersehen?

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