Da sehe ich auf den Kalender und stelle erschrocken fest, dass es bald schon wieder so weit ist: In etwa einem Monat rammt der Videospiel-Werbemutant namens E3 seine Tentakel in die Messehallen von Los Angeles. Alles dreht sich dann für eine Woche nur um eins – um Geld, nicht um Videospiele. Riesige Werbebudgets gibt’s immerhin nicht der Kunst halber und auch die Pressekonferenzen auf der Messe dienen vor allem dem Zweck: uns die Illusion vom „Next Big Thing“ zu verkaufen. Das mögen manche sehr zynisch sehen – doch ich freue mich auf den ganzen Zirkus.
In meinen Augen ist die E3 eine völlig sinnlose Unterhaltungsshow. Wir leben in Zeiten des Internets, in denen sowieso jeder von IGN, Destructoid oder Polygon abschreibt oder gleich ganze Pressemitteilungen aus der Publisher-Mail kopiert. Da braucht niemand mehr eine große Show auf einer Bühne mit großen Ankündigungen – denn die großen Ankündigungen tauchen oft schon lange vor dem offiziellen Termin im Netz auf. Eine einfache Mail vom PR-Team des Spiels reicht dann aus, am Besten mit einem Link zum Trailer und ein paar hübschen Bullshots im Anhang. Gerade dann, wenn es um Call of Duty, Batman, Elder Scrolls, Assassin’s Need (For Money) oder Star Wars geht, trägt das Präsentationsmedium der Pressekonferenz vor allem eins mit sich herum: Unnötigen Ballast.
Wir sind jung, wir sind cool
Doch trotzdem klebe ich jedes Jahr wieder bis tief in der Nacht vor dem Bildschirm, um mir die Live-Streams der Pressekonferenzen reinzuziehen. Denn ich finde sie saukomisch. Es gibt Filme an denen ich weniger Spaß hatte, als mit den Pressekonferenzen von Sony, Microsoft, Nintendo, UbiSoft, EA oder Konami. Das liegt vor allem am Wunsch der Konzerne, sich den Zuschauern als junge, hippe Kumpels zu präsentieren. Wenn Firmen so etwas versuchen, dann geht das meistens schief.
Da stellen sich die Bosse der Entertainment-Sparten von Microsoft und Sony auf die Bühne und wären gerne so cool und unverkrampft wie Tony Stark, landen aber noch nicht einmal bei Justin Hammer. Yves Guillemot, oberster Honcho von Ubisaft, spricht derweil von der Bühne, als ob er gerade vom Vorsprechen für die Rolle als neuer James Bond-Superschurke käme. Fehlt nur noch die Katze auf dem Arm.
Dann gehen irgendwo die Lichter aus, und die Journalisten verstummen. Keine Musik. Ein ganz ganz ernster Mann kommt auf die Bühne, er trägt einen Controller in der Hand. Ein paar schwache Scheinwerfer leuchten ihn an, aber nur ein bisschen – damit der Zuschauer sehen kann, dass er zwar entspannt spielt, aber eben trotzdem ganz ganz ernst ist. Und dann spielt der Mann ein paar ganz ganz ernste Szenen aus dem neuen Call of Duty, Bladderfield, Tomb Raider oder Assassin’s Creed, also aus Spielen, die ganz ganz ernst und ganz ganz erwachsen sind.
Unterhaltsamer Blödsinn
Wenn das jetzt klingt, als ob ich mich darüber lustig machen würde, dann haben meine drei Leser recht – ich mache mich darüber lustig. Denn das ganze Balzgebahren um die Gunst der Käufer ist völlig albern, im besten Sinne. Ich muss jedes Mal breit grinsen, wenn Allgemeinplätzchen wie „Videospiele verbinden Spieler auf der ganzen Welt“ von der Bühne schallen. Oder wenn plötzlich ein paar professionelle Tänzer auf der Bühne zu Lady Gaga abtanzen, denn warum nicht – um Spiele geht’s hier sowieso nicht, nur darum, sie zu verkaufen, und das macht Ubisaft trotz aller PR-Desaster richtig, richtig gut.
Doch es geht noch einen Schritt weiter: Wenn einer der Leute von Microsoft oder Sony von der Bühne predigt, dass es den neuen Call of Duty-Hardcore-420-Blaze-It-Noscoper-MLG-Snoopdogg-DLC nur auf einer der beiden Konsolen geben wird, dann jubelt das Publikum, das – zur Erinnerung – aus Journalisten besteht. Weil es ja so schön ist, wenn wir unser Medium fragmentieren, wenn wir Lager schaffen und Gräben schaufeln. Das grenzt fast an Realsatire, an der auch Matt Lees mit seinen wunderbaren „Abridged“-Versionen nicht viel mehr machen müsste.
Sehr witzig finde ich auch immer wieder Rendertrailer – kleine Filmchen, die keine echten Gameplay-Szenen enthalten. Der Informationsgehalt dieser Schnipsel tendiert immer gen Null: Hey, ein neues Halo/Zelda kommt, oder hey, die arbeiten tatsächlich an einem Mad Max-Spiel. Wir haben keine Ahnung, wie das Spiel aussieht, wie es sich anfühlt und was wir darin machen, aber hallo, es ist Mad Max, und Film-Umsetzungen sind ja immer Garant für hohe Qualität. Ganz bizarr wird es jedoch, wenn Trailer wie zum Beispiel zu Project Spark oder The Mighty Quest for Epic Loot versuchen, witzig zu sein. Denn anscheinend weiß niemand in den Werbe-Fabriken von Ubisaft, Microsoft, Sony, Nintendo oder EA, was Humor ist. Aber hey, Cartoon-Look bedeutet „witzig“, also pflanzt ein paar bemühte Witze ins Script, damit wir ein wenig Abwechslung in die ganz ganz ernsten Spiele bringen können.
Monkey Business
Vor ein paar Jahren hat mich die E3 noch genervt. Doch über die Jahre habe ich meinen Frieden mit der schillernden AAA-Welt gefunden, die uns zu gerne vormachen will, dass wir keine Kinder mehr wären. „Videospiele sind coole, junge Erwachsene, genau wie ihr!“, schreien die Konzerne von den Bühnen; doch es ist so liebenswert offensichtlich, dass das niemand ernst meint und sich alle nur an der „Target Demographic“ orientieren. Werbefilmchen reiht sich an Werbefilmchen, alle wunderbar auf den „Durchschnittsgamer“ zugeschnitten – und wir feiern jedes einzelne, als hätten wir gerade von der Impfung gegen Krebs erfahren.
Da schließe ich mich nicht aus. Auch dieses Jahr werde ich (sofern ich nicht arbeiten muss) wieder die ganze Nacht wach bleiben und auf den Bildschirm glotzen. Es ist schon beinahe eine Tradition für mich – inklusive der ganzen Berichterstattung, die manchmal eher an die Analyse eines Fußballspiels erinnert als an die Besprechung einer Pressekonferenz. Ich finde das nach wie vor faszinierend: Wir besprechen Pressekonferenzen, als ob sie die Spiele unserer Lieblingsvereine wären.
Dabei hat die E3 mehr mit einer Stunde RTL2 oder einem Film wie Mega-Shark vs. Giant Octopus gemeinsam – weil sie gerade wegen seiner vielen Dummheiten einfach Spaß macht.
In diesem Sinne:
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