Das Versprechen

Das Versprechen

von am 01.11.2014 - 09:00
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Als wir die Erde verließen, versprachen wir etwas: Wir würden eine bessere Welt finden, und wenn sie nicht besser wäre, dann würden wir sie besser machen. Das war vor hunderten von Jahren – heute existieren die Träume unserer Mütter und Väter nur noch in den Geschichten, die wir aus der alten Welt mitbrachten.

Wir landeten vor vielen Jahren auf diesem Planeten und waren nur wenige. Vorsichtig stiegen wir aus den Stasiskapseln und betraten unsere neue Heimat. Über den fahlen Grasfeldern lag grüner, giftiger Dunst; auf den Hügeln wuchsen Wälder aus Bäumen, die wie übergroße Sträucher in den Himmel ragten. Felsen schwebten zwischen den Berggipfeln. Die Risse, die sich wie Adern durch sie zogen, leuchteten violett.

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Landung

Die Fauna jagte über die weiten Ebenen und trank aus den Flüssen – große Insektoide, die wir Wolfs- und Raubkäfer nannten, bevölkerten den Planeten. Durch den Boden gruben sich Würmer, die so groß wuchsen, dass sie ganze Kolonien vernichten konnten, und am Himmel zogen fliegende Drohnen-Käfer ihre Kreise.

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Während wir in die Täler blickten, wurde uns eins klar: Wir durften nicht die gleichen Fehler machen, mit denen unsere Ahnen die Erde zerstört hatten. Sonst hätten wir sie nie verlassen müssen. Gleich nach der Landung beschlossen wir, das Leben auf dieser Welt zu schützen. Wir wollten koexistieren und mit ihnen leben, nicht gegen sie. Darum wuchs unsere Kolonie nur sehr bedächtig – wir wollten allein die Bereiche erschließen, die wir brauchten.

Dummerweise brauchten wir Öl, und geothermale Energie, und schwebenden Fels.

Fehltritt

Als wir einen neuen Außenposten gründeten, um die geothermalen Quellen in der Nähe zu nutzen, da müssen wir etwas übersehen haben – so genau weiß das niemand mehr. Wir räucherten ein Nest der einheimischen Lebensformen aus. Daraufhin wandte sich die Tierwelt des Planeten gegen uns. Sie griffen die Trucks an, mit denen wir unsere Güter zwischen unseren Städten und denen anderer Kolonien transportierten; fortan mussten wir die Routen beschützen.

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Das bedurfte stärkerer Waffen und größerer Truppen, denn die Käfer waren weder dumm noch schwach: Sie griffen aus der Ferne an und an Punkten, an denen wir nur wenige Truppen stationierten. Ihre riesigen Belagerungswürmer verwüsteten ganze Landstriche, auf denen wir unsere Lebensmittel züchteten. Im Meer lauerten Kraken und Wale mit zahnbesetzten Tentakeln, die aus dem Gesicht wuchsen – auch auf dem Wasser waren wir nicht sicher.

Doch erst dann erklärte uns eine der anderen Kolonien den Krieg – weil wir zu viele der einheimischen Lebensformen töteten. Wir waren ein Feind des Planeten, so hieß es, und unsere menschlichen Kontrahenten ritten zum Beweis auf Raubkäfern in die Stadt, die sie von uns nahmen. Wir saßen in der Klemme, und es gab nur einen Weg, uns zu schützen: Krieg. Wir durften die Träume unserer Eltern nicht mit uns sterben lassen.

Pragmatik

Unsere Wissenschaftler klemmten in letzter Sekunde einige Prototypen zusammen, mit denen wir unsere Angreifer abwehren konnten. Die autonomen Kampfroboter verteidigten unsere Städte und zeigten den Angreifern wie auch den Kreaturen, dass wir nicht aufgeben wollten. Wir trieben sie zurück und verteidigten unsere Grenzen.

Doch an eine Rückkehr war nicht mehr zu denken. Der Planet fraß noch immer jeden Konvoi, den wir in eine andere Stadt sandten, wenn wir ihn nicht eskortierten. Die Nachbarkolonie schielte auf die Firaxit-Kristalle, die wir auf unserem Gebiet abbauten. Und wir standen immer noch im Krieg mit den Käferkuschlern im Norden, die uns eine Stadt genommen hatten.

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Uns wurde klar, dass uns nur noch Maschinen und Waffen helfen konnten – wir konnten uns nicht mehr darum kümmern, eine bessere Welt zu schaffen. Wir mussten überleben.

Vorherrschaft

Unsere Waffen wuchsen, unsere Maschinen wuchsen, und wir verwuchsen mit ihnen. Implantate sollten ausmerzen, was uns schwach machte, und Roboter sollten dort kämpfen, wo Menschen nicht sterben sollten. Nur noch wenig erinnerte daran, dass wir einst im Einklang mit dem Planeten leben wollten. Wir zogen von Hochhäusern in schwarze, kalte Türme, die wie ein Wald aus leblosen Monolithen in den Himmel wuchsen. Zwischen ihnen verkehrten Magnetschwebebahnen, die leise von Stadt zu Stadt surrten.

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Unsere Kriegsmaschinen eroberten die gefallene Stadt zurück – schneller, als es irgendjemand für möglich gehalten hätte. An diesem Punkt beflügelte uns die Macht, die von unseren Waffen ausging: Wir griffen weitere Städte an. Wir nahmen weitere Städte ein und zeigten den anderen Kolonien, dass wir die stärkste waren. Die Außerirdischen Bestien rotteten wir aus: Wir suchten und fanden jedes einzelne ihrer Nester. Wir erlegten unzählige Kraken in den Ozeanen. Vom Himmel jagten die Tötungsstrahlen unserer Satelliten wie die Blitze eines zornigen Gottes herab.

Wir waren zornig, uns wir zeigten es dem Planeten. Wir hinterließen verbrannte Erde und vernichteten die Streitkräfte der anderen Kolonien – doch wir löschten ihre Städte nicht aus. Irgendwer musste immerhin die Waren kaufen, die aus unseren Fabriken quollen.

Rückkehr

Wir beherrschten den Planeten. Niemand stand uns im Wege. Unser Weg des Überlebens hatte sich bewährt – dort, wo einst das bizarre außerirdische Leben blühte, da wuchs nun Gras, und da wuchsen gute, gesunde Bäume der alten Erde. Wir verwandelten die neue Welt in die alte – ohne zu wissen, dass wir das bereits in der Sekunde getan hatten, in der wir die Waffen gegen die anderen Kolonien erhoben.

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Unsere Welt unterschied sich nicht mehr von der Welt, die wir verlassen hatten. Wir bauten ein Sternentor und sandten unsere Truppen zur alten Heimat – weil wir nicht mehr wussten, wie wir anders auftreten sollten. Die Menschen der Erde begrüßten unsere Soldaten, als ob sie die Engel wären, die sie ins Paradies geleiten. Sie wussten nicht, dass wir gekommen waren, um sie uns untertan zu machen.

In diesem Moment wurde uns bewusst: Die Träume unserer Väter und Mütter waren nicht die, an die wir uns erinnerten. Die neue Welt blutete ebenso wie die alte, während wir fest daran glaubten, unser Versprechen gehalten zu haben.

Sid Meier's Civilization: Beyond Earth

von am 01.11.2014

Sowohl Civilization V als auch Alpha Centauri – die beiden (inoffiziellen) Vorgänger – sind bessere Spiele. Im Vergleich mit diesen besitzt Beyond Earth weniger Persönlichkeit (Alpha Centauri) und weniger Tiefgang (Civ V), und macht sogar einige Rückschritte: Während ich zum Beispiel in Civilization V noch Handelsrouten nach ihrem Ertrag sortieren konnte, fehlt diese Funktion in Beyond Earth, und das ist nur eine der vielen kleinen Versäumnisse, die das Spiel stören. Trotzdem inspiriert es mich dazu, über die Zukunft der Menschheit nachzudenken – so, wie es gute Science Fiction tun sollte, und die haben wir Spieler einfach viel zu selten.

Über Christoph Volbers

Christoph hat viel zu viele Töpfe am Kochen: Er ist der Kopf hinter dem Science Fiction-Metal-Projekt Xenogramm und schreibt an seinem eigenen Roman. Gleichzeitig studiert er Englisch und Geschichte im schönen Bremen (nicht lachen!). Da er jedoch nicht immer vor dem Bildschirm hocken kann, geht er arbeiten - und zwar in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wenn er sich davon erholen will, dann kocht er, oder er geht laufen, oder er sieht sich Filme und Serien an. Oh, und offenbar schreibt er auch für krautgaming. Wie konnte ich das nur übersehen?

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