Review: Sherlock Holmes: Crimes & Punishments

Review: Sherlock Holmes: Crimes & Punishments

von am 18.10.2014 - 11:00
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Jeder kennt ihn – den Detektiv mit der Pfeife und einem Verstand so präzise wie sein Geigenspiel. Sherlock Holmes, Protagonist der Geschichten von Sir Arthur Conan Doyle, wurde unzählige Male adaptiert, oft mehr schlecht als Recht – hauptsache man beutet das Merchandise noch ein bisschen aus – und fasziniert die Menschen seit fast 150 Jahren. Frogwares hat es jetzt erneut gewagt Sherlock zu interpretieren, und das sogar recht gut.

In den 1890ern (kurz vor dem Ende des viktorianischen Zeitalters) setzt Sherlock Holmes: Crimes & Punishments an zu erzählen. Wer Sherlock Holmes kennt, den wundern seine Eskapaden nicht mehr. Wenn Sherlock mit verbunden Augen auf Vasen schießt oder sich aus Neugier mal eben selbst vergiftet, vermittelt das eine sehr angenehme Vertrautheit mit Holmes, aber gehen wir wie Holmes einmal strategisch vor und fangen vorn an.

Sehen Sie nur, Watson!

Starten wir das Spiel, beginnt die Story in der bekannten Wohnung von Holmes und Watson in der Baker Street 221b. Grafisch zwar lange nicht so beeindruckend wie aktuell The Vanishing of Ethan Carter, dennoch aber sehr hübsch und vor allem mit Liebe zum Detail eingerichtet. Die Orte, an denen man sich während des Spiels aufhält, sind zwar sehr begrenzt, zu entdecken gibt es trotzdem eine Menge. Ob es nun die Wanted-Poster bei Scottland Yard sind, die nach realen Personen der britischen Kriminalgeschichte suchen, der viele Krimskrams in Holmes Wohnung oder die bunten Gärten im königlichen Gewächshaus – alles wirkt sehr stimmig, nicht überladen und liebevoll zusammen gestellt.

Am vernebelten Bahnhof verschwindet ein Zug auf mysteriöse Weise

Am vernebelten Bahnhof verschwindet ein Zug auf mysteriöse Weise

Die Figuren hingegen wirken manchmal sehr wachsartig und wo es in der Umgebung soviel zu entdecken gibt, so gibt es bei den Personen nur wenig, was es zu entdecken geben soll. Besonders Haare wirken sehr unnatürlich und verpixelt. Am seltsamsten bei Holmes selbst, denn besonders die verschiedenen Frisuren und Bärte, die für den Detektiv zur Verfügung stehen, sind alle irgendwie hässlich.

Insgesamt ist die Grafik nicht unbedingt auf dem aktuellen Stand und wirkt vor allem dann, wenn man ein paar Meter weiter blickt, sehr kantig. Aber so wie Sherlock Holmes durch die Masken der Verdächtigen sieht und die Wahrheit entdeckt (wenn nicht gerade Watson im Blickfeld steht) so werfen wir doch einen Blick hinter die Grafik.

Sherlock Holmes und Dr. Watson

Sherlock Holmes und Dr. Watson

Gehen Sie aus dem Weg, Watson!

Holmes lässt sich über die gängigen Tasten steuern, und das sogar flüssig. Auch die Steuerung in den Minispielen wird schnell klar und sind gut zu koordinieren. Die Steuerung wechselt zwar oft, aufgrund der vielen Varianten an Minispielen, dennoch wird alles übersichtlich erklärt, wenn man es braucht.

Eins der vielen Rätselspiele. Bau den Sombrero zusammen!

Eins der vielen Rätselspiele. Bau den Sombrero zusammen!

Lediglich Dr. Watson hat so seine Probleme, denn der treue Veteran folgt Holmes zwar auf Schritt und Tritt, steht aber auch oft im Weg: Das wird vor allem in den engen Räumen der Bahnhöfe zum Problem und so wird es beinahe zu einem weiteren unfreiwilligem Minispiel, Watson so hinzulocken, dass man sich an ihm vorbei schieben kann. Ab und zu lässt er sich auch wegschubsen, aber das ist mir nur selten gelungen. Meist steht er wie da wie zu Stein erstarrt und zwar genau vor dem einzigen Ausgang eines Raums.

Das beschäftigt mich zwar jedes Mal für mehrere Minuten, trägt aber nicht viel zur Lösung eines Falls dabei. Viel wichtiger dabei sind die kleinen Rätsel, Befragungen und Hinweise, die man knacken muss und dort funktioniert alles, wie es soll. Zwar irren die Hinweise im Deduktionsscreen manchmal verwirrt übereinander her, aber das macht eigentlich nichts.

Ein weiteres Manko finde ich in den unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden der Rätsel. Bei einigen muss man schon etwas Hirnschmalz, Geduld und Timing beweisen, andere wiederrum sind völlig offensichtlich und wirken mehr wie ein Lückenfüller für ein Rätsel, das eben an dieser Stelle noch hin muss. Die Idee, Sherlocks Spürhund Toby in die Fälle zu integrieren ist zwar ganz witzig, aber dabei muss man auch nicht mehr machen, als einem gut sichtbaren grünen Nebelschleier zu folgen, der sich über den kompletten Pfad erstreckt, den es abzulaufen geht, bis man alle Orte entdeckt hat, an denen der Täter wichtige Sachen gemacht hat.

Hat man alle Indizien, die man braucht, um ein Detail im Fall zu lösen, so macht Sherlock das nicht etwa selbstständig, sondern ich als Spieler muss entscheiden, ob diese Hinweise ernstzunehmend sind, oder ob vielleicht eine andere Möglichkeit wahrscheinlicher ist. So strickt man sich nach und nach ein Gebilde zusammen, dass zu einem Täter führt und das besonders Schöne an dem Spiel: Man kann falsch liegen.

Auch die Leute muss man sich genau angucken, um Hinweise zu erhalten

Auch die Leute muss man sich genau angucken, um Hinweise zu erhalten

Zieht man die falschen Schlussfolgerungen aus den gegebenen Hinweisen, dann sperrt man am Ende eben einen Unschuldigen ins Gefängnis oder schlimmer, bringt ihn an den Galgen. Mir gefällt diese Option sehr gut, denn das bedeutet, dass ich nicht nur alles brav finden muss, ich muss dann auch noch mein Köpfchen selbst anstrengen. Egal, ob ich den Fall richtig oder falsch löse – irgendjemand hängt am Ende.

Denken Sie doch nach, Watson!

Und schon wieder muss ich über Watson herziehen, denn der stellt während der Ermittlungen nicht besonders schlau an. Sicher war es für die Entwickler einfacher, ihn als Anker zu nutzen, damit Sherlock jemandem seine Kommentare und Ideen mitteilen kann. Jedoch führt das dazu, dass Watson nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte ist – und das ist nun so gar nicht der Dr. Watson, den ich aus den Geschichten von Doyle kenne. Zwar wirkt seine Art sehr überzeugend, aber er ist eben nicht Sherlocks Freund und Helfer, sondern mehr ein Diener, der ihm brav folgt und tut was der Meister sagt, ohne es zu hinterfragen.

Ernsthaft!? Untertitel für Tobys Bellen?

Ernsthaft!? Untertitel für Tobys Bellen?

Den Meisterdetektiv hingegen halte ich für eine gute Interpretation, denn er ist in einer von mir heißgeliebten Art, exzentrisch, ein wenig arrogant, überheblich, sarkastisch und trotz allem bleibt er immer der typisch britische Gentleman mit scharfem Verstand. Es gibt sogar einen kleinen Seitenhieb auf seinen Opiumkonsum, der oft unterschlagen wird. In einigen Fällen wird es sogar nötig, Sherlocks Fähigkeit, sich zu verkleiden, so dass nicht einmal Watson ihn erkennt, zu Nutze zu machen, um den Bösen ein Stück mehr auf die Schliche zu kommen.

Nun stehen uns also sechs Fälle zur Verfügung, die es zu entwirren gibt, und mit jedem Fall wird diese Aufgabe etwas schwieriger, denn es stoßen immer mehr Verdächtige und Möglichkeiten hinzu. Einige der Fälle stammen aus Sir Arthur Conan Doyles Feder, andere wiederrum wurde von Frogwares neu entworfen – und das nicht schlecht. Auch wenn einige Fälle sich mit der Zeit in die Länge zu ziehen scheinen, so nehmen sie dann doch schnell wieder Fahrt auf und ich kann keinen Fall nennen, von dem ich sage, er sei der schlechteste und ein anderer der beste. Alle Fälle haben ihren besonderen Charme und sind in sich völlig unterschiedlich.

Zwielichtige Gassen - passend zu ihren Gestalten

Zwielichtige Gassen – passend zu ihren Gestalten

Stöbert man in einem noch in römischen Ruinen herum, so findet man sich im nächsten in einer dunklen Seitengasse wieder. Gibt es hier noch einen Mord, der an ein Ritual erinnert, so gibt es im nächsten einen Schusswechsel auf offener Straße und wieder ein anderer enthält die traurige Geschichte zweier Liebenden. Alles in Allem sind die Geschichten sehr abwechslungsreich und Frogwares ist es gelungen, ihre eigenen Geschichten so umzusetzen, dass man so gar nicht recht sagen kann, ob eine Geschichte jetzt von Doyle stammt oder nicht.

Ich schlussfolgere daraus, mein lieber Watson…

Das Spiel mag so seine Schwächen haben, aber die gelungenen Stories und Schlussfolgerungen gleichen diese Mängel mit links wieder aus. Ich wurde mit allen möglichen Rätseln und Knobbeleien über 22 Stunden bei Laune gehalten und war mir manchmal nicht 100% sicher, ob ich wirklich den richtigen Täter erwischt habe.

Holmes-Fans wie Jungdetektive kommen hier auf ihre Kosten. Wer von einer Runde nicht genug hat, kann die Fälle einzeln noch einmal spielen. Dann mit mehr Outfits und Frisuren für Holmes, und natürlich einer anderen Lösung.

Sherlock Holmes: Crimes & Punishments

von am 18.10.2014

Sherlock Holmes:Crimes & Punishments hat zwar ein paar Macken und ist grafisch kein Mindblow, aber weiß mit seiner Story, Rätseln und dem Gameplay zu überzeugen. Es macht außergewöhnlich viel Spaß, die vielfälltigen Fälle zu lösen und seinen Kopf einmal selbst anzustrengen

Über Katta

Vollprofi-Softwaretesterin mit Passion für Games & Bücher

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