Rostige Autos schimmern in der Sonne, ein ruhiger „Dinklage“ erweckt mich aus einem der Wracks und warnt vor dem Einbruch der Dunkelheit. Wir werden verfolgt und müssen uns schnell in ein riesiges, braun schimmerndes Gewölbe flüchten, das langsam von meinem neuen Freund erleuchtet wird. Fürchterliche Schatten werfen sich durch die Korridore und als es eng wird, schimmert ein angelehntes Gewehr in der Ecke. Köpfe zerschellen und der Weg zu einer kleinen Lichtung wird frei, die die Rettung in Form eines alten Schiffes trägt. Mit etwas Mühe startet es und wir fliehen in den Orbit, um unser neues Schicksal zu verfolgen. Aber was ist unser Schicksal?
Als Easteregg wurde Destiny bereits früh in Halo 3: ODST angekündigt. „Destiny Awaits“ liest man auf dem Plakat, dass sich bereits seit 2009 in dem Spiel befindet. Bungie wollten schon lange an einem frischen Titel arbeiten, der sich nicht um Ringe und den Master Chief dreht. Umso überraschender sind die Ähnlichkeiten der Titel. Wir werden aus einem Schlaf gezogen, man spricht von einer noch unerforschten Bedrohung und versucht eine Technologie zu schützen, die scheinbar von einer früheren Lebensform erschaffen wurde. Genau wie Halo ist auch Destiny im Grunde eine klassische Space Opera, die nicht viel von ihrem Universum preisgibt, sondern versucht uns kleine Schnipsel zu zu werfen und uns so in seine Mysterien zu ziehen. Doch worum geht es genau?
John destiny erwacht!
Nachdem euch der leicht gelangweilt klingende „Dinklbot“ (Auch „Ghost“ genannt) aus den Ruinen einer alten russischen Straße gezogen hat, reist ihr, noch bevor ihr erfahrt wer oder was ihr seid, zum Turm, der die letzte Bastion der Menschheit darstellt. Dort angekommen erläutert euch die selbst ernannte „Stimme des Reisenden“, oder auch „der Sprecher“ genannt, in drei Nebensätzen was passiert ist. Die weiße Kugel, die neben der Erde schwebt, nennt sich „der Reisende“. Er wurde zunächst in der Umlaufbahn des Mars entdeckt und mit seiner Hilfe konnte die Menschheit das Universum bereisen und andere Planeten besiedeln. Das so genannte „goldene Zeitalter“ endete jedoch abrupt, als die „Dunkelheit“ sich einmischte und zusammen mit den Gefallenen, Kabalen, Vex und der Schar die Menschheit nahezu ausrottete. „Der Reisende“ opferte sich jedoch und rettete die Übrigen vor der Vernichtung. In seiner schützenden Reichweite wurde eine letzte Stadt errichtet und der Turm, der der Hort der Hüter ist, ragt über ihr. Mit der Erweckung seid ihr nun zum Hüter geworden und müsst versuchen die Dunkelheit zu zerschlagen.
Trauriger Weise war es das auch schon. Diese farblose Geschichte fasst bereits das Spiel zusammen. Natürlich findet man einige Dinge heraus, aber allein durch ihre Struktur ist die Entwicklung der Handlung sehr vorhersehbar und schafft es nicht, einen zu binden. Ein Mysterium ist etwas anderes. Ich habe mich nie gefragt, woher dieser magische weiße Ball kommt, wer ich bin oder warum genau ich von meinem Ghost gewählt wurde.
Zum Teil liegt es daran, dass die Charaktere auf die man trifft, sehr gleichgültig mit einem umgehen und teilweise auch sehr gelangweilt klingen (Englische Synchronisation). Niemand spricht von dem wichtigen Hüter, der gebraucht wird, um alles Übel abzuwenden. Man ist einfach ein Typ von vielen, der scheinbar zufällig ausgewählt wurde um auf unzählige Feinde zu schießen. Viel gravierender ist allerdings das Design der Welt und der Missionen.
John, sieh dich bitte nicht zu viel um!
Destiny ist schön. Abgesehen von den teilweise etwas ausgewaschenen Texturen in den Hintergründen der Szenarien, macht das Spiel optisch einen sehr runden Eindruck. Die Lichteffekte untermalen gekonnt die Stimmung, die Areale wirken wie von der Zeit geformt und fordern regelrecht erkundet zu werden. Wer sich diesem Ruf ergibt wird jedoch schnell feststellen, dass es nicht viel zu sehen gibt. So schön die Gegenden auf dem ersten Blick erscheinen, so leblos und uninspiriert sind sie auf dem Zweiten. Man kann mit der Umwelt nicht interagieren, vieles wirkt zufällig zusammengewürfelt und was man findet hat überhaupt keinen Einfluss auf den eigenen Charakter oder die Geschichte. Dort liegen vielleicht drei rostige Flugzeuge, aber für mehr als einen Gegnerspawn sind sie nicht gut. Man hätte mit etwas Storytelling der Welt viel mehr Tiefgang und Tragik geben können, aber durch diese fehlende Mühe wirken sie wie ausgestreckte „Firefight„-Arenen, in denen man ab und zu mal eine Kiste findet.
Firefight ist leider auch der beste Vergleich für die 20 Story-Missionen, die man auf dem Weg zum Meister-Hüter beschreiten muss. Man bekommt ein neues Symbol auf einem Planeten, wählt dieses zum Anfliegen aus, auf dem Hinweg erläutert uns unser „Dinklbot“ kurz die Bewandtnis der Mission, wir folgen dem Marker durch die Landschaft, erreichen einen Punkt an dem wir unseren kleinen, leuchtenden Freund gegen zwei bis fünf Gegnerwellen verteidigen müssen und werden daraufhin zum Orbit zurückgeschickt. Fast keine Mission weicht von diesem Prinzip ab. Selbst die Dungeons, die sogenannten Strike-Missionen, funktionieren nach dem gleichen Schema. Folge „Dinkle“ zu Punkt C, besiege dort den Anführer und lasse dich nicht von den stetig erscheinenden Gegnerwellen ablenken. Die einzige Schwierigkeit bei diesen Aufgaben besteht in der unproportional großen Anzahl an Lebenspunkten der Endgegner. Man benötigt ca. 5-10 Minuten Dauerfeuer, um einen dieser Bosse zur Stecke zu bringen.
Die Abschnitte haben keinerlei Besonderheiten. Man spielt sie und vergisst sie, oder würde es, wenn man sie nicht nochmal spielen müsste. Wenn ich an Halo denke, dann fallen mir sofort die Kämpfe gegen die Scarabs ein. Man konnte ihnen die Beine wegschießen, gezielt aus der Ferne ihren Schwachpunkt erledigen oder geschickt mit einem Warthog auf sie springen, seine Wachen ausschalten und ihn mit der Faust niederstrecken. Man hatte Freiheit in dem was man tut und das gibt den einzelnen Momenten Wiedererkennungswert, die Destiny leider fehlen.
Besonders ermüdend wird dieser Spielablauf durch die fehlenden Areale. Man wird mehrfach durch die gleichen Gänge geschickt, um eine Information zu finden oder einen weiteren Bösewicht zu erledigen. Gerade wenn man die „Patrouille“-Missionen nutzt, um etwas Erfahrungspunkte oder Gegenstände zu sammeln, landet man immer wieder bei den gleichen Abschnitten, die sich spielerisch nur durch eine Umplatzierung der Feinde verändern. Das ist wirklich sehr ärgerlich, da der Gedanke, den Mond, den Mars und die Venus besuchen zu dürfen, eigentlich sehr verlockend ist. Man wird jedoch an jeder Ecke daran erinnert, dass es Räume sind, die ausschließlich zum Kämpfen konstruiert wurden. Dies wirkt sich neben dem Verlust der Glaubwürdigkeit, positiv auf das Gameplay aus.
john, grinden will man dich sehen!
So schade es ist, dass das Gefühl eines tatsächlichen Planeten nur selten aufkommen mag, so schön ist es in diesen Arealen zu kämpfen. Sie sind vollgespickt mit kleinen Fluchträumen, Hügeln, Bergen und alles kann man durch das Geschickte einsetzen seiner Fertigkeiten nutzen – der Feind allerdings auch. Noch mehr als Halo seiner Zeit, sind die Kämpfe in Destiny mehr ein Tanz mit dem Feind, als bloßes Deckung nehmen und abwarten à la Call of Duty. Es fühlt sich frisch und knackig an. Man schießt auf Distanz und schmeißt eine Granate hinein, um nur eine Sekunde später mitten hineinzuspringen und die übrigen mit einem Schlag, der sehr an Star Wars erinnert, ins jenseits zu schicken. Dabei haben alle Gegner Schwachpunkte an denen sie deutlich eine Reaktion zeigen, wenn man sie trifft. Dieses deutliche Feedback macht die Feuergefechte sehr befriedigend und besonders die grotesk explodierenden Köpfe sind jedes Mal eine Freude. Im Zusammenspiel mit den deftigen Waffensounds, den Effekten der Fähigkeiten und Explosionen ergeben die Gefechte ein dynamisches Actionfest, das man in kaum anderen Shootern findet. Das ist auch wichtig, denn ab Level 16 neigt sich das Spiel dem Ende und was übrig bleibt ist die Jagd nach seltenen Gegenständen.
Ab diesem Punkt hat man wahrscheinlich das Meiste erledigt und die Strike-Playlist wird freigeschaltet. Diese funktioniert wie die Multiplayersuche und bindet euch an andere Spieler, um eine Strike-Mission zu erledigen. In dieser Playlist werden die Dungeons an Level angepasst. Man kann für die Level 18, 20, 22 und 24 suchen. Dabei werden lediglich die Gegnerdichte und Lebenspunkte jener erhöht. Es sind exakt die gleichen Missionen, die man bereits gespielt hat und Abwechslung wird nicht geboten. Je höher man sucht, desto größer ist die Chance auf seltene Items, wie legendäre oder exotische Waffen. Was man bekommt ist Glückssache und anders als in Spielen wie Borderlands oder Diablo, lassen Feinde nur selten etwas fallen.
Wer wenig Glück hat, der muss sammeln. Für das Abschließen der Strikes erhält man ab Level 16 Vorhut-Marken. Im „Turm“ kann man diese beim zur Klasse gehörenden Händler gegen eine Legendäre Rüstung eintauschen. Diese sind allerdings Teuer und da man nur 100 Marken pro Woche verdienen kann, wird man mindestens vier Wochen benötigen, um eine Rüstung zu komplettieren.
Wem der „Coopgrind“ nicht liegt, der kann sich in den sehr soliden Multiplayer wagen. Dort trägt man nicht nur seine erlernten Fähigkeiten mit ins Spiel, sondern kann auch aktiv Items und Erfahrungspunkte sammeln. Das was den Singleplayer-Kampf interessant macht, ist auch hier wiederzufinden. Die Maps sind sehr unterschiedlich und darauf ausgelegt, dass die verschieden Klassen ihre Fertigkeiten benutzen können. Man kann sich im Deathmatch, Free for All, Control und Skirmish Modus auf großen, kleinen, bunten, dunklen und mit Fahrzeugen bestückten Karten messen. Die Grundlage für viele Multiplayer-Matches ist hier gelegt, denn im Kern ist das Spiel ein herausragender Shooter.
Warum spiele ich es noch?
Ich habe mittlerweile an die 20 Stunden mit John Destiny und dem Reisenden verbracht und dennoch möchte ich nicht aufhören zu spielen. Das ist eigentlich seltsam, denn wenn mich irgendetwas bei einem Spiel abschreckt, dann ist es grinden zu müssen.
Spätestens mit Stufe 20 bleiben einem nur die Items um weiterzukommen. Dazu muss man Spezielle finden, die etwas Licht in sich tragen und den Waffenschaden weiter in die Höhe bringen. Hieran kann man sich stoßen, da man weder mit anderen Spielern handeln kann, noch hat man die Möglichkeit sich diese Waffen herzustellen. Was man bekommt ist reine Glückssache und viel findet man auch nicht. Dadurch kann es sehr lange dauern, bis das gewünschte Set vervollständigt ist. Persönlich gefällt mir das sehr. Ich werde nicht gerne mit Gegenständen bombardiert, die ich dann stetig vergleichen muss. Ich will nicht Waffen austauschen, nur weil sie einen Angriffspunkt mehr haben. Ich genieße es mich mit einer Waffe über einen längeren Zeitraum zu beschäftigen und sie nach und nach aufzuwerten, bevor die Nächste kommt. So besaß ich seit Stufe 10 ein Scharfschützengewehr, dass ich mit 20 endlich durch ein Legendäres ersetzen konnte. Dadurch hat man große Sprünge in seiner Ausrüstung, die für mich sehr motivierend sind.
Besonders die Mischung aus Multiplayer und (Semi-) Singleplayer halten mich am Ball. Wenn ich gerade keine Lust habe eine Strike-Mission zu wiederholen, stürze ich mich in eine Runde Deathmatch und umgekehrt. Beides gibt mir die Chance seltene Ausrüstung zu finden und niemand wird benachteiligt, weil er das andere verschmäht. Gepaart mit den herausragenden Mechaniken des Spieles, kommt bei mir keine Langeweile auf.
Getestet für Xbox One
Es ist wie Borderlands, aber gleichzeitig nicht genug Borderlands. Es ist Halo, aber gleichzeitig nicht genug Halo. Es ist ein MMO, aber gleichzeitig nicht genug MMO. Es ist Einiges, aber gleichzeitig kaum Etwas. Bungie haben hier sehr viel versucht und die Grundlage für etwas Großes gelegt. Mit etwas mehr Leben in der Welt, mit etwas mehr Variationen in den Missionen und mit etwas mehr Liebe zum Detail könnte Destiny tatsächlich eines der beeindruckendsten Spiele unserer Zeit werden, aber dafür muss noch einiges Geschehen. Trotz all der Kritik freue ich mich darauf zu sehen, wie es mit dem Titel weiter geht!
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