Review: Sims 4 – Absurd und abgespeckt

Review: Sims 4 – Absurd und abgespeckt

von am 16.09.2014 - 17:00
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EA hat sich nicht getraut, Journalisten vor dem Release von Sims 4 einen Blick auf das Spiel werfen zu lassen. Mittlerweile dürfte auch allen klar sein warum, denn die Fortsetzung des Simulators bietet zwar einige Neuerungen, allerdings sind die nicht wirklich gut durchdacht und umgesetzt. Außerdem wurden viele beliebte Features gestrichen. Somit enthält das Basis-Spiel tatsächlich nur die absoluten Basics.

Ich war nie ein großer Fan der Sims, aber auch niemand, der sich den Spielen völlig verweigert und habe den zweiten, mit, und dritten Teil, ohne Erweiterungen, gespielt. Ich verliere schnell die Lust am Spielen und helfe meinen Sims hier und da ein bisschen nach, weil ich so ungeduldig bin, kann die Faszination aber durchaus verstehen.

Im Folgenden möchte ich gern einen Blick darauf werfen, welche Vor- und Nachteile die neue Benutzeroberfläche mit sich bringt, wieso die neuen Features ihre Macken haben und welche Unterschiede es für die Gestaltung der Sims und ihrer Umgebung im Vergleich zum dritten Teil gibt. Gerade Letzteres erscheint mir besonders auffällig, da sich dort, meiner Meinung nach, die größte Rückentwicklung versteckt. Bisher habe ich etwa 20 Spielstunden in den Sims 4 hinter mir.

Der erste Sim

Startet man Sims 4, so sieht man die übliche Cutszene, in der jede Menge Sims tolle und lustige Sachen machen, bis man schließlich bei einem Start-Button landet und damit beginnen kann, sich seinen ersten Sim zu basteln. Doch kaum ist man im „Erstelle deinen Sim“-Screen, wird man mit Tutorial-Nachrichten überschwappt. Sicher ist es für Erstspieler hilfreich, ihnen jeden Klick vorab ausführlich zu erklären, für alle anderen und vor allem für ungeduldige Sims-Kenner wie mich ist es sehr nervenzehrend und mühseelig, minutenlang Nachrichten wegzuklicken, deren Inhalt mir sowieso bereits klar ist. Hier fehlt eine Option, um das Tutorial auszuschalten.

Rein funktionell unterscheidet sich die Oberfläche so gut wie gar nicht vom Vorgänger. Die Buttons sehen lediglich anders aus und viele sind jetzt einfach in den Sim integriert. Wo man im dritten Teil noch jede Menge Schieberegler hatte, die man erreichte, indem man auf der Gesichtsgrafik einen bestimmten Punkt auswählte, reicht es jetzt, dem Sim einfach ins Gesicht zu packen und die entsprechenden Stellen hin- und her zu ziehen. Das verkürzt zwar die Klickwege etwas, gleichzeitig aber auch die Möglichkeiten, das vorab ausgewählte Gesicht zu modifizieren. Auch wenn die Steuerung der Oberfläche dadurch einfacher gehalten ist, bedeutet das nicht, dass sie jetzt intuitiver ist. Zwar merkt man nach einigem Ausprobieren schnell, wo was einzustellen geht, jedoch empfand ich das Userinterface im dritten Teil wesentlich klarer und eindeutiger.

Auffällig sind die fehlenden Möglichkeiten, Farben für den Sim zu definieren. So gibt es für Haut, Haare sowie Augen und Makeup des Sim nur noch eine kleine Palette aus normalen Farben mit wenigen Ausnahmen, während dem Spieler vorher noch eine frei einstellbare Mischfarbenpalette zur Verfügung stand. Auch die Auswahl an Frisuren wurde deutlich zusammengestrichen und so bleibt mir nur, das kleinste Übel auszuwählen; denn mir gefällt keine der angeboten Haarstyles besonders gut, weil die Schädeldecke oft unnatürlich hoch aussieht, aber das ist eben Geschmackssache. Insgesamt wirkt das Aussehen der Sims sehr comiclastig und erinnert an das Kindchen-Schema. Selbst die Senioren wirken trotz Falten irgendwie jung und dynamisch.

SimsCharaktererstellungSo schmal wie rechts im Bild sehen alle Farbpaletten aus

Nicht anders sieht es bei der Kleidung aus. Die Auswahlmenüs sind zwar hübsch neu verpackt, enthalten aber zum einen wenige, zum anderen kaum schöne Optionen.

Nun hab ich also Eddi, meinen faulen Rockmusiker mit düsterem Gemüt, und muss ihm aus einer recht überschaubaren Auswahl an Kleidungsstücken etwas passendes heraus suchen. Während ich in Sims 3 noch munter mit Stoffen, Mustern und Farben experimentieren konnte, bleiben mir nun nur noch eine Handvoll vorgefertigter Designs der einzelnen Klamotten. Als besonders mühsam entpuppt sich diese Aufgabe, weil bei jedem Wechsel der Outfitkategorie das MakeUp zurückgesetzt wird und ich es für Abend, Sport, Party uund so weiter immer neu einstellen muss. Weiterhin gibt es für jede Kleidungskategorie einen Filter, der nur einen Bruchteil der ohnehin wenigen Wahlmöglichkeiten enthält und jedes Mal, wenn ich zum Beispiel von Shirts zum Pullover wechsel, wird dieser neu gesetzt. Eigentlich bin ich jetzt schon eingeschnappt, weil mir nichts so wirklich gefallen will, aber Eddi braucht ja noch ein Haus.

Das erste Haus

Betritt man nun das erste Mal eines der beiden Wohnviertel, wirken diese vor allem klein und unscheinbar. Neben den wenigen Wohnhäusern gibt es nur vier Gemeinschaftsgrundstücke und einen Stadtpark pro Viertel. Unternehmensfreudige Sims müssen sich in Willow Creek mit einer Bibliothek, einem Fitness-Studio, einer Bar und einem Museum begnügen.

Wie immer bekommt mein Sim ein Startkapital von 20.000 Simoleons, der spieleigenen Währung, und nun muss ich entscheiden, ob ich davon ein fertiges Haus oder ein leeres Grundstück kaufe, auf dem ich dann selbst baue. Da ich so viel wie möglich ausprobieren will, lass ich Eddi erst einmal warten und errichte ein Häuschen in Willow Creek.

Dazu kaufe ich eins der leeren Grundstücke, auf dem nichts weiter steht als ein Briefkasten. Auch hier werde ich von Tutorial-Nachrichten überschwemmt, die zwar das Grundsätzliche erklären, aber die Feinheiten weg lassen. Also bleibt mir nur, per Trial&Error ein Fundament zu errichten. Zwar ist viel möglich und man kann die Räume in verschiedenen Formen und Positionen errichten, aber insgesamt verhält sich der Baumodus sehr zickig.

Fast alles ist wie immer, nur weniger und anders verpackt. Im Vorgänger wurden noch drei Modi für die Sims unterschieden, nämlich Live-, Bau- und Einrichtungsmodus, während Bau und Möblierung nun zusammen gefügt wurden. Woran ich bauen möchte, wähle ich nun mit einem Klick auf ein Bild von einem Häuschen, wobei nicht immer genau erkennbar ist, was jetzt was sein soll. Ist das jetzt eine Wand oder Wandschmuck? Das Interface gab es übrigens in Sims 3 schon, nur dass die Auswahlgrafik noch in 2D war.

Außerdem fehlen mir meine beiden Lieblingsbauteile aus dem dritten Teil: Keller und Pools. Somit muss Eddi ohne Verließ mit eingebautem Pool klar kommen. Das ist doch kein Leben! Es ist auch nicht mehr möglich, das Gelände zu modifizieren. Alles ist nur eine gerade Fläche. Wendeltreppen fehlen auch und überhaupt vermisse ich viel, was mir in Sims 3 gefallen hat. Durch einen falschen Klick geraten die Gebäude im Bau auch schnell wieder durcheinander und statt ein Geländer zu platzieren, haut das Spiel lieber eine Wand heraus und ersetzt sie durch den Zaun.

Besonders schön sind die Möglichkeiten auch hier nicht, denn bei der Gestaltung der Wände und Böden bleiben auch hier nur ein paar vorgefertigte Designs. Besonders negativ hervorheben möchte ich hier die Möglichkeit der Teppiche, die nur in zwei einfarbigen Versionen vorliegt, bei denen man zwischen wenigen Farben wählen kann.

Wenig Möbel und viel Deko-Kram

Grummelnd gebe ich mich also mit dem kleinsten Übel an Wand- und Bodengestaltung für Eddi zufrieden und versuche das Haus über die Einrichtung zu retten. Wie im Baumenü, sind die einzelnen Elemente in einem Bild gestapelt, das einen Raum thematisch abbildet

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Natürlich fehlen auch hier die erweiterten Designtools, und selbst wenn es noch ein paar Features gibt, so sind die gut versteckt. Ein abgerundetes Thekenende erhalte ich zum Beispiel nur, wenn eine Bar in die Theke verbaut ist. Andere Sachen finde ich nicht einmal in den nach Räumen geordneten Menüs, sondern nur über die Ansicht mit den nach Funktionen geordneten Dingen und dort auch nur unter „Weiteres“.

Eddi will Rockstar werden, also braucht er, neben dem ganzen ohnehin notwendigem Zeug, ein paar Instrumente und eine Bar. Kann er haben. Ein Kamin ist noch ganz nett, mit einer großen Ottemane davor, damit er die ganzen Groupies romantisch flachlegen kann. Das wird super. Zwar muss Eddi selbst abwaschen, aber dafür gibt es unzähligen, unnützen Deko-Kram, den man überall im Haus verteilen kann. Für jeden einzelnen Raum sind alle möglichen Teile erhältlich, die man zwar hinstellen, aber dann rein gar nichts damit machen kann. Vorhänge für die Fenster sind auch Fehlanzeige. Es gibt sie zwar, aber für so manche Fenstermodelle wollen sie so gar nicht passen und besonders schön sind sie auch nicht.

Wem das alles zu viel Arbeit ist, der kann sich sein Haus einfach aus komplett eingerichteten und fertigen Zimmern zusammen klicken.

Mein Sim, seine Gefühle und Nachbarn

Eddi ist da, er hat ein Haus, Möbel und haufenweise nutzlose Deko, also kann es los gehen. Vielleicht kommt jetzt endlich der Spaß, von dem immer alle reden. Wie üblich hat mein Sim Bedürfnisse. Die gleichen wie immer, und die wollen versorgt werden. Daran hat sich rein gar nichts geändert, aber je nach dem, wie er etwas tut und was er tut, ändert sich seine Gefühlslage. So kann er von wütend über kokett bis konzentriert alles sein, und je nach Stimmung passen sich auch die Interaktionen an.

Das ist auch das erste Erfreuliche, was ich im Spiel sehe, denn ist Eddi traurig, dann zieht er auch eine dementsprechende Schnute, oder er stapft wütend durch die Welt, wenn er sauer ist. Außerdem ändern sich die Interaktionsmöglichkeiten mit anderen Sims, je nach Stimmung. Verspielte Sims können mehr Unfug treiben und selbstsicher ihre Muskeln vorführen. Da gibt es eine lange Liste von Varianten. Auch die Wünsche ändern sich mit den Gefühlen. Ist ein Sim kokett, würde er etwa gern jemanden küssen, ist er wütend, mag er ihn lieber anbrüllen. Das ist mitunter ganz witzig und bestimmte Stimmungen helfen meinem Charakter auch im Berufsleben weiter. Andere wiederum lassen ihn schneller seine Fähigkeiten steigern oder etwas erschaffen.

Auch mit den neuen Nachbarn klappt es ganz gut. Etwas zu gut, habe ich den Eindruck. Nur wenn man völlig aus dem Ruder läuft und jemanden anflirtet, den man noch gar nicht kennt, hat das negative Folgen. Ansonsten reagieren alle ausnahmslos positiv auf meine Annäherungsversuche. Selbst wenn mein Musiker den Programmierer und Geek von nebenan mit Musik vollquatscht, ist der hellauf begeistert. Wer also Sims schon vorher gespielt hat, dem ist es ein Leichtes, sich neue Freunde und Geliebte zu machen, denn das Prinzip ist wie immer: Ein bisschen Smalltalk, anflirten, flachlegen. Es ist gerade zu lächerlich einfach, Freunde und Geliebte zu finden.

Die absolute Katastrophe im Spiel ist für mich allerdings das neue Multitasking. Die Idee klingt im Ansatz zwar recht nett – essen und gleichzeitig Fernsehen schauen, FUCK YEAH! – praktisch ist es aber einfach nur schlecht durchdacht und noch schlechter umgesetzt. Wer einen Sim möchte, der nicht wie ein völlig beknackter Dumpfdödel daher kommt, der sollte den freien Willen ausschalten, denn das führt sonst zu sehr absonderlichen Szenen, in denen Eddi seinem neuem Schwarm mit dem Gartensalat in der Hand auf das Klo nach läuft, um ihr ein Kompliment zu machen oder das Frühstück einfach mit zum Zähneputzen nimmt.

Noch viel seltsamer wird es allerdings, wenn seine mittlerweile Verlobte hinter Eddie in der Küche steht und mit seinem besten Freund herum knutscht, während der arme, betrogene Eddi Abendessen macht. Ich dachte erst, es sei vielleicht ein Bug, aber auch als sie in Eddis Bett mit ihrer Liebschaft techtelmechtet, passiert rein gar nichts. Er bekommt es einfach nicht mit, selbst wenn ich ihn höchstpersönlich in das Schlafzimmer stelle.

Und so zieht sich das Verhalten der Sims durch das ganze Spiel. Aus völlig unerfindlichen Gründen steht einer plötzlich auf und setzt sich an das andere Ende des Raums, um das Gespräch von dort aus weiter zu führen. Noch konfuser wird es, wenn man mit einer Gruppe redet, denn dann spielen alle munter „Alle Plätze wechseln sich“ im Sekundentakt. Ein anderes Mal dreht der Gesprächspartner sich einfach weg und geht nach Hause, obwohl das Gespräch gut läuft. Ein Eigenleben der Sims ist zwar gut und schön, aber so, wie es umgesetzt ist, kann es einen in den Wahnsinn treiben.

Dazu kommt außerdem, dass man für einfache Aktionen wie Trinken, Essen und auf dem Klo sitzen Stunden an Ingame-Zeit verbrät. Wenn Eddie also etwas isst und sich dabei mit jemandem unterhält, kann es durchaus passieren, dass er vier Stunden mit Essen zubringt. An anderen Stellen beschließen die Sims, dass mein Kamin mit Ottemane wohl zu romantisch ist und stehen urplötzlich auf, um sich etwas zu trinken zu holen.

Angeln im Schlafanzug

Angeln im Schlafanzug

Best friend burned - better take a selfie

Best friend burned – better take a selfie

Fazit

Im Großen und Ganzen ist Sims 4 vor allem eine Enttäuschung. Wenn man bedenkt, dass man für 70€ bei anderen Titeln bereits eine Collectors Edition erhält, ist das, was EA hier abgeliefert hat, einfach nur eine Frechheit und ich sehe keinerlei Grund, EA für spätere DLCs noch einmal Geld in den Rachen zu stopfen, nur damit das Spiel weniger langweilig wird.

Das Spiel regt mich bereits jetzt an so vielen Stellen auf, dass ich überhaupt keine Lust habe, mich noch weiter damit zu beschäftigen, geschweige denn, ernsthaft eine Karriere für Eddi zu beginnen, denn wenn ich ihm einen Job suche, dann gibt es zwar eine Musiker-Option, aber die entpuppt sich dann doch als Entertainer, der auf der Bühne Witzchen erzählt.

Einige Aspekte, wie das Steigern von Fähigkeiten, Sammelobjekte und Belohnungspunkte, habe ich hier weggelassen, da sie einfach zu unspektakulär sind, um darüber irgendetwas schreiben zu können. Das Erlernen von Skills verhält sich wie immer und wozu ich 20 Frösche fangen soll, ist mir auch unklar. Statt die Entwicklungs-Ressourcen in solche Banalitäten zu stecken, hätte man sie lieber auf ausbalanciertes Multitasking und soziale Interaktionen verwenden sollen.

Ich bin ganz froh, dass ich Sims4 jetzt ins Regal stellen kann, am besten ganz nach Hinten, wo es niemand sieht, und mich wieder spaßigeren Sachen widmen kann, wie realen Gesprächen, in denen niemand einfach aufsteht und ohne ein weiteres Wort nach Hause geht.

Die Sims 4

von am 16.09.2014

Die Wertung mag hart erscheinen, aber über einen mäßigen Ersteindruck kommt das Spiel nicht hinaus und wird schnell langweilig, wenn man alles erst einmal ausprobiert hat. Im Gesamtbild überwiegen die negativen Aspekte gegenüber den positiven massiv. Die Sims verkommen zu purer Geldmacherei.

Über Katta

Vollprofi-Softwaretesterin mit Passion für Games & Bücher

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