Trailer – Vorspielen ist das schlechtere Vorspiel
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Trailer geben uns Einblick in Spiele, zu denen wir selbst keinen Zugriff haben und erfüllen dabei bestimmte Funktionen. Sie lassen uns die Idee der Entwickler erkennen. Sie machen uns heiß auf Veröffentlichungen. Doch so wie sich das Spiel im Laufe er Zeit wandelte, musste sich auch der Trailer verändern. Aber Wo steht der Trailer also heute? Was soll er machen? Wie wird er verwendet? Für was wird er verwendet?

Vielleicht liegt es einfach an meinem Präsentationsgeschmack. Vielleicht sollte ich jedoch auch erst einmal sagen, worum es geht. Es geht um Trailer. Trailer von digitalen Spielen. Gerade zu Zeiten der Industrie-Leitmesse, der E3 in Los Angeles, die gerade in ihrer 2014er-Iteration zu Ende gegangen ist, herrscht an diesen Marketing-Videoclips kein Mangel. Bereits im Vorfeld bemühen sich die diversen Publisher und Kleinstudios ihre Bewegtbilder gezielt und wirkmächtig zu streuen. Schließlich möchte man auf sein Produkt aufmerksam machen – angeblich stehen und fallen Spiele bereits mit dem Trailer. Dieser kann im schlimmsten Fall einen klassischen Kampagnenfehlstart bedeuten, den man dann nicht so einfach wieder ausbügeln kann – there’s no second chance for a first impression sozusagen.

CGI-Render / Gameplay

Ganz grob unterteilt kann zwischen zwei Arten von Trailern unterschieden werden, die sich – ja, ich höre schon die Einwände – natürlich auch in ihrer Form mischen können. Die eine Sorte setzt auf CGI bzw. vorgerenderte Videosequenzen, während Trailertyp Nummer Zwei sogenanntes Gameplay zeigt. Leidenschaftliche Spieler scheinen diese Sorte Trailer übrigens zu bevorzugen. Für sie bedeutet dies nämlich einen Blick auf das finale Spielerlebnis – so und so wird der Titel also aussehen, alles andere ist lediglich Blendwerk, im besten Fall (schmückendes) Beiwerk.

Mich interessiert hingegen eher Variante uno. Sie ist für mich vor allem deshalb so interessant, da sie oftmals ein wenig verrät, wie die Köpfe hinter dem Spiel ihren eigenen Titel verstehen (unabhängig, WAS für ein Spiel dann beim Kunden ankommt). Diese Form des Trailers kann als Fingerzeig gedeutet werden: ein Blick in die Seele des Artefakts – so bin ich eigentlich gedacht, diese Geschichte möchte ich im Grunde erzählen und das ist meine Vision, meine Essenz, meine ontologische Kraft!

Auf der E3, aber auch auf anderen Messen, wird Gameplay allerdings noch in einer weiteren Form aufbereitet. In etwas längeren Sitzungen werden Entwickler auf die Bühne geschoben, gedrängt und gezerrt, die dann zunächst mehr oder minder talentiert von einem Teleprompter einen Marketingtext ablesen müssen, ehe sie endlich an ihr Spiel gelassen werden. Oder vielmehr: DAS wäre der Grundgedanke – der Entwickler spielt sein eigenes Spiel vor, denn er sollte schließlich derjenige sein, der das am besten kann.

Weil eine solche Presse-Konferenz mittlerweile von so einigen Leuten (vulgo: Presse und Kunden) gesehen wird, werden Pannen, Fehler und Inkompetenz selbstredend nicht gerne gesehen. Warum also LIVE vorspielen, wenn doch auch so tun kann als ob. Ja, richtig vernommen – man gaukelt dem Publikum einfach vor, dass der vorgestellte Titel gerade gespielt wird, wobei in Wahrheit nur „das Spielen gespielt wird“. Das ist nicht weniger als das perfekte Meta-Game!

Realitätsferne Multiplayer Demonstration

Damit erzähle ich nichts Neues. Was mir allerdings in den letzten Jahren massiv aufgefallen ist, ist die Veränderung dieser Entwicklung im Zusammenhang mit einem Erstarken der Komponente Multiplayer. Denn plötzlich müssen die geplagten Entwickler nicht nur den great pretender geben, während ein zweiter Werbe-Jesus das „Spielspiel“ für das Publikum kommentiert, sondern nun muss auch noch die „soziale Situation Multiplayer“ nachgestellt werden. Und das ist ein Alptraum.

Letztes Jahr auf der gamescom in Köln besuchte ich eine Veranstaltung, auf der Destiny einem solchen Procedere unterzogen wurde, dieses Jahr erlebte ich es anhand von The Division: Die Entwickler spielen also dem Publikum vor, wie diese sich in den Augen des Studios später mit dem Titel in einer Mehrspieler-Partie verhalten werden, sprich, welche Spielpraxis und welche Gesprächsinhalte diese an den Tag legen werden. Kann sie jemand vorstellen, wie aufgesetzt und albern das wirkt? Nein? Dann habt Ihr entweder noch nie tatsächliche Mehrspieler-Runden hinter Euch oder seid Teil einer tugendhaften Korrektsekte. Denn genau so laufen die Inszenierungen der Partien nämlich ab.

Da laufen Jenny und Marc also zügig und zielgerecht durch die Gänge und hauen sich Plattitüden übelster Schönwetter-Sorte um die Ohren, bis sich irgendwann Roger in das Spiel einklinkt, der noch einen Pete dabei hat. Alle unterhalten sich, als würden sie das Spiel bierernst nehmen. Als hätten Geiselnehmer ihre Liebsten in der Gewalt: „Wenn Ihr nicht wunderschön und unanzügig spielt bzw. sprecht, schneiden wir Euren Kindern die Ohren ab!“ Diesen Text musste ich übrigens schreiben. Sonst schneiden sie MEINEM Ohr die Kinder ab.

Über Rudolf Inderst

Geboren 1978 in München, studierte Poltikwissenschaften in München und Kopenhagen. 2009 schloss er seine Promotion zur "Vergemeinschaftung in MMORPGs" in Amerikanischer Kulturgeschichte ab. Als freier Autor schreibt er für unterschiedliche Portale und Publikationen zu den Themen digitales Spiel und Film. Auch als Herausgeber diverser Game-Studies-Sammelbände ist er immer wieder umtriebig, spielt immer wieder Basketball und praktiziert freudvoll Krav Maga. Liebt Stanislaw Lem, Comics und satte B-Medien. Wird nervös, wenn er seinen Status in sozialen Netzwerken nicht zu jeder 30. Minute ändert. Trägt gerne Bart.

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