26 Games: Die brütalste Platte der Welt

26 Games: Die brütalste Platte der Welt

von am 24.10.2013 - 11:06
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„Hast du auch was von Megadeth?“, fragte Dana Carvey als Garth Algar 1993 im Weltklasse-Epos Wayne’s World 2. Eine Frage, die wir lange auch an jedes Videospiel richten konnten: „Hey, diese Szene ist voll geil, aber weißt du, wie sie besser wäre? Tornado of Souls. Dude.“

Unsere Gebete wurden erhört.

Im Rocktober 2009 trat Brütal Legend auf die Bühne, eine unausgegorene Mixtur aus Hau-drauf, Fahr-wech und Mach-platt. Eigentlich nichts besonderes, wenn da nicht der Metal wäre: Von Beginn an schrieb das Team von Double Fine Brütal Legend als digitales Monument an den Metal: Steinerne Hände, zu Pommesgabeln geformt, die aus dem Boden wachsen; eine Wand aus Verstärkern, mehrere Kilometer lang und viele Stockwerke hoch; urzeitliche Tiere aus Stahl und Leder, die durch das Land streifen. Dann die Besetzung: Neben Jack Black in der Hauptrolle drängen unter anderem Ozzy Osbourne (Black Sabbath), Lita Ford, Rob Halford (Judas Priest) und Lemmy Fucking Kilmister (Kommt schon!) ans Mikrofon.

Von „A“ wie Accept bis „Z“ Wie Zombie, Rob

Und dann ist da die Musik. Zwar konnte Double Fine keine Songs von Urgesteinen wie Metallica oder Iron Maiden einkaufen, aber wer braucht die schon, wenn er zum Ausgleich den ganzen Rest der Metalszene bekommt?

Die Tracklist von Brütal Legend ist ein Querschnitt durch mehrere Jahrzehnte Metal. Bei einer Auswahl von Megadeth, Black Sabbath und Judas Priest über jüngere Vertreter wie etwa Dark Tranquillity und Children of Bodom bis hin zu Industrial/Electro/Dance-Metal der Marke KMFDM oder Prong muss fast jeder Metal-Fan mindestens einen oder zwei Songs finden, in die er sich verlieben kann. Gänsehaut entsteht schon im Hauptmenü des Spiels, wenn die unverzerrten Gitarren von Iced Earth mit „When the Night Falls“ beginnen; oder aber wenn das aufgeblasene Orchester von Dimmu Borgir mit „Progenies of the Great Apocalypse“ durch den Nebel einer Schlacht kreischt. Manchmal möchte man noch weiter fahren, als man eigentlich müsste, nur weil im Autoradio „Dawn of Battle“ von Manowar oder „Technical Difficulties“ von Racer X laufen.

Die Atmosphäre des Spiels ist nahezu perfekt: Wer im Lager von Ironheade („We spell it with an extra ‚e‘ so they know we’re not messing around.“) oder aber bei der Party am Strand aussteigt und die Welt zu Fuß erkundet, der fühlt sich im Kreis von Musik, Met und Metalheads fast wie auf einem Festival im eigenen Wohnzimmer.

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Eddie Riggs: Hinter den Scheinwerfern

Die Geschichte folgt Eddie Riggs, einem Roadie. Bei einem Konzert stürzt die Bühne zusammen, worauf er in einer Parallelwelt landet. Hier hat seine Gitarre magische Fähigkeiten, hier gibt es Berge aus Schädeln, hier versklaven Sadomaso-Dämonen die Menschen; Eddie schließt sich den Unterdrückten an und führt sie in einen Kampf um ihre Freiheit – mit dem kleinen Unterschied, dass er nicht wirklich der Anführer ist. Denn als Roadie ist er der Organisator des Widerstandes: Er transportiert Bier, Verstärker und Bandmitglieder und bringt alles an seinen Platz. Er baut Merchandise-Stände. Er weiß, wo die Bühne stehen muss, damit die Crew eine gute Show abliefern kann. Er sorgt dafür, dass die Dinge funktionieren. Dabei steht er jedoch nicht nur tatenlos am Rand der Schlacht: Mit Axt und Gitarre schlägt und rockt er Schneisen in die Reihen von Ironheades Feinden.

Tatsächlich startet die Geschichte aber schon lange vor Eddies Abenteuern: Vor dem Hauptmenü führt Jack Black den Spieler in einen Plattenladen, in dem er eine obskure Vinyl-Platte findet. Der Name des Spiels prangt auf der schwarzen Hülle, die Innenseiten zeigen handgemalte Landschaften, die der Spieler selbst bald erleben wird. Durch dieses kleine Detail wird Brütal Legend von einem Spiel zu einem Musikalbum: Es erinnert an die Tradition des Metals, mit einer simplen Kombination aus Cover-Artwork und Musik ganze Welten im Kopf des Hörers zu schaffen.

 

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Madness reigns

Dabei ist die Metal-Welt des Spiels keine bloße Kopie von berühmten Albencovern des Genres. Sie ist vielmehr ein Schaukasten für Double Fines kreatives Talent und für eine ganze Reihe von liebevoll parodierten Metal-Klischees. Headbanger zum Beispiel besitzen über gewaltige Halsmuskeln und harte Köpfe, mit denen sie Erz aus den Felsen schlagen können – da erinnert sich der Spieler schnell an die Nackenschmerzen nach einem Vader-Auftritt oder an das böse, böse selbstgefährdende Verhalten, das Außenstehende den Fans immer wieder attestieren.

Die Parodie geht noch tiefer, denn eines weiß Brütal Legend besser als manch ein Fan (und leider auch Musiker): Metal, als Genre, ist lächerlich durchgeknallt, grenzt an Idiotie und folgt in erster Linie der Rule of Cool. Es muss also keinen Sinn ergeben, so lange es awesome ist. So behandelt auch Brütal Legend sein Material, denn es dreht alle Regler in bester Spinal Tap-Manier auf 11: „Natürlich sind schwarze Panther krasse Tiere, aber noch krasser sind sie, wenn sie Laserstrahlen aus ihren Augen abfeuern.“ – „Weißt du, Guillotinen sind harter Scheiß und irgendwie gothic. Lass mal ein Tier einbauen, dessen Beine Guillotinen sind.“ Ein weiteres Beispiel sind die Saiten für Bassgitarren: In der Welt von Brütal Legend stellen nicht Menschen die schweren Stahlseile für Bässe her, sondern eine Spinnenkönigin aus Stahl.

Diese Richtung wählte Double Fine bewusst, wie Tim Schafer, Kopf des Studios, in einem Interview mit Eurogamer 2009 erzählte: „But I thought, if we were to make a fantasy game it would be cool to out-fantasy the fantasy games and go even farther.

 

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Der Sinn des Lebens , gefunden in Dave Mustaine

Der Heavy Metal bekommt sogar seinen eigenen Schöpfungsmythos, vollgestopft mit alten Monstern, Göttern und Geschichten: Metal sei, so die Legende, ein Tribut der Titanen an den Urschrei einer alten Bestie aus Stahl und Feuer. Damit legitimiert das Spiel die Existenz von lauter, energiereicher Musik als einen uralten Bestandteil der Welt und des Menschen: Die Lust auf Metal war schon immer in uns, inspiriert uns, lässt uns zu Gitarren und Drumsticks greifen. Nicht wir haben den Metal erfunden – der Metal hat uns zu dem werden lassen, was wir heute sind. In diesem Sinne: Ja, Garth, wir haben was von Megadeth. Jeder hat etwas von Megadeth, denn jeder trägt Megadeth in sich, und so wird dieser Text schließlich zum dümmsten, was ihr heute lesen werdet.

Brütal Legend findet ihr im Online-Plattenladen Steam für Windows, Mac und Linux sowie im Plattenladen um die Ecke für PS3 und Xbox 360. Meine Anspieltipps: „So Frail“ von Mirrorthrone, weil er nicht allein wegen der Größe der Band (eine Person!) ein extrem beeindruckender Song ist; „Birth of a Hero“ von Tvangeste, weil der Song eigentlich nicht funktionieren dürfte; „Progenies of the Great Apocalypse“ von Dimmu Borgir, um den Wordcount vollzukriegen; „Hall of the Mountain King“ von Savatage, wegen MÄÄÄDDDNNEEESSS REEEEEIIIGGGNNNSSS; und letztendlich „Overnight Sensation“ von FireHouse, wegen Käse.

Über Christoph Volbers

Christoph hat viel zu viele Töpfe am Kochen: Er ist der Kopf hinter dem Science Fiction-Metal-Projekt Xenogramm und schreibt an seinem eigenen Roman. Gleichzeitig studiert er Englisch und Geschichte im schönen Bremen (nicht lachen!). Da er jedoch nicht immer vor dem Bildschirm hocken kann, geht er arbeiten - und zwar in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wenn er sich davon erholen will, dann kocht er, oder er geht laufen, oder er sieht sich Filme und Serien an. Oh, und offenbar schreibt er auch für krautgaming. Wie konnte ich das nur übersehen?

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