Als uns Minority Media auf der letzten gamescom Papo & Yo in einer kurzen Vorstellung zeigten, waren wir von der Qualität des Entwicklerstudios überzeugt. Denn es ist den Kanadiern wichtig eine packende Geschichte zu erzählen und ernste Themen anzusprechen, wobei der Inhalt in eine große Metapher verpackt wird. Drehte sich Papo & Yo noch um die Kindheitserlebnisse des Game-Designers Vander Caballero, der mit einem alkoholkranken Vater aufwuchs, befasst sich das neueste Spiel von Minority Media Silent Enemy mit der Problematik des Mobbings.
Die Anfänge mit Papo & Yo
Action. Bombast. Explosionen. Man könnte meinen die breite Masse an Spielen besteht nur aus diesen Dingen und für die großen AAA-Titel wird dies wahrscheinlich auch stimmen. Viel interessanter sind da Spiele Abseits des Mainstreams und die Werke von Minority Media gehören selbst innerhalb dieses Bereiches zu den absoluten Spitzenreitern.
Dies konnte das Studio schon mir ihrem Erstling Papo & Yo unter Beweis stellen. Es war vielleicht nicht das beste Spiel wenn man es nach den gängigen Kriterien bewertet, denn die Steuerung und das Gameplay waren nicht gerade dem Genre-Standard entsprechend. Dafür versuchte man bei Minority Media das schwierige Thema des Alkoholismus innerhalb eines Videospiels zu verarbeiten, was man in dieser Form bis dato noch nie gesehen hat. Dies geschah aber nicht plump, sondern in Form einer Metapher, welche zwar nicht allzu komplex war, dem Medium Videospiel jedoch gerecht ist.
Mobbing und die passende Metapher
Mit Silent Enemy nimmt sich das kanadische Studio nun dem Thema Mobbing an und verpackt das gesamte Spiel in einer komplexen Metapher, die schon fast fabelhaft anmutet. Zudem versucht Minority Media neue Ansätze der Narration und Präsentation in den Titel einfließen zu lassen, auf die wir schon seit Langem in dieser Form warten. Zuerst aber ein paar allgemeine Fakten zum Spiel.
Silent Enemy ist an sich ein ganz klassisches Adventure, das kostenlos für Tablets und den PC erscheinen soll. Ihr spielt einen Menschen innerhalb einer winterlichen Landschaft die nur so von Schnee bedeckt ist und an Gebiete wie Kanada erinnert. Eure Aufgabe ist es nun den Frühling wieder herbei zu beschwören und Rätsel werden durch das einsammeln von Orbs gelöst, da diese euch erlauben die Kräfte des Frühjahres einzusetzen, mit welchen ihr zum Beispiel Abgründe überbrücken könnt.
Auf eurem Weg seid ihr aber nicht allein, denn so lernt ihr verschiedene Tiere kennen, die euch zur Seite stehen und bei vielen Knobeleien behilflich sind. Aufpassen müsst ihr nur aufgrund der Raben, welche euch in eurem Fortschritt hindern und die ganze Zeit über bedrohen.
Hier steckt dann auch schon die Metapher, mit welcher Silent Enemy arbeitet. Ihr seid der gemobbte Schüler/Teenager, der sich fast immer alleine durch diese karge Welt kämpfen muss. Der Frühling steht für die Zeit nach den Qualen die man durchleben musste, in der dann vieles schöner und besser aussieht. Die euch helfenden Tiere sind die Freunde, die man während dieses stätigen Kampfes kennen lernt. Die Raben stehen in diesem gesamten Kontext natürlich für die Bullies selbst und die Tierchen im Spiel haben bei mehreren Konfrontationen Angst vor diesen, weshalb sie einem manchmal nicht helfen. Wer auch nur selbst eine Zeit lang gemobbt wurde, der kennt genau dieses Problem, dass „Freunde“ einem oft nicht zur Seite stehen, da sie selbst nicht in den Mittelpunkt der Hänseleien gezogen werden wollen oder ihren sozialen Status nicht verlieren wollen.
In dieser Hinsicht konnte Silent Enemy mehr als begeistern, wird dem Thema nun doch endlich ein Mal gebührend Platz gegeben. Hinzu kommt noch, dass die meisten Entwickler bei Minority Media selbst Opfer von Mobbing waren und dem Thema endlich diesen pädagogischen Schwachsinn entziehen. Nein liebe Lehrer, einem Schüler zu empfehlen es einfach aus zu sitzen und sich nichts dabei zu denken funktioniert nicht!
Neue Ansätze und die Sorge um die Finanzen
Interessant an Silent Enemy ist auch der Ansatz, wie das Spiel verläuft und die Geschichte erzählt wird. So gibt es zum Beispiel keine Cutscenes und alle Informationen müssen aus der Umgebung selbst gezogen werden. Sprich das Spiel geht weg von cineastischen Zwischensequenzen hin zu einer Präsentation wie sie auch Half-Life hat, auf die Spiele unserer Meinung nach öfters setzten sollten. Außerdem beträgt die Länge des Spieles ungefähr 2 Stunden, was keines Falls negativ ist, sondern eher erstrebenswert. Erst durch diese Kürzung der Spieldauer kann Silent Enemy auch bei Nicht-Spielern funktionieren und Minority Media erhofft sich dadurch, dass das Spiel öfters durchgespielt wird, als es noch bei Papo & Yo der Fall war, das nur von Wenigen beendet wurde.
Neben all diesen tollen Sachen gibt es aber auch einen einzigen Punkt, der zumindest Sorgen bereitet: Es ist nicht wirklich sicher, ob Silent Enemy finanziell rentabel wird. So erscheint das Spiel kostenlos und wird euch nicht mit lästigen In-App-Käufen auf die Nerven gehen. Wie will Minority Media also mit dem Spiel Gewinn erzielen? Selbst die Möglichkeit des Geldverdienens wurde passend in Silent Enemy implementiert. Die Raben versuchen nämlich euch eurer Geld abzunehmen, wie es auch echte Bullies tun würden. Solltet ihr euch dann entscheiden ihnen das Geld zu geben, gebt ihr in Wirklichkeit auch Minority Media Geld. Man kann Silent Enemy aber auch komplett durchspielen ohne ein Mal gegenüber den Raben nachzugeben und dies rechnen wir dem Studio sehr gut an. Trotz des finanziellen Risikos ist die Vision, das Spiel und die kreative Gestaltung wichtiger als der maximale Gewinn.
Fazit
Alles in Allem begeistert Silent Enemy. Selten gab es solche Spiele, bei denen einfach alles stimmt. Die kreative Vision und die gebührende Bearbeitung des Themas sind die wichtigsten Aspekte für Minority Media und die Gefahr eines finanziellen Flops wird einfach akzeptiert. Zudem setzt das Spiel auf neue Strukturen und Ansätze was die Narration oder Präsentation betrifft, die schon seit Langem in dieser Ausführung fehlte. Hoffentlich wird Silent Enemy einschlagen wie eine Bombe, Minority Media unglaublich reich machen und es ihnen ermöglichen Spiele bis an ihr Lebensende zu fertigen. Leider wird dem nicht so sein, aber ich lege es jedem nahe, sich Silent Enemy anzusehen, sobald es auf dem Markt ist.
Twittern | Pin It |