Lange haben wir auf die Xbox One gewartet, noch viel länger haben wir spekuliert. Doch seit einer Woche sind 2 Dinge sicher: Zum einen, dass die Konsole euer Wohnzimmer übernehmen soll und zum anderen, dass ein gewisser Teil der Community nichts besseres zu tun hat, als sie bereits abzuurteilen und zu hassen. Ich habe mir eine Woche lang Kommentare, Artikel und so manchen Blödsinn durchgelesen und bin zu dem einen richtigen Entschluss gekommen: Reißt euch mal zusammen!
Nach der doch enttäuschenden Pressekonferenz von Sony zum Thema „Let’s talk Playstation (4)“, blickten alle gespannt auf Microsoft und hofften, dass man dieses Mal wenigstens mehr als Grafikengines der nächsten Generation zu sehen bekommt. Lange ließ uns der Remonder Konzern warten und verschob den Termin der offiziellen Enthüllung sogar noch um einen ganzen Monat, weil inoffizielle Leaks im Netz drohten den Schein der tatsächlichen Enthüllung zu trüben. Das zusätzliche Warten war wohl kalkuliert und so blickten die Augen der Gaming-Welt gespannt nach Kalifornien, als es hieß: „Vorhang auf für eine neue Generation von Entertainment“.
Was musste sich Sony bis zu diesem Tag alles gefallen lassen. Spot und Hohn hatte es geregnet, nachdem man eine Konsole angekündigt hatte, ohne überhaupt Konsole oder Hardware zu zeigen. Alles was man gezeigt hatte, war der wunderbare Controller, welcher dazu nicht einmal weiter aufgeschlüsselt wurde. Es gab sogar Teile der Präsentation, die eine Vorankündigung einer Ankündigung für die E3 Messe diesen Juni waren. Andere Entwickler stellen sich einfach auf die Bühne und teilten uns mit, dass man extra eine neue Engine gebastelt habe und gezeigt wurde uns dann entweder nur das gerenderte Gesicht eines alten Mannes oder eine Techdemo aus dem letzten Jahr. Mein Kommentar war und ist: „Sony, geht’s noch?“
All das schien vergessen, als Microsoft mit seiner Präsentation durch war. Die Community schien einen neuen Sündenbock für ihre Unlust und Unzufriedenheit gefunden zu haben. Eine gelunge Präsenation? Ja! Eine unumstrittene Präsentation und indiskutable Fakten? Nein! Aber ein Grund die Beherrschung zu verlieren? Ganz und gar nicht!
Die Konsole
Die neue Generation war noch keine Stunde alt, da trieb es die ersten Kollegen schon die Wände hoch. Microsoft kündigte eine Konsole an, die Xbox One, welche alle Features vereinen sollte, die sich Fans der aktuellen Xbox 360 anscheinend gewünscht haben. Eine Bandbreite an Entertainment, die weit über das hinaus ging, was man unter einer Spielekonsole versteht. Live-TV, Social-Media, Gaming etc. sollen unter dem Dach der Xbox One alle anderen Geräte ablösen. Theoretisch eine schöne Vorstellung.
Die zweite Komponente der Konsole, Kinect 2, soll wie der Computer der Enterprise eure Xbox steuern. Ihr sprecht mit eurer Xbox. Die Kommunikation mit eurer Konsole geht dabei weit über das hinaus, was wir von der Xbox 360 kennen, denn dort war das alles noch recht unfertig und holprig. Die Xbox One soll sogar antworten können, unbekannte Personen erkennen und sie bitten sich zu identifizieren. Sprachkommandos sind vielfältiger und abwechslungsreicher als jemals zuvor. Inwiefern diese Sprachkommandos aus dem Englischen ins Deutsche einfach so übertragbar sind, wird sich zeigen. Eines wird jedenfalls sehr deutlich, ihr sollt mit eurer Xbox alles steuern, was annähernd mit Entertainment zu tun hat. Das Mikrofon lauscht dabei immer.
Die Technik
Hier was feststeht:
- Kinect 2 mit 30FpS, 1080p Auflösung, 2GBit per Sec an Daten, um euch zu verstehen und zu sehen, was und vor allem wie ihr es tut. Kinect 2 soll euch begeistern und eurer Wohnzimmer beherrschen!
- Xbox Live powered by Cloud UND Skype, mehr Power durch 300.000 Xbox One Live Server für größere Spiele, mit mehr Spielern. Intensive Berechnungen können durch die Cloud ausgelagert werden.
- Social Features wie Facebook, Twitter und das Teilen von Spielevideos und -bildern
- neuer Controller, mit 40 Anpassungen, „designed by gamers for gamers“
- 8 GB DDR3 RAM, dem 32 MB ESRAM vorgeschaltet sind
- AMD CPU, 8 Kernen, 1,6 GHz
- Wifi Direct
- ein BluRay Laufwerk, welches die Installation von Spielen zwangsläuftig notwendig macht WIE BEREITS bei der Playstation 3
- 500 GB HDD, nicht austauschbar aber durch beliebig große externe Laufwerke erweiterbar
- USB 3.0
- Revolutionäre Sofware Architektur, die Wartezeiten komplett abschafft.
- Windows 8 auf der Xbox One und 3 Ebenen des Betriebssystems, die parallel laufen und Hyperthreading spielerisch möglich machen
Die bisher veröffentlichen Spezifikationen sehen also den Details der PS4 sehr ähnlich. Das war so auch zu erwarten. Nicht einmal der unterschiedlich schnelle Arbeitsspeicher wird am Ende ein Argument für oder gegen eine Xbox One sein, da sie mit dem vorgeschalteten ESRAM so gut wie keinen Geschwindigkeitsnachteil hat. Wenn überhaupt können am Ende des Konsolenzyklus jeweils nur exklusive Titel die kompletten Kapazitäten ausschöpfen – Titel, die auf allen Plattformen veröffentlicht werden, werden folglich vor allem am Anfang annährend gleiche Performance bieten und grafisch absolut identisch aussehen.
Das zweite Highlight, Kinect 2, sieht wie eine echte Weiterentwicklung vom ersten Bewegungssensor aus. Darüber hinaus scheint Kinect 2, als wäre es genau das, was man sich für das erste Kinect bereits gewünscht hatte: eine kleine Techniksensation. Der Tiefensensor erfasst jetzt 6 Personen gleichzeitig, tastet euch so gründlich ab, dass einzelne Muskelbewegungen, Fingerbewegungen und sogar die Herzfrequenz errechnet werden können. Die Bewegungssteuerung funktioniert nun fast in Echtzeit, beinahe ohne Verzögerung. Helligkeit und kleine Räume bedeuten der neuen Bewegungssteuerung dabei nichts und somit agiert ihr selbst in schwachen Lichtverhältnissen und kleinen Räumen problemlos.
Der Hass
Wo liegt nun also das Problem? Jüngst gipfelte die Abneigung der Community darin, dass Microsoft sich gewungen sah die Kommentarfunktion ihres offiziellen Youtube-Channels abzuschalten. IGN berichtete sogar, dass nach der Ankündigung der Xbox One gute 75% der 76.000 Teilnehmer ihrer Zufriedenheitsumfrage ganz und gar nicht zufrieden waren. Knappe 22% empfanden die neue Xbox sogar als absolutes Desaster.
Als wichtigster und vor allem größter Kritikpunkt gilt selbstverständlich das Always-On-Debakel. So hat man es schon Wochen vor der Ankündigung wundervoll verstanden vermeintliche Angestellte von Microsoft zu Äußerungen zum Always-On zu nötigen und dann als Teufel der Branche darzustellen und letztendlich ihre verantwortungslosen Äußerungen als Kündigungsgrund zu belächeln. Wer von euch will nicht always on sein? Wer von euch ist nicht eventuell sogar schon always on?
Beide Fragen sind absolut hinfällig. Wie kann sich ein Konzern wagen, eine Konsole, die auf multimediale Vernetzung setzt, mit einem Feature auszustatten, das die Wunder und die Magie des Internets bietet? Das ist natürlich eine absolute Frechheit! Als damals die Ankündigung für Xbox Live kam und das sogar noch etwas kosten sollte UND Internet nötig war, damit man es überhaupt nutzen kann, akzeptierte das jeder ohne nur mit der Wimper zu zucken.
Weiteres Hassobjekt ist die Tatsache wie die Xbox One Fetischisten von Gebrauchtspielen behandeln werden soll. Gebrauchtspiele werden in Zukunft definitiv nicht mehr unter Freunden austauschbar sein. Der Kumpel von nebenan kann zwar seinen Account auf eure Xbox One holen und dann spielen. Aber es wird nicht möglich sein, dass eure bereits installierte und verifizierte Disc an diesen Nachbarn abgegeben wird und er dann selber zu Hause auf seiner Konsole spielt. Diese Disc ist dann exklusiv für eure Konsole registriert. Sobald installiert, ist das Spiel auch ohne Disc spielbar. Dreist! Vor allem, weil Microsoft eventuell eine Gebühr verlangt, solltet ihr ein Grauchtspiel erwerben wollen.
Vergessen ist, dass wir als Konsoleros seit Jahren ein Privileg genießen, das es so für die PCler nicht gibt: unbegrenzte Wiederverwertbarkeit von bereits genutzten Spielediscs. Als ehemaliger PC-User erinnere ich mich daran, dass ein Half-Life 2 eine Internetverbindung UND eine eigene Plattform gebraucht hat. Das Geschrei war groß und trotzdem ist Half-Life 2 bis heute von den Verkaufszahlen ungeschlagen. Heutzutage regt sich kein einziger PC-User darüber auf, dass er sein gekauftes Spiel auf Steam oder Origin registrieren muss und es dann auch nur für ihn nutzbar ist. Selbstverständlich ist das für Konsolenspieler so nicht hinnehmbar.
„Die Möglichkeit, gebrauchte Spiele zu verkaufen und anzukaufen ist wichtig für Spieler und für Xbox. Xbox One ist entwickelt worden, um den Handel von Spielern zu unterstützen. Berichte über unsere Richtlinien zum Gebrauchthandel sind lückenhaft und inakkurat. Wir werden weitere Informationen in der nahen Zukunft veröffentlichen.“
-Larry Hyrb zum Thema Gebrauchtsspiele
Ein aktuellerer Aufreger soll der angeblich überraschende Region-Lock der neuen Xbox One sein. Überraschend ist das aber ganz und gar nicht. Sowohl BluRay-Player als auch DVD-Player haben einen Region-Lock. DVDs aus anderen Regionen konnten auf der Xbox 360 nicht abgespielt werden. Bei Spielen war es vom Entwickler abhängig, ob er der Disc eine Sperre verpasst hat oder nicht, meistens war das der Fall. Was hat die Community also erwartet? Eventuell träumte die Gemeinde von einer Konsole, mit der man weltweit alle Medien abspielen kann und somit USK, FSK und PEGI gleichermaßen austrickst. Gesetze gelten nämlich nur für die Entwickler, nicht für den Gamer und somit für die Endbenutzer.
Und zum Schluss des Deutschen größte Sorge: Der Datenschutz. Erst berichtete der Focus, dass der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar die Konsole überhaupt nicht toll findet und nun springen natürlich andere Seiten auf das Pferd auf. Mittlerweile zitiert IGN mit den Worten „a twisted nightmare“ und zeigt wie deutsche Politiker die Konsole gnadenlos aburteilen. Zweifelsohne ist ein Kinect 2, welches permanent lauschen soll, um per Sprachsteuerung die Worte „Xbox an“ zu hören, ein Ärgernis. Das kann man sicher auch anders lösen.
Lieber verzichte ich auf eine Innovation, um back-to-the-roots Oldschool-gaming zu betreiben. Ein nicht von der Hand zu weisender Fakt ist die Tatsache, dass Kinect 2 auch dazu bestimmt sein soll Daten zu sammeln – Bewegungsprofile, Regelmäßigkeit eurer Xbox One Nutzung, Toilettengänge und politische Gesinnung. Auf Amazon nimmt die Angst vor dem Ausspionieren sogar mehr als dumme Züge an. Hier wird die Xbox One als „Überwachungsinstrument der Geheimdienste“ betitelt. Einige befürchten sogar, dass Kinect 2 Videos aufzeichnen und sie geheim an Microsoft schicken wird.
Meine Meinung zur Xbox One
Normalerweise sprechen wir bei krautgaming.com immer im Plural. Bei diesem Artikel weiche ich davon ab. Warum? Weil es hier um meine Meinung geht und weil ich weiß, dass es Jungs in der Redaktion gibt, die einen mindestens ebenso langen Artikel schreiben können, um mir meine Argumente um die Ohren zu hauen.
Ohne Frage ist keiner der beiden Konsolen ohne Makel. Ebenfalls ohne Frage hätte ich gerne mehr gesehen, mehr Spiele, mehr Spezifikationen, einfach mehr von allem. Letztendlich bin aber ganz ehrlich und kann behaupten, dass ich mich sowohl auf die Xbox One als auch auf die Playstation 4 freue, denn sie werden hoffentlich eine stagnierende Spielbranche wiederbeleben und vollkommen neue Impulse in Richtung der Entwickler und der User senden. Ich freue mich über neue Technik und ich kann es kaum erwarten so eine kleine Wunderbox in mein Wohnzimmer zu stellen, inkl. Kinect 2, inkl. potentiellem Always-On und auch inkl. potentiell immer eingeschaltetem Mikrofon.
Soll Kinect 2 doch meine Flüche, Beleidigungen und sonstige Geräusche hören, die mir beim Spielen so rausrutschen. Ich bezweifle, dass ihr eure Notebook-interne Kamera jedes mal abdeckt, wenn es beim Suchen nach Backrezepten mal wieder etwas heisser zur Sache geht. Oder wer von euch hat sein Mobiltelefon und das Haustelefon der Eltern zerschlagen, weil es die Möglichkeit bietet euch permanent abzuhören und zu orten?
Ich kann es auch kaum abwarten den ersten Bericht zu schreiben, zu unterschreiben und ihn auf Facebook zu teilen, unter meinem echten Namen. Meine Xbox One Live Gold-Mitgliedschaft muss natürlich auch erst einmal verlängert werden, dazu benutze ich selbstredend auch meinen wahren Namen, meine Adresse und meine Handynummer. In der Tat wird Skype für mich eine wichtige Rolle auf der Xbox One spielen, also werde ich mich dort ebenfalls mit meinem Skypenamen einloggen. Über meine Facebookverknüpfung hat Microsoft dann Einblick in meine Freundesliste, meinen Beziehungsstatus und sonstige Details, die der Konzern eventuell interessant findet. Warum erzähle ich das?
Weil man nicht über Datenschutz heulen soll, wenn einem der Datenschutz in vielen Bereichen des Lebens gar nichts mehr Wert ist. Wieviele von euch benutzen auf Facebook ihren wahren Namen, besitzen ein Telefon, egal ob analog oder mobil, wer betreibt Online-Banking, bestellt bei Amazon, kauft Musik über Itunes oder Spotify und soweiter. Ich kenne mittlerweile mehr Freunde, die ein Spionagegerät namens iPhone besitzen, als Menschen, die keines benutzen und das obwohl jeder weiß, dass Apple der Datendieb schlechthin ist. Übrigens kann man weder sein Facebook-Profil noch seine iTunes-ID löschen.
Die Doppelmoral der Gaming-Community schlägt seit der Ankündigung der neuen Konsolen vollkommen neue Triebe, unerwartete Triebe, wie ich zugeben muss. Leben wir tatsächlich immer noch in Zeiten, wo wir gründsätzlich alles erst einmal aburteilen und ablehnen müssen? Ich höre seit Tagen das Statement, dass Microsoft den Gamer nicht mehr ernst nimmt, sondern überteuerten Schnickschnack in die Konsole einbaut und diesen dann dem Endnutzer aufzwingt. Wäre das wirklich der Fall, dann hätte Microsoft gar keine neue Konsole auf den Markt gebracht, sondern ein multimediales Entertainmentgerät, das mit allem außer Gaming zu tun hat.
Darüber hinaus hat Microsoft noch gar keine Chance gehabt den Hardcore-Gamer anzusprechen, da Spiele, wie mehrfach betont, erst ausführlich auf der E3 präsentiert werden. Beim Ankündigungsevent sollte es vor allem und ausschließlich um die Konsole gehen. Und wir haben von der Konsole tätsächlich fast die gesamte Leistungsbandbreite zu sehen bekommen. Software bekommen wir also in knappen 2 Wochen zu sehen.
Erneut frage ich also, was die Xbox-Community also erwartet hat? Eine Zauberkonsole, die euch unbeschränkte Macht schenkt und ihr in Zukunft losgelöst von Microsoft eure Spiele spielt? Microsoft ist in erster Linie immer noch ein Konzern und wir sind die Kunden und unser wertvollstes Gut ist unser Geld. Innovationslosigkeit hört man aus einigen Ecken. Dem beherrscht entgegen zu treten ist wahrlich schwer, so ist die Xbox 360 doch bis heute die einzige Konsole auf der ein Partychat losgelöst und unabhängig vom Spiel mit bis zu 8 Leuten möglich ist.
Sony hat das bis heute nicht hinbekommen. Ebenfalls waren die Achievements eine Idee von Microsoft, die Trophäen der Playstation 3 nur eine schwache Nachahmung. Kinect und Playstation Move sind nicht einmal in Ansätzen vergleichbar, weil Kinect technisch ohne Frage überlegen ist. Die Xbox One läuft auf Microsofts eigenem Betriebssystem, Sony hingegen hat so gut wie keine Erfahrung mit funktionierenden Betriebssystemen auf ihrer Heimkonsole.
Technisch sind beide Konsolen am Ende wahrscheinlich annähernd gleich. Entscheiden wird sich das Rennen erst wieder nach Jahren. Eine entscheidende Rolle wird dabei die Community spielen und es ist traurig zu sehen wie sich genau diese Community, die sich einst durch Offenheit definierte und diese Offenheit auch rücksichtslos immer wieder für sich selbst einfordert, zu einem hasserfüllten Mob zusammen zurotten scheint und bereits Frösche regnen lässt, obwohl man noch 500 Kilometer vom Ufer entfernt ist.
Es reicht, verderbt euch nicht den Spaß am Spielen, liebe Spieler.
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