Es mag für viele merkwürdig sein, schon jetzt eine Ode zu einem Spiel zu lesen, das erst seit Kurzem im Handel erhältlich ist. Wer jedoch BioShock: Infinite gespielt, aber vor allem erlebt hat, der versteht vielleicht, warum es manchmal mehr als nur einen Test benötigt, um all seine Gefühle für ein Spiel in Worte fassen zu können. Dementsprechend ist das hier mehr als persönliche Reflexion für eines der besten Spiele aller Zeiten zu sehen.
Ja, ich behaupte hier tatsächlich, dass BioShock: Infinite eines der besten Spiele ist, das ich jemals gespielt habe. Dafür gibt es viele Gründe, doch möchte ich zumindest für all diejenigen, die nicht mit dem Spielinhalt vertraut sind, ein wenig darauf eingehen. Innerhalb des Spiels übernehmt ihr die Kontrolle eines gewissen Booker DeWitts. Der ehemalige Soldat und Pinkerton-Angestellte wird ausgesendet, in einer fliegenden Stadt ein bestimmtes Mädchen ausfindig zu machen und wieder nach Hause zu holen. Doch wer ist eigentlich Booker, warum muss er ein Mädchen retten und wie um alles in der Welt kann so etwas wie eine fliegende Stadt existieren. Nun, gerade Letzteres wird im Grunde nie erklärt. Es gehört zu dem geschaffenen Mysterium. Entsprungen aus den wirren Hirnbahnen von Star-Designer Ken Levine stellt die Stadt Columbia den wohl gelungensten Kontrast zum ebenfalls aus der BioShock-Serie stammenden Ort Rapture.
Im totalen Kontrast steht auch der Spielinhalt. Musste man sich in Rapture noch davor fürchten, hinter jeder Ecke von einem wahnsinnigen Splicer attackiert zu werden, erwartet Held Booker in Columbia gleißendes Sonnenlicht, strahlende Menschen und ein vermeintliches Paradies in den Wolken. Nicht ganz ohne Hintergedanken hat Levine eine amerikanische Vorstellung eines Paradieses versteckt in den Wolken als Handlungsort gewählt. Das gesamte Spiel ist von religiösen Untertönen und der amerikanischen Bevölkerung des frühen 20. Jahrhunderts geprägt. Was zunächst wie die Idylle selbst wirkt, ist in Wahrheit nur eine Fassade für Rassismus, Rassentrennung und die Verherrlichung eines Menschen als neuen Propheten. Schon auf den ersten Metern innerhalb von Columbia kann man sich nicht satt genug an den zahlreichen unterschiedlichen Dingen sehen. Nach wie vor besteht große Ähnlichkeit mit den beiden Vorgängerspielen, doch ist eigentliche Gangart wesentlich zurückgeschraubt worden. Es dauert gut 15 Minuten, ehe das erste Mal Menschen auf brutale Art und Weise von Booker gerichtet werden.
So schön das vermeintliche Paradies eben auch wirken mag: Hinter der Fassade verbergen sich nur Dunkelheit, Wut und Fanatismus. Viel Zeit zum Nachdenken bleibt einem jedoch nicht. Befindet sich Booker erst einmal im Kampf, stürmen von allen Seiten Personen heran.
Besonders bei den Kämpfen musste ich mich zunächst etwas umorientieren. BioShock Infinite wurde für die Xbox 360, PlayStation 3 und den PC veröffentlicht. Dennoch merkt man deutlich der Konsolenversion an, dass es sich eigentlich um einen Shooter für den PC handelt. Daher hatte ich in den ersten Kämpfen einige Probleme damit, dass es kein Auto-Aiming, also eine Zielkorrektur gibt. Als passionierter Halo- oder Call of Duty-Spieler ist man in der Vergangenheit einfach zu sehr verwöhnt worden und hat verlernt, wie sich „echte“ Shooter anfühlen.
Daher wird jeder Kampf zu einem Erlebnis, zu einem wirklichen Shoot-Out um Leben und Tod. Im Kampf stehen Booker zahlreiche verschiedene Waffen zur Verfügung. Weiterhin ist es typisch klassisch, dass der Ex-Pinkerton nur zwei Waffen tragen kann. Ich muss zugeben, da ich auch hier zu sehr verwöhnt bin, hat die falsche Waffenkombination mich mehr als nur ein Leben gekostet.
Ähnlich wie in BioShock 1 ist man bei Verlust des letzten Lebenspunktes jedoch nicht wirklich tot, sondern wird in der Spielwelt einige Sekunden zurückversetzt. Die eigenen Lebenspunkte heilen, aber auch die der angeschossenen Gegner. Es ist ein ständiges Geben und Nehmen in Columbia. Auch das wird wiederum geschichtlich verarbeitet, umgewandelt und als typischer Kampf zwischen den Armen und Reichen dieser Welt wiedergegeben. Im Verlauf des Spiels kommt man an zahlreichen verschiedenen Schauplätzen vorbei, die im Grunde einem New York von heute nicht unähnlich sind. BioShock Infinite geht dabei den klassischen Weg vom Licht in die Dunkelheit. Zu Beginn erlebt Booker den Prunk und Reichtum der Stadt, kämpft sich später jedoch durch brennende Armenviertel bis hin zur völligen Zerstörung in absoluter Dunkelheit.
Die von vorneherein als Eskort-Mission gedachte Aufgabe Bookers verwandelt sich nach dem ersten Auftauchen von Elizabeth in die Reise von einem Selbst. Warum ist das alles hier oben überhaupt, wie es ist, wer ist Comstock, Elizabeth? Man stellt sich sogar selbst die Frage, wer bin ich? Mehr und mehr vermischen sich Realität mit Unglaublichem. Die Stadt versinkt mit Fortschreiten der Geschichte immer mehr in Chaos. Menschen verfallen dem Wahnsinn, haben sich mit technischen Maschinen entstellt nur um Booker aufzuhalten und die Lüge von Ruhm und Reichtum aufrechtzuerhalten.
Tot potest, non volest – Alles kann, nichts muss“. Ist das alles wirklich die Realität? Ist Booker wirklich Booker? Steckt mehr hinter Elizabeth? Das alles sind Fragen, die BioShock Infinite in einem der wohl denkwürdigsten Enden aufdeckt, die ich in meinem Dasein als vermeintlicher Videospieljournalist, überhaupt als Videospieler jemals erleben durfte. Ken Levine schuf bereits mit BioShock 1 ein Spiel, das mich zum Nachdenken anregte. Menschen flüchten von der gegebenen Realität, dem Gesetz und der Regierung, um eine eigene Welt zu schaffen. Rapture wurde geboren, um ähnlich denkenden Menschen ein Zuhause zu bieten. Diesem Schema folgt auch Columbia, nur verbirgt Columbia ein Geheimnis, dass weitaus unrealistischer ist als alles, was die Stadt unter dem Wasser jemals beherbergen könnte.
Ich liebe BioShock Infnitie. Ich kann es einfach nicht anderes beschreiben. Die Welt ist unglaublich atmosphärisch, die Stimmung saugt einen förmlich in das Spiel hinein und man möchte einfach wissen, wie die zahlreichen Handlungsstränge und Charaktere miteinander verbunden sind. Was Booker und Elizabeth gemeinsam haben, wer sich hinter dem Namen Comstock verbirgt und wie so etwas wie Columbia überhaupt möglich ist – das alles sind Fragen, die mich durch hervorragendes Gameplay und einer epischen Kombination aus optischem Augenschmaus und musikalischer Begleitung auf eine Reise geschickt haben, von der ich noch in einem Jahr schwärmen kann. Damit möchte ich mich dem allgemeinen Tenor und den Wertungen renommierter Magazine anschließen und diese Ode an BioShock Infinite mit folgenden Worten beenden.
A venatus pro saecula
Twittern | Pin It |