Knallhart durchgenommen – Halo 4 im Test

Knallhart durchgenommen – Halo 4 im Test

„Finish The Fight“ hieß es noch am 26.September 2007 als Halo 3 veröffentlicht wurde. Die Fangemeinde hatte mit dem Ende der ursprünglichen Trilogie auch mit den Abenteuern des Master Chiefs erst einmal abgeschlossen. Aber hatte sie das wirklich? So richtig? Denn heisst es nicht „Spartans sterben nie! Sie gelten nur als vermisst!“? 5 Jahre nach dem Ende von Halo 3 stehen wir nun wieder am Anfang; am Anfang einer neuen Trilogie. Wir verraten euch, ob sich das Wachrütteln gelohnt hat oder ob John lieber im Cryoschlaf hätte bleiben sollen.

Was hatten 343 Industries und Microsoft nicht alles unternommen, um den Launch von Halo 4 zu einem definitiven Erfolg zu machen. Mitternachtsverkäufte, aufwändige Launchevents auf der ganzen Welt und sogar eine selbst produzierte Miniserie im Webisoden-Format wurden den Fans zur Verfügung gestellt, um in Stimmung zu kommen. Ganz ohne Zweifel war man also nicht, ob Halo 4 die gleiche Begeisterung wecken würde, mit der damals die Community in Halo 3 gestartet war. Zwar gilt das Halo-Franchise schon immer als Zugpferd der Xbox, jedoch kann eine zu lange Pause zwischen Fortsetzungen einer Serie auch negative Resonanzen mit sich bringen: Fans werden älter, finden Ersatz oder sehen es als ein Sakrileg an, dass Halo und Bungie nun getrennte Wege gehen. Für Halo 4 zeichnet sich im Jahr 2012 nicht mehr Bungie verantwortlich, sondern 343 Industries. Zwar stecken hinter 343 Industries viele Ex-Mitarbeiter des Bungie Studios, jedoch gehen Entwicklerwechsel innerhalb einer Serie selten gut aus. Es gab also Grund zur Unruhe. Wir haben uns sehr viel Zeit genommen, um Halo 4 auf Herz und Nieren zu testen – schließlich mussten wir 5 Jahre warten.

Cortana, bitte übernehmen Sie!

Die Story von Halo 4 beginnt 4 Jahre nachdem die Forward Unto Dawn durch den kollabierenden Hyperraumriss in zwei Teile gerissen wurde. Spieler, die sich auf dem Legendär – Schwierigkeitsgrad durch die Kampagne gekämpft haben und das anschließende Legendär – Ende kennen, werden wissen, dass Cortana und John alles andere als tot waren und bereits damals in der allerletzten Sequenz auf den Blutväter-Planeten Requiem zuschwebten. Genau an dieser Stelle setzt Halo 4 nun an.

„Wo sind wir hier eigentlich gelandet?“ – Die Story

Es ist ein Halo für Cortana. Eine 8 Jahre alte KI, die sich naturgemäß nach 7 Jahren beginnt zu zersetzen, bringt eine gewisse Dramatik und Hektik mit sich – immerhin gehören Cortana und Sierra 117 seit Halo 1 zusammen. Aber wie von einem Planeten entkommen, der anscheinend als Falle konzipiert ist? Und was tun, wenn man allein durch die eigene Anwesenheit Dinge in Gang setzt, die katastrophale Konsequenzen für die Erde und die gesamte Menschheit mit sich bringen? Wie zu vermuten war, spielt der Blutsväter-Planet Requiem eine absolute Hauptrolle. Um was für einen Planeten es sich dabei genau handelt, findet man am Besten durch die in der Kampagne versteckten Terminalvideos heraus, die nochmal eine 15-20 minütige Storybrücke zu Halo 4 schlagen.

Generell ist man sehr darum bemüht eine Verbindung zu den vorherigen Teilen der Reihe zu knüpfen. Wohl auch deswegen ist die Allianz immer noch einer der Hauptgegner und nicht vollkommen abgeschrieben. Eliten, Grunts und Schakale bilden den Hauptanteil an Feinden. Die Einbindung Requiems als Schauplatz der Geschichte funktioniert bis auf wenige Abstriche wunderbar. Das größte Problem von Halo 4 ist wohl die Tatsache, dass man nicht genau weiß wohin die Trilogie gehen soll und dass die letztendliche, kurz gezeigte Halo – Installation 03 keine wirkliche Rolle spielt. Die Puzzleteile sind sehr gut versteckt und darüberhinaus auch noch sehr klein. Einziges Manko: Wir hätten uns gewünscht etwas mehr über die Blutsväter, ihre Welt und ihr Schaffen zu erfahren und am Ende mit weniger Fragezeichen aus dem Spiel zu gehen. Man hatte nach dem ersten Durchlauf das Gefühl, als würden 1 bis 2 Kapitel fehlen.

Das Gameplay

Nach mittlerweile 4 unterschiedlichen Durchläufen, darf behauptet werden, dass sich Halo 4 auf jede mögliche Art und Weise spielen lässt. Alleine, in Coop zu zweit, zu dritt oder zu viert. An den Grundprinzipien hat sich auch in Teil 4 der Reihe nichts geändert. Waffen – und Munitionsknappheit herrschen auch weiterhin. So darf man keine unbegrenzte Anzahl von Waffen in einem imaginären Rucksack tragen, sondern beschränkt die Anzahl generell auf 2 Stück, die visuell schön zu sehen außen an der Rüstung angebracht sind. Auf Requiem ist das Leveldesign dezent offen und großräumig angelegt. Jede Art von Fahrzeug, das erreichbar und in Takt ist, kann auch gefahren werden.

Das Leveldesign erlaubt jedem Spieler individuell vorzugehen – von direkter Konfrontation mit dem Feind bis zur völligen Umgehung und Ignoranz ganzer Bodentrupps ist alles möglich. Letzteres ist auch durchaus empfehlenswert, sollte man sich entschliessen das Spiel im höchsten, legendären Schwierigkeitsgrad spielen zu wollen. Die Frustgrenze ist dabei bekanntermaßen recht hoch. Gegner stehen nicht einfach dumm in der Gegend herum, sondern wissen geschickt Scharfschützen auszuweichen, in Deckung zugehen oder teleportieren sich geschickterweise einfach hinter euch und schlagen dann zu.

Schlagen ist hier auch das Stichwort – die Feinde in Halo 4 können durchaus zum Problem werden, wenn man eine gewisse Reizschwelle überschreitet. Normales Weglaufen und Verstecken reicht dann nicht mehr aus, denn der Feind folgt oder stürmt direkt auf einen zu. Solange man nicht in einer Horde zu viert spielt, erfordet das Gamplay in Halo 4 viel Geduld und Taktik, ist aber gleichzeitig immer noch fair. Wer den unterschiedlichen Gegnern bestimmte Verhaltensmuster und Reaktionen zugesteht und dementsprechend vorgeht, der ist klar im Vorteil. Ladebildschirme sind recht selten und wenn sie dann doch einmal auftreten, sind sie sehr kurz – Levelabschnitte werden bereits während des Spielens ab – und wieder aufgebaut.

„Verweile doch, du bist so schön“ – Die Grafik

Nie war ein Halo schöner. Mit Halo 4 erfahren wir wahrscheinlich das letzte Spiel der gegenwärtigen Konsolengeneration, das in so einem Glanz strahlt. Natürlich ist ein Halo 4 kein normales Konsolenspiel. Erscheint es doch Xbox 360 – exklusiv, fühlt man in jedem Level, dass Microsoft noch einmal ganz klar beweisen will, dass die mitlerweile 7 Jahre alte Konsole immer noch Power unter der Haube hat. Cutscenes überzeugen durch die Darstellung der menschlichen Gesichter, Haut und Augen wirken das erste Mal seit langer Zeit authentisch. Der Übergang aus Cutscenes ins Spiel selber ist minimal. Licht – und Linseneffekte verleihen den bereits scharfen Texturen eine beinahe fotorealistische Echtzeit. Kleinstteile, Trümmer und in der Luft sonst noch herumfliegende Gegenstände verleihen dem Spiel zusätzliche Tiefe. Gras und Bäume sind nicht star, sondern bewegen sich, in wiederholenden Mustern zwar, im Wind. Das erste Betrachten der Blutsväterstrukturen auf Requiem kommt einer Landschaftsaufnahme gleich und man möchte einfach nur genau an dieser Stelle stehen bleiben und das Fernglas rausholen.

 

Eine besondere Erwähnung sollte das Leveldesign finden. Nun legen seit Jahren viele Spieleentwickler wert auf Ästhetik und Schönheit und versuchen durch die unterschiedlichsten Künstler ihren Endprodukten auch etwas wirklich künsterlisches zu verleihen – meistens klappt das nur bedingt. In Halo 4 gibt es zahlreiche Momente, in denen man einfach nur stehen bleiben und sich die Umgebung anschauen möchte. Strukturen, Gebilde, ganze Level sind angelegt um zu beeindrucken. Nie hat man das Gefühl, dass Korridore, Passagen oder Fahrstühle schnell eingefügt wurden. In Halo 4 hat jeder Levelabschnitt einen spielerischen und ästhetischen Sinn. Einige Fans werden kurz vor dem Finale des Spiels den Wunsch verspüren einen Screenshot anzufertigen und ihn groß über die gesamte Zimmerwand zu kleben. Spricht man bei Videospielen viel zu oft  von Kunst und Schönheit, so entspricht es bei Halo 4 seit langer Zeit mal wieder der Wahrheit. Es wird eine ganze Weile dauern, bis wir wieder ein Spiel präsentiert bekommen, dass visuell so zu überzeugen weiß.

Neben der Grafik ist der Soundtrack ein absolutes Highlight. Zwar fehlt das typische Halo-Piano-Thema aber die orchestrale und chorale Begleitung verleiht dem Spiel eine unglaublich edle Note.

Der Infinity – Multiplayer

Auch im vierten Teil der Reihe zeigt Halo im Multiplayer wieder seine Stärken. So hat man vieles beibehalten, was aus vorherigen Halo – Titeln bereits bekannt ist: Das klassische Red vs. Blue ist zurück und das in den verschiedensten Formen: 4 gegen 4, 8 gegen 8, im 6er – Team jeder gegeneinander, Capture the Flag, Swat, Swat – Team mit Snipern, Oddball und und und. Insgesamt 10 verschiedene Spieltypen auf 10 unterschiedlichen Maps, die sich alle merklich durch Größe, Struktur, Design und Übersicht unterscheiden.

Die Schmiede und Kino bilden ebenso einen festen Bestandteil. Ihr könnt eure gespielten Spiele noch einmal ansehen, zusammenschneiden, benennen und hochladen. Screenshots können angefertigt und den Freunden empfohlen werden und über das eigene Halo 4 Datei – Sharing kann man seine Glanzleistungen mit Freunden teilen. In der Schmiede habt ihr die Möglichkeit eigene Spielmodi zu entwerfen und noch einmal 3 eigene Karten nach euren Vorstellungen zu verändern, anzupassen und abzuspeichern. Diese Karten und Spielmodi können dann für private Spiele mit Freunden genutzt werden. Besonders der Kinomodus kann eine sehr lustige Angelegenheit sein, kann man sich gerade dort noch einmal anschauen wie erfolgreich oder wie stümperhaft man sich im Multiplayer angestellt hat. Ingesamt laufen die traditionellen Kriegsspiele sehr flüssig und das Matchmaking läuft nach anfänglichen Aussetzern ebenfalls zum größten Teil problemlos.

Eine Neuerung in Halo 4 ist der Spartan Ops – Modus. Kleinere Missionen bzw. Aufträge, die man alleine oder in der Gruppe spielen kann und die zeitlich ein halbes Jahr nach den Ereignissen von Halo 4 spielen. Zum Launch von Halo 4 waren 5 Spartan Ops verfügbar. Jede Woche bekommt man weitere 5 spendiert bis die erste Staffel komplett ist. Eine Staffel Spartan Ops wird letztendlich 50 Missionen beinhalten und somit noch einmal eine Spielzeit von 5-10 Stunden bieten. Bereits erhältlich sind 2 Spartan Ops – Episoden, die sich jedoch von den Levels nur insofern unterscheiden, dass man sie einmal vorwärts und einmal rückwärts spielt – da wünschen wir uns für zukünftige Einsätze mehr Abwechslung.

Für das Spielen des Multiplayers und der Spartan Ops wird man mit den unterschiedlichsten Auszeichnungen belohnt. Ein klassisches Rangsystem, inklusive Prestigerängen, wurde eingeführt. Herausforderungen im täglichen, wöchentlichen und monatlichen Zyklus belohnen mit entsprechend hohen EP-Zahlen, die wiederum Spezifikationen für den eigenen Charakter freischalten. Kein Spartan spielt sich also gleich. Unzählige Belobigungen sorgen darüberhinaus dafür, dass man stets einen Grund hat, doch noch einmal in ein Spiel einzusteigen, obwohl man bereits seit 2 Stunden ins Bett gehen wollte. Absolute Suchtgefahr.

Fazit und Wertung

Es wird lange dauern bis wir wieder ein so stimmiges und rundes Gesamtpaket präsentiert bekommen, wie es Halo 4 verkörpert – sowohl in der Singleplayer – Kampagne, als auch im Multiplayer. Halo 4 ist ein Ausnahme-Shooter mit viel Herz, Masse und Hintergrund. Soviel Hintergrund, dass es für Neulinge eventuell schwer sein wird einfach so einzusteigen.

Halo 4

von am 17.11.2012

Fazit: Halo 4 schafft es trotz der langen Pause zum Vorgänger, fast nahtlos an die Serie anzuknüpfen. Als Gesamtkunstwerk kann man nur hoffen, dass es 343 Industries schafft mit Teil 5 und 6 über die eigene Messlatte zu springen.

 

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