Thronebreaker: Zwischen Karten-Taktik und RPG

Thronebreaker: Zwischen Karten-Taktik und RPG

von am 31.12.2018 - 19:55
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Lange mussten Fans auf die Story-Kampagne zum Witcher-Kartenspiel warten. Während die Online-Multiplayer-Variante von Gwent bereits seit längerer Zeit als Free-to-play Titel erhältlich ist, wurde Thronebreaker immer wieder verschoben. Grund für die Verzögerungen waren unter anderem die umfassenden Änderungen, die CD Projekt RED am Kartensystem vornahmen. Nun ist der Titel endlich erhältlich und das sogar als komplett eigenständiges Spiel…

Zurück aufs Schlachtfeld

Ich gebe zu, meine letzte Runde Gwent: The Witcher Card Game liegt schon einige Monate zurück. Nachdem mir das taktische Kartenspiel bereits in The Witcher 3 viel Freude gemacht hatte, war ich allerdings ein wenig enttäuscht von der Richtung, in die sich das Spiel entwickelt hatte. Das Gefühl die eigenen Karten sozusagen als Truppen über das Schlachtfeld zu führen, war bei weitem nicht so ausgeprägt, wie in der ursprünglichen Version. Zudem präsentierten sich die Kartenduelle weniger Variantenreich, als ich es mir ursprünglich erhofft hatte. Doch da kündigten die Macher plötzlich an, das komplette Kartensystem umkrempeln zu wollen. „Zurück zum ursprünglichen Spielgefühl“ sollte die Reise gehen, wobei man auch darauf achten wollte, das typische Schlachtfeld-Flair zurückzubringen. Nun, ein halbes Jahr später, ist Thronebreaker da und mit dem Titel kommen wir auch in den Genuss des überarbeiteten Kartensystems.

Nach dieser etwas längeren Einführung, möchte ich noch anmerken, dass ich mich in diesem Review ausschließlich auf Thronebreaker: The Witcher Tales konzentriere. Das heißt meine Aussagen zur Funktion einzelner Karten, bzw. zum Balancing insgesamt, beziehen sich auf die Einzelspielervariante. Wie sich das überarbeitete System im Multiplayer schlägt, wird sich wohl erst im Laufe der Zeit herauskristallisieren.

Für Rivien und Lyrien!!!

In Thronebreaker: The Witcher Tales übernehmen wir die Rolle von Meve, der schönen und weisen Königin von Rivien und Lyrien. Die Herrscherin steht vor ihrer bisher größten Herausforderung, als die nördlichen Königreiche in den zweiten Nilfgaardischen Krieg verwickelt werden. Nun ist es an uns, eine Armee aufzustellen und die Invasoren zurückzuschlagen. Wobei wir auch einige bekannte Gesichter aus dem Witcher-Universum treffen.

Betrachtet man die Liebe zum Detail, mit der CD Projekt RED die Geschichte von Meve erzählen, so kann man schnell vergessen, dass es sich hier „nur“ um ein Kartenspiel handelt. Die wie gezeichnet wirkenden Charaktere und Hintergründe wurden detailverliebt umgesetzt und fügen sich stilistisch perfekt in den bereits etablierten Witcher-Kosmos ein. Dabei helfen auch der für die Witcher-Reihe typische und genial epische Soundtrack, sowie die tollen Synchronsprecher. Zwar sind die Charaktere in den „Zwischensequenzen“ nur minimalistisch animiert und viele Elemente der Story werden allein durch gesprochene Texte erläutert, doch die durchweg hohe Qualität der Sprecher gleicht das locker wieder aus und bringt zudem noch dezentes Hörbuch-Flair. So ist es vor allem der starken Soundkulisse zu verdanken, dass man sich hier als Witcher-Fan sofort wieder heimisch fühlt.

Einziges Manko, der ansonsten starken Präsentation, ist das häufige „einfrieren“ des Bildes. Wandert ihr durch die Spielwelt, kommt es hin und wieder vor, dass das Bild für etwa eine halbe Sekunde komplett einfriert. Noch schlimmer ist es im Basislager, in dem ihr eure Decks zusammensetzt. Hier kommt es häufig zu noch längeren Aussetzern, die dem Spielfluss enorm schaden. Zwar habe ich den Titel „nur“ auf der klassischen Xbox One getestet, trotzdem hätte eine solche technische Macke vermieden werden können.

Krieg der Karten

Für alle die sich bisher noch nicht mit dem Kartenspiel auseinandergesetzt haben, hier ein kleiner Crash-Kurs. Zwei feindliche Parteien stehen sich gegenüber und positionieren Einheiten in Form von Karten auf ihrer „Schlachtfeld-Seite“. Jede Einheit verfügt dabei über einen bestimmten Zahlenwert, der beim Ausspielen der Gesamtstärke des Spielers hinzuaddiert wird. Hinzu kommen bestimmte Fähigkeiten, die es einigen Karten erlauben, feindlichen Einheiten Schaden zuzufügen, die eigene Gesamtstärke nochmals zu boosten oder andere verschiedenartige Effekte nach sich ziehen. Besonders befriedigend sind dabei die Momente, in denen ihr die Effekte mehrerer Karten miteinander verbindet und so Kettenreaktionen auslöst, die euch einen klaren Vorteil verschaffen.

Das wird knapp!

 

Die Besonderheit hier, im Vergleich zu den meisten anderen Spielen dieser Art, ist aber die Anzahl der Runden. Wo Spiele wie Magic: The Gathering kontinuierlich weitergehen, bis einer der Kontrahenten geschlagen ist, müssen in Gwent drei (bzw. zwei siegreiche) Runden überstanden werden. Da ihr nur begrenzt Karten nachziehen könnt, müsst ihr euch also gut überlegen wann ihr welche Karten einsetzt. Habt ihr euch beispielsweise in der ersten Runde in eine aussichtslose Situation manövriert, kann es durchaus ratsam sein den taktischen Rückzug anzutreten um in der nächsten Runde neu durchzustarten.

Was mir bei Thronebreaker, gegenüber der früheren Gwent-Version besonders gut gefällt: Viele der Karten haben nun mehrere Effekte, wodurch sie sich vielfältiger einsetzen lassen und ihr so besser auf verschiedene Situationen reagieren könnt. Zudem kommt auch den Anführern mehr Bedeutung hinzu. Diese verfügen nämlich ebenfalls über spezielle Fähigkeiten, die ihr nun sogar mehrmals pro Runde einsetzen könnt. Waren diese Fähigkeiten bisher nur eine Art einmaliger Bonus, so sind sie im überarbeiteten System nun vielmehr ein wichtiger Teil der eigenen Taktik. Die Möglichkeiten diese Taktik zu variieren steigern sich noch zusätzlich, sobald ihr zwischen mehreren Fähigkeiten eures Anführers wählen dürft.

Im Basislager könnt ihr euer Deck bearbeiten, Karten erstellen oder mit euren Kameraden plaudern

 

Besonders hilfreich (vor allem für Anfänger) ist dabei die Möglichkeit, dass ihr jederzeit die Werte und Fähigkeiten (eurer und feindlicher) Karten nachlesen könnt. Spielt euer Gegner also eine Einheit aus, die ihr zuvor noch nicht gesehen habt, markiert ihr diese einfach direkt auf dem Schlachtfeld und könnt alle wichtigen Details überblicken. Natürlich kann es trotzdem hin und wieder passieren, dass man einen Effekt nicht auf Anhieb genau versteht, doch das sind wirklich nur Ausnahmen. Tatsächlich bietet auch die Kampangne selbst eine angenehme Lernkurve, die euch langsam an das System heranführt und durch geschickte Aufgabenstellungen immer weitere Einsatzmöglichkeiten für eure Karten offenbart.

Ein Taktik-RPG?

Das Questdesign in Thronebreaker hat mich tatsächlich positiv überrascht, denn Meve bekämpft nicht nur die Nilfgaardischen Truppen. Sie muss auch anderweitig den Frieden in ihrem Reich waren. Da wären zum Beispiel die wütenden Bauern, die ihren Zorn an einer Gruppe Anderlinge auslassen wollen. Halten wir nun den wütenden Mob auf und hängen die Aufständler oder lassen wir dem Volk seinen Willen? Immer wieder treffen wir auf moralische Entscheidungen wie Diese, die Einfluss auf unser Abenteuer nehmen.

Gold oder Moral?

 

Dabei müssen wir auch auf unsere Ressourcen achten. Wir benötigen Holz, Gold und natürlich Kampfeinheiten, um für die Auseinandersetzungen gerüstet zu sein. Diese Ressourcen finden wir nach Kämpfen, entdecken sie auf der Map verteilt oder erhalten sie als Belohnung für eine Quest. In erster Linie benötigen wir die Ressourcen zwar um neue Karten /Einheiten zu generieren oder unsere Basislager zu erweitern, doch die Materialien werden auch für diverse Quests benötigt. Lassen wir beispielsweise Wachen zum Schutz eines Dorfes zurück oder investieren Gold in den Wiederaufbau eines Tempels, verbessert sich zwar unsere Reputation beim Volk, doch bezahlen müssen wir diese Einsätze aus der eigenen Tasche. Dieses Ressourcenmanagement fügt sich perfekt in den spielerischen Ablauf mit ein und die durchaus harten Entscheidungen tun ihr übriges, so dass man sich tatsächlich fühlt wie ein Truppenführer im Kampfeinsatz.

Daneben treffen wir auch, in typischer Witcher-Manier, immer wieder auf diverse Monster und Kreaturen, die den Menschen das Leben schwer machen. Und, wie bereits erwähnt, konnten mich CD Projekt RED hier bei den Aufgabenstellungen wirklich verblüffen. Denn neben den Standard-Auseinandersetzungen über drei Runden, haben die Entwickler auch Kämpfe in Form von Rätseln integriert. Hier starten wir mit einer vorgegebenen Kartenhand und haben nur eine Runde Zeit um ein bestimmtes Ziel zu erfüllen. Dieses Ziel kann der Schutz einer Einheit sein, oder wir müssen gar eine mächtige Kreatur besiegen. Dabei sind diese Rätsel wirklich angenehm knifflig und durch die vorgegebene Kartenhand, muss man hier häufig um mehrere Ecken denken um zum Ziel zu kommen.

Das wird knifflig

 

Durch diese kleinen Tricks und Feinheiten, gestalten sich die Kartenduelle wirklich abwechslungsreich und motivierend. Die Kämpfe sind fair und scheitert man doch einmal, so liegt das wahrscheinlich an einem falsch zusammengestellten Deck oder einfachem Pech beim Ziehen der Karten.

Pluspunkte gibt es zudem für den enormen Umfang. Euch erwarten fünf große Karten, auf denen es allerhand zu Entdecken gibt. So werdet ihr locker 30 (oder mehr) Stunden beschäftigt sein, bevor euch der Abspann entgegen flimmert.

Fazit

Thronebreaker: The Witcher Tales

von am 31.12.2018

Thronebreaker: The Witcher Tales ist mehr als „nur“ ein Sammelkartenspiel. Hier steckt ein kleines Taktik-RPG unter der Haube, in dem ihr durch Ressourcenmanagement und taktische Entscheidungen eure Rolle als Truppführer wahrnehmen müsst. Die Kämpfe und Rätsel sind dabei taktisch, fordernd und abwechslungsreich. Zudem ist vor allem die akustische Präsentation über jeden Zweifel erhaben. Einzig das doch recht häufige „Einfrieren“ des Bildes trübt den ansonsten „sehr guten“ Eindruck. Dennoch ist der Titel nicht nur für Gwent-Fans eine Empfehlung wert.

Grafik: 80
Sound: 92
Gameplay: 86
Spieldesign/ Spielwelt: 90
Spielspaß/ Atmosphäre: 85

So wertet Krautgaming:
0-25 ungenügend (6), 26-45 mangelhaft (5), 46-65 ausreichend (4), 66-75 befriedigend (3), 76-85 gut (2), 86-95 sehr gut (1), 96-100 ausgezeichnet (1+)

 

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