Valkyria Chronicles 4 – Gib Kette!!!

Valkyria Chronicles 4 – Gib Kette!!!

von am 09.10.2018 - 04:11
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SEGAs Valkyria Chronicles bietet einen wirklich ungewöhnlichen Genre-Mix. Wie schon die direkten Vorgänger, verbindet auch der vierte Teil wieder Elemente des Third-Person-Shooters mit Rundenstrategie, sowie einer gehörigen Portion Story. Ob diese ungewöhnliche Mischung aufgeht, klären wir für euch im Test...

Willkommen im Dreck

Dreh- und Angelpunkt der Handlung von Valkyria Chronicles 4 ist der zweite große europäische Krieg. In diesem alternativen Weltkriegs-Szenario setzen sich die Truppen der Atlantischen Föderation gegen die Angriffe des beinahe übermächtigen Imperiums zur Wehr. Tatsächlich erreicht der Konflikt einen neuen Höhepunkt, als die imperiale Armee in die gallianische Stadt Hafen einmarschiert.

Um dieser Offensive entgegenzutreten, entschließen sich die Truppen der Föderation zu einem Gegenangriff. Wir übernehmen nun, in der Rolle von Cloud Wallace, das Kommando über Truppe E – einer Eliteeinheit, deren Ziel es ist, als Teil der Großoffensive den feindlichen Verteidigungsring zu durchdringen und einen Gegenschlag durchzuführen. Zugegeben, der Plan das besetzte Heimatland zu befreien, indem man sämtliche noch verfügbaren Truppen in Feindesland schickt, mag etwas unausgegoren wirken. Doch tatsächlich hat Valkyria Chronicles 4 recht wenig mit realistischer Kriegsführung gemein, sondern inszeniert den fiktiven Konflikt eher als abenteuerlichen Kampf von Gut gegen Böse. Zwar werden hier und da auch ernsthaftere Töne angeschlagen, doch letzten Endes präsentiert sich das Abenteuer als optimistische und leichtherzige Manga-Variante des Krieges. Doch dies sollte hinsichtlich des farbenfrohen, Anime-inspirierten Artstiles eigentlich offensichtlich sein. Bevor wir allerdings einen ausgiebigeren Blick auf die Besonderheiten der Story werfen, widmen wir uns erst dem Kernstück des Titels – dem taktischen Kampfsystem.

Zu den Waffen

Da sich der Kampf gegen die Imperiale Armee leider nicht von selbst gewinnt, ist es an uns, in einer Reihe von Konflikten den Feind zurückzuschlagen. Zu diesem Zweck besteht die Truppe E aus verschiedenen Einheiten-Typen, die nach dem klassischen Schere-Stein-Papier Prinzip mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen ausgestattet sind. So haben wir die Wahl zwischen den gut gepanzerten Stoßtrupplern, mit Raketenwerfern ausgerüsteten Lanciern, Pionieren (die Panzer reparieren und Minen entschärfen), Scharfschützen, Grenadieren mit Mörsern, Aufklärern sowie natürlich Panzern und Truppentransportern. Dabei verfügt jeder Einheiten-Typ nicht nur über unterschiedliche Bewaffnung und somit Reichweite, sondern auch die Anzahl an Trefferpunkten und Ausdauer unterscheiden sich.

Vor jeder Mission erhaltet ihr ein kurzes Briefing

Nachdem wir uns auf der taktischen Karte einen Überblick verschafft haben, wählen wir die passende Einheit aus und bewegen sie in der Third-Person-Ansicht über das Schlachtfeld. Hierbei gilt es natürlich die Sichtlinien der Feinde, sowie die eigene Ausdauer zu beachten. Geht diese nämlich zur Neige, bleibt der aktuell gewählte Soldat an Ort und Stelle stehen und gibt dabei gegebenenfalls für Feinde ein leichtes Ziel ab. Gelingt es euch jedoch den eigenen Soldaten taktisch geschickt zu positionieren (manche Gegner verfügen über spezielle Schwachpunkte), könnt ihr mit etwas Glück verheerenden Schaden anrichten.

Hohes Gras schützt vor feindlichen Blicken und ermöglicht so Angriffe aus dem Hinterhalt

Dieses taktische Stellungsspiel erinnerte mich stellenweise wirklich positiv an die aktuellen Ableger der X-COM-Reihe. Hier wie dort ist es essentiell die verschiedenen Einheiten klug zu positionieren und dabei auch die Eigenheiten des Geländes zu beachten. So gewähren euch auch in Valkyria Chronicles 4 Sandsack-Barrieren und ähnliche Deckungen einen Verteidigungsbonus, während sich erhöhte Positionen speziell für Scharfschützen und Mörser-Angriffe eignen.

Die Blau leuchtenden Ragnit-Generatoren sind die Schwachstellen der Panzer

Die einzige Limitierung, die euch dabei auferlegt wird, sind die Kommando-Punkte. Von diesen erhaltet ihr zu Beginn eurer Runde eine bestimmte Anzahl. Jedes Mal wenn ihr nun eine Einheit auf dem Schlachtfeld auswählt, wird die Anzahl an verfügbaren Kommando-Punkten (KP) um eins reduziert. Habt ihr alle KP verbraucht, ist euer Zug beendet und die KI ist an der Reihe.

Apropos KI. Im Großen und Ganzen leistet diese gute Arbeit, umgeht starke Verteidigungslinien und fällt euch auch gerne einmal in die Flanke. Andererseits macht sie auch hin und wieder Fehler, nutzt taktische Vorteile nicht konsequent oder schickt Einheiten direkt in unser Abwehrfeuer, und damit in den Tod. Somit sind die Gefechte in Valkyria Chronicles 4 zwar spannend, doch im direkten Vergleich mit den nervenaufreibenden Kämpfen eines X-COM, ziehen sie den Kürzeren. Erschwerend kommen einige technische Ungereimtheiten hinzu. So konnte ich in einigen Momenten einen Feind (obwohl in Reichweite) nicht korrekt anvisieren, denn das Spiel zeigt euch an, ob ihr einen Gegner treffen könnt oder nicht. Auch der zugefügte Schaden, wurde in manchen Fällen nicht korrekt berechnet. Zum Glück kamen derartige Fehler aber nur selten vor, wodurch sie sich kaum auf die ansonsten gelungenen Gefechte auswirkten.

Die Mission ist Alles!

Ein weiterer Pluspunkt für Valkyria Chronicles 4 ist das spannende Missionsdesign. Zwar geht es prinzipiell zumeist darum, die Feinde auszuschalten und gegnerische Lager einzunehmen, doch diese grundsätzliche Struktur wird durch zusätzliche Herausforderungen und Überraschungen immer wieder angenehm variiert. So müssen wir auch mal vor einer feindlichen Übermacht fliehen bis Verstärkung eintrifft, oder im Nebel versteckte Panzer für einen Artillerie-Schlag markieren. Diese zusätzlichen Aufgabenstellungen offenbaren sich meistens erst während der Mission, wodurch wir unsere Taktik schnell an die neue Situation anpassen müssen.

Auf der taktischen Karte könnt ihr zwischen den verschiedenen Einheiten wählen

Somit bietet jedes neue Gefecht eine frische Herausforderung und das Spiel zwingt uns die Fähigkeiten unserer Einheiten gezielt einzusetzen. Eine besondere Rolle fällt dabei den Pionier-Einheiten zu. Denn diese besitzen nicht nur die Fähigkeit Panzer zu reparieren und Sandsack-Barrieren zu errichten, sie können auch auf dem Schlachtfeld verteilte Minen entschärfen. Die Minen sind zwar gut sichtbar, doch wenn man in der Hitze des Gefechts versehentlich mit einem vollbesetzten Truppentransporter über eine fährt, ist der Ärger vorprogrammiert. Besonders da sich Fahrzeuge stellenweise nur sehr hakelig über das Schlachtfeld steuern lassen.

Weg mit den nervigen Minen!

Neben den Hauptmissionen, die die Geschichte weiter vorantreiben, gibt es aber noch weitere Missions-Typen. So kehren wir in den „Scharmützeln“ in bereits besuchte Gebiete zurück, um uns hier erneut dem Feind zu stellen. Erzählerisch bieten diese Missionen allerdings keinen Mehrwert und durch das Recycling bekannter Gebiete hält sich hier auch die spielerische Motivation in Grenzen.

Das Buch stellt das Hauptmenü des Spiels dar. Von Hier aus wählt ihr Missionen aus oder begebt euch ins Hauptquartier

Der letzte Missionstyp ist da schon interessanter. In den „Truppengeschichten“ gilt es immer wieder, mit speziellen Einheiten, Missionen zu erfüllen. Dabei ist die Aufgabe immer mit einem der Charaktere eurer Truppe verknüpft. Durch die „Truppengeschichten“ entwickeln sich diese Charaktere schließlich weiter, überwinden ihre Schwächen und erhalten neue, positive Eigenschaften hinzu. So muss in einer solchen Truppengeschichte beispielsweise ein sturer Stoßtruppler erst lernen im Team zu arbeiten, bevor er einen Bonus auf seinen Waffenschaden erhält. Hier zeichnet sich also eine weitere Gemeinsamkeit zu den bereits genannten X-COM Titeln ab. Denn in Valkyria Chronicles 4 sind die eigenen Einheiten mehr als nur gesichtsloses Kanonenfutter. Jedes Mitglied der Truppe E ist ein eigenständiger Charakter, inklusive eigener Hintergrundgeschichte, sowie einzigartigen Stärken und Schwächen. Und wie in X-COM bleiben getötete Einheiten auch tot. Darum achtet darauf, die eigene Truppe nicht zu verheizen!

Potenziell Gefährlich

Tatsächlich sind neben dem grundlegenden militärischen Konflikt, vor allem die Geschichten der Charaktere die Triebfeder des Spiels. Angefangen bei Hauptcharakter Cloud, der mit seinem Ruf als Feigling zu kämpfen hat, über seinen besten Freund Raz, der oft ohne nachzudenken in gefährliche Situationen rennt, bis hin zu Riley, die Cloud die Schuld am Tod ihrer Eltern gibt. Somit bieten allein die Hauptcharaktere genug Zündstoff für einen spannenden Plot. Doch wie bereits erwähnt sind auch alle anderen Mitglieder der Einheit vollständig ausgearbeitete Charaktere. Ihre Stärken und Schwächen kommen dabei anhand der „Potenziale“ zum Vorschein.

Die „Potenziale“ beschreiben dabei spezielle Umstände, unter denen die Stärken und Schwächen des Charakters zum Tragen kommen. Das „Potenzial“ „Unbeholfen bei Frauen“ beispielsweise sagt aus, dass euer Soldat in Anwesenheit von Frauen nervös wird und dadurch seine Zielgenauigkeit nachlässt. Hat der Charakter hingegen das „Potenzial“ „Liebt Frauen“ ist das Gegenteil der Fall und verbündete weibliche Einheiten erhöhen die Präzision. Andere Charaktere aktivieren ihr „Potenzial“ erst beim Frontalangriff auf den Feind, während wieder andere sich nur in Deckung so richtig wohlfühlen und hier nochmals einen Bonus auf den eigenen Verteidigungswert erhalten.

Waffenbrüder

Ein weiteres interessantes Detail: Jeder Soldat unter eurem Kommando hat bestimmte Vorlieben, mit welchen Kameraden er gerne in die Schlacht zieht. Positioniert ihr also Einheiten beieinander, die gut miteinander auskommen, erhöht ihr die Wahrscheinlichkeit ihre spezielle Truppengeschichte freizuschalten, wodurch sich ihre „Potenziale“ verbessern lassen.

Glücklicherweise steigen alle Einheiten des jeweiligen Typs gemeinsam auf und ihr müsst sie nicht einzeln aufleveln.

Zudem habt ihr im Hauptquartier die Möglichkeit die eigene Truppe durch Training weiter zu verbessern. Darüber hinaus könnt ihr hier auch neue Waffen entwickeln und bereits erhaltene Ausrüstung weiter aufwerten. Es macht wirklich enormen Spaß, die Truppe E durch all die kleinen Gameplay-Schräubchen weiter zu entwickeln und aus einfachen Soldaten langsam aber sicher echte Spezialisten zu machen.

Die Menüs für das Management der eigenen Truppe sind dabei übersichtlich strukturiert, aber leider auch unnötig ineinander verschachtelt. Ein etwas praktischerer Aufbau hätte hier wirklich geholfen Zeit beim Management der Truppe zu sparen.

Mit dem Panzer auf Klassenfahrt

Wie zu Anfang bereits erwähnt, kommt der Geschichte von Valkyria Chronicles 4 eine große Bedeutung zu. Dabei ist die Story sogar so umfangreich, dass ich etwa die Hälfte meiner Spielzeit mit dem Ansehen von Zwischensequenzen zugebracht habe. Selbst als Anime-Fan muss ich dabei zugeben, dass das etwas zu viel des Guten ist. Denn neben dem spannenden Hauptplot, sowie den teilweise interessanten Verstrickungen der Charaktere untereinander, gibt es auch viele eher unpassende Sequenzen, die durch ihren speziellen japanischen Humor herausstechen.

Da werden schon mal Befehle der Vorgesetzten komplett ignoriert, oder eine besetzte Stadt (voller Zivilisten) in Feindesland wird als Übungsgelände missbraucht. Und spätestens wenn die Gruppe darüber diskutiert, wieso die attraktive Riley im Minirock über das Schlachtfeld hüpft, fühlt sich das ganze eher an wie eine Gruppe Jugendlicher auf Klassenfahrt, als eine Spezialeinheit im Krieg.

Ob man den Anime-artigen Erzählstil nun mag oder nicht, letzten Endes wäre hier stellenweise ein etwas strafferes Erzähltempo von Vorteil gewesen. Ganz ungeduldige Spieler können die Zwischensequenzen aber jederzeit abbrechen. So verpasst man zwar den eigentlichen Plot, landet aber deutlich schneller wieder in der Action.

Das sieht ja aus wie gemalt!

Hinsichtlich der Präsentation konnte mich Valkyria Chronicles 4 leider nicht restlos überzeugen. So wirkt die grafische Präsentation, mit ihren starken Pinselstrichen und der Aquarell-Optik vor allem bei den Charakteren wirklich gelungen. Die Hintergründe allerdings könnten zusätzliche Details vertragen und wirken dadurch recht unspektakulär. Immerhin können die Entwickler diesen Umstand mit dem durchdachten und taktisch vielfältigen Leveldesign wieder etwas ausgleichen.

Einen ähnlich gemischten Eindruck hinterlässt auch der Sound. Die japanischen, sowie englischen Synchronsprecher sind passend besetzt und hauchen ihren Rollen leben ein. Eher schwächlich fallen dagegen Kampf- und Schussgeräusche während der Gefechte aus. Und auch der Soundtrack kann, abseits des wirklich gelungenen Titelsongs, keine echten Akzente setzen.

Fazit

Valkyria Chronicles 4

von am 09.10.2018

Wer mit ausufernden Zwischensequenzen und einer allgemein sehr japanisch erzählten Geschichte nichts anfangen kann, sollte die Finger von Valkyria Chronicles 4 lassen. Alle anderen dürfen sich auf eine spannend erzählte Geschichte freuen, die leider auch so manches Klischee bedient. Dabei spielen sich die taktischen Gefechte vielfältig und fordernd, auch wenn die KI stellenweise noch etwas intelligenter agieren könnte. Sehr schön fand ich auch, dass alle Mitglieder der Truppe echte Charaktere, inklusive einzigartiger Stärken und Schwächen sind. Dadurch fühlt sich das Verbessern der eigenen Truppe in seinen besten Momenten an, als würde man tatsächlich eine kleine Eliteeinheit zusammenschweißen. Taktik-Fans, mit einem Hang für gut erzählte Geschichten, sollten daher auf jeden Fall einen Blick riskieren!

Grafik – 75
Sound – 77
Gameplay – 85
Spieldesign/Spielwelt – 81
Spielspaß/Atmosphäre – 79

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