PRO 7 & SAT.1 vs FORTNITE – Battle Royale

PRO 7 & SAT.1 vs FORTNITE – Battle Royale

von am 16.03.2018 - 02:03
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Die ewige Debatte ist zurück: Gewalt in Videospielen! Doch anders als beim amerikanischen Präsidenten (der sich bei der Debatte immer wieder zur Lachnummer machte), kann es vielleicht sein, dass hier ein Fünkchen Wahrheit mitspringt ?!

Was ist hier eigentlich los?!

In den SAT.1 Nachrichten vom 13.3.18, wurde das Spiel FORTNITE thematisiert. Bereits kurz davor, wurde ein nahezu identischer Beitrag bereits von PRO 7 veröffentlicht. Das Spiel geriet in Kritik, wegen seiner Altersfreigabe ab 12 Jahren. 

Fortnite hat sich mittlerweile zu einem echten Massen-Phänomen entwickelt, was auch kaum verwunderlich ist, da es mit dem nachträglich hinzugefügten Battle Royale-Modus, vollkommen auf die aktuelle Trendwelle aufgesprungen ist, die durch PUBG erst so richtig losgetreten wurde.

Doch nun der springende Punkt:

Wie langweilig wäre die Berichterstattung von SAT.1 und PRO 7 wohl gewesen, wenn man das Thema nicht ausgiebig hätte dramatisieren können?!

“…Jugendliche, die sich im Überlebenskampf versuchen…“

“Wer andere abknallt, der überlebt – Mit einem Satz, den Sinn eines neuen Videogames erklärt.“

“…und inzwischen auch auf deutschen Schulhöfen.“ 

“Fortnite – Battle Royale als wildes Gemetzel, das die Jugend im Sturm erobert.“

SAT.1, PRO 7… euer Ernst?!

So ernst nimmt sich Pro 7 also selbst. Auf der einen Seite gehörig Alarm schlagen und auf der anderen Seite selbst dafür werben. Ironie ?!

 

Ist es wirklich so schwer, einfach saubere Berichterstattung zu betreiben und Kritik zu üben, ohne dabei direkt von der grausamen Verrohung unserer Jugend zu sprechen, durch die wir Zocker allesamt zu blutrünstigen Gewaltverbrechern erzogen werden könnten. 

Ja, ich weiß… so direkt wurde das nicht formuliert. Aber der dramatisierende Ton, erweckt eben diesen Eindruck.

Doch zugegebenermaßen ist es auch in meinen Augen nicht falsch, den Sachverhalt zu erörtern.

HIER könnt ihr euch den Beitrag nochmal selbst anschauen, ab Minute 9:10 !

Vorher / Nachher

Leider wird der Fakt um die Altersfreigabe des Spiels nur beiläufig erwähnt. Hierzu äußerte sich nämlich Linda Scholz, die für die Initiative Spieleratgeber NRW tätig ist. *Update am Ende des Artikels. Unbedingt lesen! 16.3.18, 9:30 Uhr

Sie verweist nämlich darauf, dass die Altersfreigabe auf dem eigentlichen Hauptspiel basiert, welches zwar auch weiterhin ein Third-Person-Shooter ist, allerdings völlig andere Grundvoraussetzungen im kooperativen Gameplay aufweist, als es der kompetitive Battle Royale-Modus tut. Somit ist das Hauptspiel ursprünglich losgelöst zu betrachten gewesen.

Die beiden Sender lassen den Zuschauer aber gerne mal mit Halbwahrheiten stehen und so ist es wenig verwunderlich, dass dann dem Spiel auch noch ein völlig falscher Vermarktungshintergrund angehängt wird, als es eigentlich der Realität entspricht.

So wurde in den TV-Beiträgen doch dreist behauptet, dass das Hauptspiel ein Lockmittel zum mutmaßlichen Gemetzel sein soll. Diese Behauptung wurde in den Raum geworfen, trotz der Tatsache, dass das Grundspiel bereits seit mehreren Monaten verfügbar ist und der Battle Royale Modus erst im Nachhinein nachgereicht wurde. Viele von euch dürfen sich eventuell noch daran erinnern, dass es seinerzeit sogar einen kleinen Beef zwischen den Entwicklern von PUBG und Fortnite gegeben hat, da die Fortnite-Macher maßgeblich am fortlaufenden Entwicklungsprozess von PUBG beteiligt waren und man im selben Zug einige Charakteristika für den eigenen Konkurrenz-Modus übernommen hat. Doch das soll jetzt nicht weiter Thema sein, denn letztlich haben beide Titel ihre ganz eigenen Eigenschaften gewahrt, so dass von einer 1:1-Kopie auf keinen Fall die Rede sein kann. 

PUBG hält hier die Fahne eher in Richtung realistischerer und bedrohlicherer Inszenierung. Auch wird in PUBG mit Bluteffekkten gearbeitet und der Titel hat mit Recht eine Altersfreigabe ab 18 Jahren erhalten. Trotzdem kann man auch hier nicht von übertriebener Gewaltdarstellung oder gar Gewaltverherrlichung sprechen. Es ist ein Action-Spiel auf Shooter-Basis, mit entsprechend ernstzunehmendem Setting. 

Fortnite bestreitet dabei eher den kreativeren und belustigerenden Weg. Die Figuren und die Umgebung sind im Cartoon-Stil gehalten und die Spieler sind durch Crafting in der Lage, eigenständig Bauwerke zu erstellen, die dem Spieler als taktische Unterstützung dienen. An blutige Effekte ist dabei ebenfalls nicht zu denken, was im Verhältnis zu PUBG schon eine entsprechende Entschärfung bedeutet. 

Im Hauptspiel geht es kooperativ mit 4 Spielern in den Kampf gegen die sogenanntem “Hüllen“. Nebenbei werden Festungen gebaut, die der Verteidigung dienen.

Das Spiel mit der kindlichen Psyche

Ich möchte nicht abstreiten, dass dem Modus im Kontext zur Freigabe vielleicht ein moralisch kritisierbarer Aspekt anhaftet, der eine Altersfreigabe ab 16 Jahren durchaus rechtfertigen mag. Tatsächlich würde ich diese Entscheidung sogar selbst befürworten.

Hierbei könnte man das Schießen, mit nachempfundenen Schusswaffen, auf menschlich anmutende Gegner thematisieren und als Begründung anwenden.

Das Spiel dabei grundsätzlich zu verteufeln und einen TV-Beitrag dieser Art zu veröffentlichen, halte ich dennoch für überzogen…  eigentlich sogar schon fast so lächerlich, wie den von Trump geäußerten Wunsch nach einer Altersbegrenzung für Spiele (die es ja auch in den Vereinigten Staaten schon seit Jahrzehnten gibt), nur damit er nicht zugeben muss, dass eine Reform der Waffengesetze im eigenen Land angebrachter wäre und der Besitz von Schusswaffen eben kein Grundrecht sein sollte. 

Man merkt, dass hier ein reißerischer Beitrag publiziert wurde, bei dem selbst die befragten “Experten“ sich nur blamieren konnten.

So äußerte sich Linda Scholz beispielsweise über die Drucksituation und die Anspannung, die innerhalb des Battle Royale-Modus von Fortnite entstehen können. *Update 16.3.18, 9:30 Uhr

Jetzt mal ehrlich… wem will man denn hier einen Bären aufbinden?! 

Drucksituationen und Anspannung erlebt der junge Geist doch in verschärfter Form fast überall. Ein Erfolgserlebnis wünscht sich grundsätzlich jeder. Aber genauso entsteht Druck auch außerhalb von virtuellem Geschehen. 

Hierfür können Turniere in sämtlichen Sportarten benannt werden. Wenn man dann zusätzlich an die Gewaltausschreitungen nach Fussball-Spielen denkt, ist die Verhältnismäßigkeit weltweit wohl eher erschreckend.

Jede Klausur in der Schule kann massiven Druck ausüben und wer meint, dass ein Versagen emotional keine Auswirkungen auf einen jungen Menschen hat, irrt sich gewaltig.

Bildung mit Videospielen gleichsetzen? Ja! Denn Videospiele haben durchaus einen Lerneffekt für Kinder und Jugendliche. Genauso wie sie sportlich betrachtet werden können und selbst im sozialen Bereich einen pädagogischen Mehrwert bieten – genauso wie es auch bei klassischen Brettspielen der Fall ist. Schach ist im übertragenen Sinn auch eine Kriegssimulation. “Da fließt aber kein Blut“, höre ich schon einige Stimmen sagen. Antwort: In Fortnite auch nicht! Und damit bleibt Fortnite vom optischen Gewaltgrad ungefähr auf dem Niveau der Marvel-Verfilmungen – viel Krachbumm, ohne blutige Konsequenz. 

Und ja… auch dieser Vergleich muss sein, denn denke ich allein an den Namen “Avengers“ (Die Rächer… dieser Name impliziert doch bereits Gewalt in Reinform! *Sarkasmus-Keule*), sehe ich auch hier eine Filmreihe, die fast zu 95% mit einer Altersfreigabe ab 12 Jahren versehen ist, aber keineswegs diese Art von Kritik erntet.

Abgesehen davon passt dieses populäre Beispiel gerade erstklassig, denn wer bitte freut sich nicht auf den neuen Infinity War ?! (Krieg! Schaulustige werden ins Kino gehen und sich am brutalen Kampf um das Überleben der Menschheit ergötzen! Ein wildes Gemetzel, über das bestimmt auch auf deutschen Schulhöfen geredet wird. Diese perversen, gewalttätigen Kinogänger!)

Die Lehren der virtuellen Welt

Der Lernfaktor bei Videospielen und auch speziell bei Fortnite, liegt nicht im Ausüben von Gewalt. Eigentlich ist es sogar der Part im Spiel, der fast keine Beachtung findet. Das Hauptspiel lebt von der Interaktion der Spieler untereinander. Das Team und der Zusammenhalt zählen, um gemeinsam ans Ziel zu kommen. Taktisches Vorgehen und Kreativität im Bau seiner Festung. Das sind mal nur die wichtigsten Punkte, die Sozialfähigkeit fördern können und Begriffe wie Team- und Sportsgeist. Es gibt noch viele weitere Argumente, die eine sehr positive Sprache sprechen und auch diverse Studien, die den positiven Effekt von Videospielen hervorheben. Selbst im Battle Royale sind diese Eigenschaften zu finden, denn auch der Wettkampf hat seine positive Wirkung auf die Entwicklung. 

Besonders spannend finde ich bis heute, eine Studie von der Harvard Universität in Massachusetts. Diese stammt aus dem Jahr 2008 und wurde von einem republikanischen Politiker initiiert, der sich von der Studie einen Beweis für die Gefährdung der amerikanischen Jugend erhoffte. Doch zum Missfallen des Politikers, stellte das Ergebnis der Studie genau das Gegenteil fest. 

In einem Interview mit spiegel.de , äußerte sich die Forscherin Cheryl K. Olson über ihre Ergebnisse und dass kein Beweis für Gewalt an Schulen erbracht werden konnte, die durch das Spielen brutaler Videospiele ausgelöst werden könnte. Sie bezeichnete das Nichtspielen dabei sogar als mögliches Zeichen von fehlender Sozialkompetenz. 

Natürlich muss das Medium für diese Feststellung nicht zwingend digitaler bzw. virtueller Natur sein. Spielen ist schon immer ein Begriff, der in direkter Verbindung mit Lernprozessen steht. Das gilt für die Tier- und Menschenwelt gleichermaßen. Welche Plattform für das Spielen genutzt wird, hängt natürlich vom persönlichen Geschmack und Interesse ab.

Dr. Cheryl K. Olson und ihr Ehemann Dr. Lawrence Kutner, der bereits mehrere Arbeiten über die allgemeine Entwicklung von Kindern herausgebracht hat, veröffentlichten auf Basis ihrer Erkenntnisse das Buch Grand Theft Childhood – The surprising thruth about violent video games and what parents can do. Nicht nur der Titel ist erschlagend, sondern auch der Inhalt des Werkes. 

Sie sprechen von Erziehung, Gesprächen mit den Kindern, über gesehene Inhalte aus Games und dem Fakt, dass Kinder auch in jungem Alter bereits sehr gut unterscheiden können, was der Unterschied zwischen einem gewalthaltigen Spiel und der Realität, wie auch den realen sozialen Kontakten, bedeutet. Die Gewalt wird vielleicht virtuell erlebt, ist für die Kids aber kein Grund selbst auszurasten. In ihrer Studie wurde vielmehr die Erkenntnis groß, dass die Gewalt selbst keine größere Rolle in der Wahrnehmung spielt, aber auch nicht die Empathie der Kinder für reale Gewalt und deren Opfer, aus Nachrichten oder Erzählungen, beeinträchtigt hat. Reale Gewalt wurde trotzdem verabscheut und primär standen weiterhin die Probleme und Sorgen der Kinder und Jugendlichen im Vordergrund, die typisch für ihr Alter und ihren geistigen, seelischen und moralischen Entwicklungsprozess waren. 

Videospiele unterscheiden sich somit kaum von Brettspielen, Filmen und Büchern. 

Schlusswort

Warum ich diesen Beitrag verfassen musste?

Weil ich durch den Beitrag von Pro 7 und SAT.1 psychischer Gewalt ausgesetzt war und mir dieser Umstand doch GEWALTIG auf die Nüsse ging.

Was ich euch mit dem Beitrag zeigen und sagen wollte?

Das auch das Spielen von Videogames einer gewissen Aufklärung, Erziehung und auch einem gesunden Maß an Verständnis bedarf. Andere Zeiten – andere Medien! Auch Bücher wurden in der Historie bereits verflucht. Dennoch sind sie bis heute eine der wichtigsten Quellen für Informationsbeschaffung und auch für pure Unterhaltung! 

Was ich Sendern wie Pro 7 und SAT.1 empfehlen möchte?

Arbeitet ein wenig mehr an eurer Glaubwürdigkeit. Es gab Zeiten, da habe selbst ich mich über euer Programm gefreut. Mittlerweile seid ihr überflutet mit Gerichtssendungen (meistens auch mit haufenweise Mord und Todschlag), “Reality“-Soaps und dem neuesten Promi-Klatsch. Ebenfalls zu einer Zeit, zu der Kinder eure Programme durchforsten können. Wer im Glashaus sitzt, sollte also nicht mit Steinen werfen. Und wenn ihr schon meint ein Medium anzugreifen, befasst euch zuvor mit der Materie – früher nannte man das auch Recherche! So bleiben euch vielleicht ein paar Peinlichkeiten erspart, wie eben auch diese schlecht verpackte Nachricht um Fortnite – Battle Royale.

*UPDATE: Von einem unserer Kollegen, Philipp Hammerschmidt (GamingNerd.net), haben wir zusätzlich noch den Hinweis erhalten, dass sich nun sogar Spieleratgeber NRW ausdrücklich gegen den Beitrag von SAT.1 und Pro 7 wehrt! Es wurde gestern (15.3.18) eine offizielle Stellungnahme dazu verfasst, in der man erklärt, dass der Kommentar von Linda Scholz komplett aus dem Zusammenhang gerissen wurde und in seiner ursprünglichen Aussage somit komplett falsch in den Kontext eingebettet wurde. Der Ratgeber distanziert sich ausdrücklich davon “Alarm zu schlagen“ oder “Eltern warnen zu wollen“.

Spielerratgeber NRW äußerte sich in seinem Fazit tatsächlich weitaus seriöser und fachlicher, als es SAT.1 und Pro 7 aussehen lassen wollten.

Das Spielprinzip ‚Battle Royale’ (arrangiertes Todesspiel) erfreute sich seit dem letzten Jahr großer Beliebtheit. Und die Spiele Fortnite: Battle Royale und Playerunknown’s Battlegrounds gehören mit zu den beliebtesten Games 2017. Auch wenn bei Fortnite: Battle Royale Waffengewalt als einzige Möglichkeit der Konfliktlösung vorliegt, ist es ein sehr fiktives Setting ohne detailreiche Gewaltdarstellungen. Das Spiel richtet sich an Jugendliche ab 14 Jahren, denn trotz der großen Distanz zur Realität handelt es sich um einen Survival-Shooter, welcher für jüngere Kinder ungeeignete Inhalte behandelt und für empfindsame Spieler_innen zu nervenaufreibend sein kann. Ältere Jugendliche können das Geschehen als fiktionales Spiel einordnen.

HIER findet ihr die offizielle, komplette Stellungnahme!

Und an SAT.1 und Pro 7 gerichtet: Schämt euch! Pfui! 

Über Daniel Machut

Ich bin Chefredakteur bei KRAUTGAMING ! Aufgewachsen in der Steinzeit des Gaming, bin ich noch heute unterwegs in den unterschiedlichsten Welten. Hyrule, Rapture, Eos, das viktorianische London, Sondereinsätze auf der ganzen Welt und selbst die dunklen Tiefen des Weltraums habe ich nicht gescheut. Hier sollt ihr mehr von meinen Reisen in den virtuellen Weiten erfahren...

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