REVIEW: The Surge – Und täglich grüßt der Killerroboter

REVIEW: The Surge – Und täglich grüßt der Killerroboter

von am 25.05.2017 - 14:33

Warren, der Protagonist von Lords of the Fallen Entwickler Deck 13’s neuem Action RPG The Surge, hat den wahrscheinlich miesesten ersten Arbeitstag der Angestelltengeschichte. Was genau sich in diesem SciFi-RPG tut, durften wir ausgiebig für euch testen…

Autor: Lars Eggers

Warren hat es wirklich nicht leicht. Da vergisst der automatisierte Akkuschrauber, der ihn in sein Exoskelett einschweißt, die Narkose – was zu schmerzbedingter Bewusstlosigkeit führt. Kaum wacht er auf, da ist die Welt auch schon am Untergehen und keiner hat genug Schlagkraft, um der Sache einen Riegel vorzuschieben. Alles muss man selber machen.

Was nun auf den ersten Blick sehr generisch aussieht ist tatsächlich ein starkes Opening zu dem neuesten Spiel in der Tradition der knochenharten 3rd Person RPGs Dark Souls oder Bloodborne.

Schon in den ersten Minuten des Tutorials weiß The Surge zu überraschen. Man sitzt in der U-Bahn und guckt eine Werbung des Megakonzerns CREO, der die schon vor Spielbeginn durch Klimawandel und Überbevölkerung arg vor die Hunde gegangene Welt zu retten verspricht. Als die Sprache auf die Exoskelette kommt fragt man sich schon, wer sich sowas warum antun sollte. Das Tutorial meint nonchalant „Mit dem linken Stick bewegen“ und mit dieser instinktiven Bewegung erhält man eine sehr überraschende und clevere Antwort, die ich hier nicht verraten werde. Es folgt die Introsequenz, die sehr deutlich zeigt: da stimmt doch was nicht…

Warren erwacht schließlich nach seiner schmerzhaften Umwandlung in eine Mensch-Powerloader-aus-Aliens-Kombo fernab des aktiven CREO-Komplexes – und darf sich gleich gegen einen der zahllosen Robotergegner beweisen, die ihm nach einem kataklysmischen Event allesamt an den Kragen wollen. Dies ist der Auftakt zu einem knochenharten Spießrutenlauf durch den CREO-Komplex, der viele interessante Gameplay-Innovationen einführt – aber letzten Endes leider über die eigenen Füße stolpert.

Zielen, Abschlagen, Mitnehmen – das etwas andere Takeaway

Fangen wir mit dem größten Pluspunkt von The Surge an – dem Kampfsystem. Hier ist die Ähnlichkeit zu den Dark Souls Games unverkennbar – die grundlegende Spielmechanik wurde eins zu eins übernommen; man kann sogar die gewohnte Dark Souls Steuerung als alternative Controllerbelegung auswählen. Der Kampf läuft daher in der Regel ab wie gewohnt: schlagen, parieren, ausweichen, getroffen werden, sehr schnell sterben. Selbst die einfachsten Gegner befördern Warren mit wenigen Treffern ins Jenseits und katapultieren den Spieler zurück an die letzte Med-Station. Ganz nach bester „Live-Die-Repeat“-Manier sind nun alle Gegner (mit Ausnahme der Bosse und Mini-Bosse) respawned und man hat nur wenige Minuten Zeit, sein Tech-Scrap (die Ingame Währung, mit der man sein Exoskelett und die vielen anbaubaren Komponenten aufrüstet) vom Ort des Ablebens zu bergen. Dark Souls Veteranen werden sich hier also ganz wie zu Hause fühlen.

Es gibt allerdings auch ein paar Neuerungen, die sich nahtlos in das System einpassen. Am auffälligsten ist das Zielsystem. Nach dem Aufschalten auf einen Gegner kann man verschiedene Körperteile anvisieren und sich entscheiden, ob man eine Schwachstelle angreift oder auf eine der gepanzerten Teile einschlägt. Beides hat Vorteile. Schläge auf Schwachstellen verursachen mehr Schaden und erhöhen die Waffenfertigkeit, gepanzerte Trefferzonen geben dringend benötigte Waffen, Panzerungsteile, Schemata oder Bauteile. Jeder Angriff baut zudem die Energieleiste auf, mit der man Sonderangriffe oder Exekutionen abfahren kann. Das Zielsystem macht jeden Gegner zu einer interessanten Herausforderung: Räume ich ihn schnell aus dem Weg oder brauche ich noch Teile für eine Aufrüstung? So halten das clevere Implantatsystem, die neuen Exo-Suits, die man entdecken kann sowie die Waffen/Rüstungsmods den Grinder in uns stetig bei der Stange.

Perfekt ist das System aber leider nicht und legt damit den Grundstein für viel Frust und auch eines der grundlegenden Probleme des Spiels. Der Wechsel der Aufschaltung von einem Gegner auf den anderen gestaltet sich hakelig und auch die Verteidigungsoptionen (parieren, ducken, springen) sind langsam und wirken schwammig, so dass schnell mal eine Parade versagt und man zum 20. Mal zu Boden geht. Bei Spielen dieser Art ist der Grat zwischen „hart“ und „unfair“ sehr schmal und bei The Surge kippte ich bei meinem Spiel zunehmend in die „unfair“ Ecke, da die Steuerung mir immer wieder ein Bein stellte – etwas, dass ich weder bei den zweieinhalb Dark Souls Spielen, die ich bis dato gespielt habe, noch bei Bloodborne in diesem Maße erleben musste.

So hat man das Gefühl, dass einige Game-Features nicht komplett durchdacht oder ausgereift sind. So ist zum Beispiel die Waffenfertigkeit eine gute Idee; Warren wird besser je mehr er einen der fünf verfügbaren Waffentypen nutzt. Leider beschränkt einen das de facto auf einen Waffentyp im Spiel, denn wechselt man nach einigen Stunden sind alle Boni weg und die neue Waffe ist fast nutzlos – man muss also noch mehr grinden, um die Fertigkeit der neuen Waffe zu leveln – das ist kaum die Mühe wert und man bleibt lieber bei einem Waffentyp. Schade, denn es gibt sogar eine Schnelltaste für den Waffenwechsel. Ebenfalls an den Nerven zerrt der eine Country Song, der in allen Medbays im Spiel läuft und die sechs oder sieben KI-Durchsagen, die man beim Respawn hört – viele hundert mal.

Außen hui, innen… war ich hier nicht schon mal?

Kommen wir zu den äußeren Werten von The Surge. Die Grafik – vor allem das Licht – kann sich sehen lassen, das Design ist ansprechend und auf der PS4 waren Framerate, Trefferabfrage und Sound ohne Ausnahme makellos. Leider stürzte meine Version des Spiels mehrfach ab, in einem Game mit so hohem potentiellem Frustfaktor besonders ärgerlich.

Das Leveldesign (und damit auch die Spielatmosphäre) ist eines der ambivalentesten, das mir jemals untergekommen ist. So sind die Außenbereiche atmosphärisch, abwechslungsreich und atmen (besonders in der ersten Spielwelt) eine nahezu perfekt heruntergekommene SciFi Atmosphäre, in der sich Mad Max oder Judge Dredd problemlos zurechtgefunden hätten. Leider ändert sich das, sobald man durch eine Tür tritt. Die Innenlevel sind labyrinthartig aufgebaut und bestehen bis auf wenige Ausnahmen aus kaum voneinander zu unterscheidenden Gängen, Tunneln und Räumen. Da man sich im weiteren Spielverlauf gefühlt häufiger innen als außen bewegt, stellt sich schnell Monotonie ein – kein gutes Gefühl, da man die Gänge aufgrund des Schwierigkeitsgrades des Spiel immer und immer wieder abläuft. Wenn man dann auch noch mehrfach in ältere Level zurückgeschickt wird, verfällt man schon mal in Hack-and-Slash-Lethargie, die mehr mit Muskelgedächtnis als mit Spielspaß zu tun hat.

 

Zwar gibt es immer wieder Lichtblicke, vor allem gegen Ende des Spiels, aber es dominiert das Gefühl von endlosen Korridoren, die noch ein ganz anderes Problem mit sich bringen: die Gegnerpositionierung in den Innenbereichen. Besonders in der zweiten Hälfte des Spiels finden sich zunehmend härtere Gegner in beengten Verhältnissen, in denen man kaum ausweichen kann und deren Angriffe schwer oder sogar gar nicht zu parieren sind. Diese Gegner finden sich oft an Stellen, wo man ihnen nicht ausweichen kann, so dass man Dutzende von Anläufen braucht, um überhaupt mal einen Schritt weiterzukommen. Hier gewinnt der Frust schnell die Oberhand, da man das hart erarbeitete Training und Timing nicht anwenden kann und die schwammigen Paraden zu einem echten Problem werden. Wer sich also von den dreirädrigen Robotern in der zweiten Welt (einziger Schwachpunkt: das hintere Rad) frustrieren ließ, der sollte seinen Controller in Schaumstoff einwickeln, denn er wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit später im Spiel durch den Raum fliegen. Dagegen wirken die insgesamt fünf sehr schön gestalteten Bosse fast schon einfach, da man hier stets genügend Raum zum Manövrieren hat.

In den Gängen verlaufen – die Story

Die Story von The Surge ist geradeheraus. Die Welt ist hinüber, CREO verspricht sie zu retten – was soll schon schiefgehen, wenn ein gesichtsloser Megakonzern solche Versprechungen macht? Richtig. Eigentlich alles. Gerade mit dem starken Start von Warren und dem grandiosen ersten Level, in dem man auch von einer mysteriösen Frau via Hologramm kontaktiert wird, hofft man nun auf das reiche Worldbuilding oder das subtile Storytelling, wie man es von Spielen mit vergleichabren Settings (beispielsweise Half Life oder Mirrors Edge) kennt. Leider aber verläuft sich die Story im zunehmenden Verlauf des Spiels immer weiter. Nebenquests sind reine Hol- und Bringe-Questen ohne großartigen Mehrwert, Charakterinteraktionen gibt es kaum, die wenigen Dialoge, Werbevideos oder Durchsagen in den Leveln geben nur bruchstückhafte Einblicke und auf Twists oder gar ein wenig Persönlichkeit seitens Warren wartet man leider vergebens. Die Story dient im Großen und Ganzen dazu, den Spieler von einem Level zum nächsten zu schicken und entwickelt sich kaum über die anfängliche Spannung hinaus. Auch ist die Spielführung insgesamt sehr lose – es gibt innerhalb der Level keine Indikatoren, ob man auf dem richtigen Weg ist und selbst wichtige Punkte, wie zum Beispiel neue Exo-Suits, stehen ohne Kommentar in irgendwelchen Levelecken herum.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass als das Ende (welches man nur an einer einzigen Stelle beeinflussen kann) nach 18 Stunden über meinen Bildschirm flimmerte, sich keine wirkliche Befriedigung einstellen wollte – eher das Gefühl von „Das war wirklich alles?“

FAZIT – Viele Höhen und Tiefen 

The Surge

von am 25.05.2017

The Surge ist schwer zu bewerten, da es viele Dinge sehr richtig macht, sich aber immer wieder selbst im Weg steht. Die Story ist zu flach, um das Spiel zu tragen, aber an sich nicht schlecht. Das Spieldesign wechselt zwischen generell clever gestalteten Außenbereichen und oft generischen Korridor-Leveln, die nicht zuletzt durch eine fehlende Kartenfunktion nur schwer zu navigieren sind. Es gibt zwar Abkürzungen, übersieht man aber eine davon (was schnell passiert) kämpft man sich viel zu oft durch viel zu gleiche Locations und Gegner. Das Kampfsystem ist bekannt hart, aber gut und wurde innovativ für mehr Motivation erweitert. Ich hatte bis zum Ende viel Freude daran und war immer fleißig am Komponenten sammeln. Lediglich die schlechte Steuerung beim Parieren und die oft zu engen Korridore dämpfen hier den Spielspaß. Alles in allem reicht das gute Kampf- und Lootsystem aber nicht aus, um die offensichtlichen Schwächen anderer Aspekte auszugleichen. Es fällt mir schwer The Surge zu verdammen, dafür habe ich mich zu gern durch die Level geprügelt. Empfehlen kann ich es dennoch nur Hardcore-Fans dieser Art von Spielen. Wer also trauert, weil die Dark Souls Reihe abgeschlossen ist, wer Bloodborne und Nioh bereits auswendig kennt und Neues sucht, der darf hier getrost zugreifen. Casual Gamer oder Einsteiger in diese Art von Spiel sollten vielleicht eher Abstand nehmen.

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