Filmkritik: Vom YouTuber zum Weltenretter

Filmkritik: Vom YouTuber zum Weltenretter

von am 16.09.2014 - 11:02

Es klingt wie ein Märchen: Ein Filmstudent stellt ein paar doofe Videos ins Internet und sag bloß: Dem Internet gefällt es so gut, dass ein kleiner Fankreis um den wütenden Brillenträger entsteht. Kurz darauf folgt ein Vertrag mit der Gaming-Website Screwattack, worauf die Serie dann beim Giganten Gametrailers ein Zuhause findet. Über Jahre wächst die Fangemeinde und finanziert letztendlich den Film, den der Student schon so lange drehen wollte. Ende gut, alles gut. Richtig?

Der Angry Video Game Nerd (James Rolfe, duh) lebt eine Art Doppelleben: In seinem Job verkauft er Videospiele, im Internet reißt er alte auseinander. Seine Fans lieben ihn, weil er ihren Erinnerungen an vergangene Spiele-Katastrophen eine Stimme gibt und so flucht der Nerd sich seit Jahren durch Nintendo-, Atari- und Sega-Spiele der Vergangenheit. Doch einen Wunsch konnte er seinen Fans bisher nicht erfüllen: Ein Review zu E.T., dem schlechtesten Spiel aller Zeiten. Wer etwas über Videospiele weiß, kennt vielleicht die Geschichte – das Spiel war so schlecht, dass es die 1983-Videospielindustrie versenkt haben soll. Atari vergrub die nicht verkauften Kopien in der Wüste – so sagt es zumindest die Legende. Doch als der Nerd den Mythos als genau das enttarven möchte, stößt er auf etwas, das sehr viel gefährlicher ist, als es ein paar vergrabene Spiele vermuten lassen.

Ab in die Wüste…

Wenn Internet-Berühmtheiten ihre eigenen Filmideen durchsetzen, dann bedeutet das vor allem dies: Schlechte Greenscreen-Effekte, ausgeleierte Popkultur-Referenzen und Schauspielerei auf dem Niveau der Laienbühne von Klötenmühlen. So unterhaltsam zum Beispiel Doug Walker oder Noah Antwiler in ihren Rollen auch sein mögen, so sehr stagnieren ihre Fähigkeiten als Filmemacher auf dem Niveau von „Es ist Low-Budget, also müssen wir uns keine Mühe geben“. In anderen Worten:  Ich kann ein- oder zweimal darüber lachen, wie schlecht das Ganze doch ist, bevor ich merke, wie schlecht das Ganze doch ist.

James Rolfe umgeht diese Falle mit seinem Angry Video Game Nerd-Film, kann sich ihr aber nicht ganz entziehen. Gerade gegen Ende fallen viel zu viele Leinwand- und Modell-Effekte zwischen den Szenen auf, die Rolfe „on Location“, also vor Ort drehte. Einige Darsteller liefern großartige Leistungen ab, während ausgerechnet der Nerd selber platt und farblos bleibt. Dass der Film trotzdem Spaß macht, liegt daran, dass er überstrapazierte Nerd-Plattitüden auslässt. Das bedeutet: Rolfe zwingt nicht das hundertste „Do a barrel roll!“ oder „The Princess is in another castle“-Zitat in seinen Film, sondern fügt seine persönlichen Referenzen organisch in den Plot.

…und dann ins Nerdiversum

So muss er zum Beispiel einen Jet landen und erinnert sich an seinen Frust mit dem Jet in Top Gun fürs NES. Der General in Area 51 (ja, der Film geht in diese Richtung) fährt keinen Rollstuhl, sondern einen Rollstuhl-PANZER. Nebenbei darf Rolfe seine Faszination für japanische Monsterfilme ausleben und ein alter Wissenschaftler, der etwas mit E.T. zu tun haben könnte, hat das Innere seiner Wohnung in ein Videospiel verwandelt, damit nur „echte Gamer“ zu ihm vordringen können. All dies hat eine Daseinsberechtigung in der Geschichte des Films und wirkt niemals aufgesetzt; nichts existiert nur, um die Nerdgemeinde zum Kichern zu bringen.

Selbst die Gastauftritte haben einen Sinn – zum größten Teil. An vorderster Stelle steht hier Howard Scott Warshaw, der Programmierer des Spiels. Sein Gastauftritt hilft dem Nerd auf seiner Reise. In kleineren Auftritten spielen Andre von Black Nerd Comedy, Pat the NES Punk, Troma-Chef Lloyd Kaufman(!) und Doug Walker, mit dem er sich vor ein paar Jahren prügelte.

Am Ende übertreibt Rolfe es ein wenig – zu viele billige Effekte kriechen über den Schirm, zu viel passiert, ohne das tatsächlich viel passiert. Doch das schadet dem Film nicht wirklich, denn trotz der Papproboter und der Grimmassen des Nerds tut er im Kern das, woran andere Filme scheitern: Eine unterhaltsame Geschichte erzählen. Man muss den Nerd, sein faules Mundwerk und Trash-Filme aus der Feder von Internet-Berühmtheiten jedoch mögen – und dann ist am Ende auch alles gut.

Der Film ist zur Zeit auf Vimeo on Demand erhältlich. 4.99$ für 24 Stunden oder 9.99$ FÜR IMMMER UND EWIG.

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