Sieben Spiele, die leider wichtig sind

Sieben Spiele, die leider wichtig sind

von am 30.07.2014 - 12:25
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Ein paar Monate liegt sie nun zurück – die Zeit der alten Konsolen. Die Marketingmaschine zauberte eine neue Generation herbei und verdammte die Current Generation zur Last Generation. Vergessen ist all das, was uns in der letzten Generation Spaß machte: Es ist jetzt veraltet und hat keinen Wert mehr, denn sonst würden Microsoft und Sony uns erlauben, unsere alten Spiele auf ihren neuen Konsolen zu spielen.

Doch das ist ein anderes Thema. Die letzte Generation legte den Grundstein für viele Trends, die wir auch in der nächsten noch spüren werden – ob nun positiv oder negativ, darf jeder für sich selbst entscheiden. Und so richtig haben wir noch nicht über die Leistungen von gestern gesprochen, obwohl jede andere Spieleseite ihre Top 200 der besten “Last Gen”-Spiele raushaute, bevor Playstation 4 und Xbox One in den Handel stolperten. Wir sind deshalb ins redaktionseigene Labor für Listenforschung hinabgestiegen und haben ein paar Titel zusammengestellt, die einen großen Einfluss auf unser liebstes Hobby hatten.

In anderen Worten: Wir müssen irgendwie das Sommerloch füllen, und Christoph möchte über Spiele schreiben, die er (größtenteils) voll doof findet.

Der Durchbruch

Ich möchte mit einem offensichtlichen Titel beginnen: Braid von Jonathan “Right?” Blow. Wie auch immer man das Spiel bewerten möchte – Braid hat einen unbestreitbaren Platz im Videospielkosmos, da es der Presse, der Industrie und den Spielern zeigte, dass auch abseits bekannter Pfade wahre Schätze warten. Zwar gab es auch schon vorher erfolgreiche und künstlerisch anspruchsvolle Spiele (Darwinia, anyone?), doch erst seit Braid steht der Independent-Narrativ: Die Geschichte vom kleinen, leicht exzentrischen Entwickler, der ohne ein Millionenbudget, aber mit klarer Vision ein Kunstwerk im Alleingang bastelt und die Kommerzwerke aus den 600-Mann-Fabriken in den Schatten stellt.

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Dass dies nur auf die wenigsten Independent-Titel zutrifft, muss ich niemandem sagen; und dass diese Story auch schon vorher existierte (Darwinia, Leute), ist auch kein Thema. Doch Braid machte sie populär – heute reicht es, “Indie” auf ein Spiel zu klatschen und zu hoffen, dass die Hipster es kaufen werden. Danke dafür, Mr. Blow.

Aufstieg und Fall der Plastik-Peripherie

Ich kann mich irren, und im Fall von Guitar Hero und Rock Band war mein Irrtum gewaltig. Wie ein Snob beharrte ich darauf, mit den peinlichen Plastikgitarren nichts anfangen zu wollen, da ich selber Gitarrensaiten schreddere – bis ich bei einem Freund Rock Band spielte. Ich nahm alles zurück: Auch wenn ich es bis heute nicht gekauft habe (ein Gang an meine eigene Gitarre zeigt mir, warum) muss ich zugeben, dass mir wenige Spiele so viel Spaß mit anderen Menschen gemacht haben.

Doch wo sind die Plastikgitarren heute? Mit einem einzigen Spiel lässt sich nicht erklären, wie kurzlebig die Peripheriewelle eigentlich war. Zwar deutete Harmonix vor ein paar Tagen auf ein Comeback von Rock Band hin, aber das ändert nichts daran, dass wir uns in den letzten Jahren fragten, warum wir den Mist überhaupt angeschafft hatten.

Was passiert war, ist ganz einfach: Die Industrie übertrieb es mit dem Plastik. Es war genug, dass wir bei jeder Version neue Gitarren kaufen sollten (nicht mussten, aber die Entwickler hätten es gerne gesehen, wenn wir zu jeder Ausgabe neue Pseudo-Instrumente kaufen). Doch als dann erst DJ Hero erschien und sogar ein Skateboard-Spiel mit seinem eigenen Spielzeug aufwartete, kauften wir nicht mehr. Rock Bands Faszination liegt darin, dass die wenigsten von uns es mit ihren beschissenen Bands jemals auf die großen Bühnen schaffen werden – mit den Plastikgitarren in der Hand können wir aber wenigstens so tun, als ob wir Teil einer mittelmäßigen Coverband wären. Kurz: Während Rock Band und Guitar Hero die Rockstar-Phantasie verkauften – minus Drogen, Sex und zerstörter Hotelzimmer – bot DJ Hero etwas, das aus Mainstream-Sicht viel weniger Reiz hat oder einfach nicht so weit verbreitet ist.

Und so endete die Ära der Plastik-Musikspiele. Harmonix konzentrierte sich auf Dance Central, da Tanzen noch universeller als Klampfen ist. Einzig Ubisofts Rocksmith, das eine echte Gitarre benutzt, blieb im Rennen und gammelt seitdem zwischen Musikspiel und Lernsoftware.

Gears of Grafik

Der Krieg der Konsolen ist nicht nur ein Krieg der Konsolen: Fernab der Microsoft- und Sony-Schützengräben führen ein paar Entwicklerstudios ihre eigenen Schlachten gegeneinander. Ihre Waffen sind die Grafikgerüste, auf denen der Großteil unserer Spiele aufbaut. Und die meisten davon hat Epic, deren Unreal Engine 3 maßgeblich den Look der letzten Generation bestimmte. Der Grafikmotor befeuerte so unterschiedliche Spiele wie etwa Mass Effect, Lost Odyssey, Brothers: A Tale of Two Sons, Remember Me, Q.U.B.E, Rock Of Ages, BioShock, Borderlands, Hawken und Hail to the Chimp.

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Die Unreal Engine 3 war, so gerne die Konkurrenz es auch anders gesehen hätte, die führende Entwickler-Plattform und der Maßstab für neue Technologie in der letzten Konsolengeneration. Kein Spiel verdeutlichte das mehr als Gears of War: First Blood – als ich das erste Mal Bilder von diesem graubraunen Einheitsmist sah, wusste ich: “Jepp, so werden Spiele in den nächsten Jahren aussehen.” In den nächsten Jahren kamen dann weitere Farben hinzu, als andere Entwickler mit Epics Grafikbaukasten experimentierten – was sie vielleicht nicht getan hätten, wenn die Gears-Reihe nicht so erfolgreich gewesen wäre.

Killstreak und Quickscope und sowas

Call of Duty: Modern Warfare war irgendwie wichtig für Multiplayer-Shooter, glaube ich. Infinity Ward erkannte, dass so ein Shooter ohne Belohnungssystem mit Erfahrungspunkten und so voll keinen Spaß machen tut. Darum spielt ja heute auch niemand mehr Unreal Tournament oder Quake, Mann.

Die Befreiung der Rundenstrategie

Sid Meier’s Civilization V by Sid Meier ist das beste Spiel auf dieser Liste, vor allem mit den Erweiterungen Gods and Kings und Brave New World. Es verzichtet auf Hollywood-Blödsinn und schafft es trotzdem, eine Geschichte zu erzählen – indem es mir ein paar Spielmechaniken in die Hand drückt und sagt: “Mach was draus.” Es feiert die Großartigkeit des Menschen und blickt optimistisch in die Zukunft – wenn ich es möchte. Es erzählt mir etwas über Geschichte, Kultur, Religion, Epochen, Krieg und Wissenschaft, ohne meine Intelligenz zu beleidigen.

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Und es führt eine kleine Renaissance an – die der Rundenstrategie. Digitaler Vertrieb und der Aufstieg der Indie-Kultur (siehe Braid) ermöglichten es dem Genre, wieder in voller Blüte zu stehen, wie zum Beispiel Endless Space oder Age of Wonders III zeigen. Vielmehr noch: Im Herbst erscheint Civilization: Beyond Earth, das gleichzeitig Fortsetzung zu Civilization V und Alpha Centauri ist.

Vielmehr aber stellt Civilization V eins dar: Dass in der letzten Konsolengeneration auch auf dem PC sehr, sehr, sehr, sehr, sehr, sehr gute Spiele erschienen. Die Arroganz von Microsoft und Sony ist dabei schlichtweg peinlich. Sie stehen auf den Bühnen der E3 und behaupten, ihre Budget-PCs seien die Zentrale für all unsere Entertainment-Bedürfnisse, schließen aber komplette Genres aus. Sorry, Playstation 4 und Xbox One – solange ich auf Civilization, Starcraft oder auch Divinity: Dragon Commander verzichten muss, seid ihr nicht relevant.

(Nein, Halo Wars und Civilization: Revolution zählen nicht, ihr Pfeifen)

Assassinen mit Nebenjobs

Wer in den letzten Jahren eine große Nummer aus der Spaßfabrik von Ubisoft spielte, bemerkte abseits der zentralen Geschichte eventuell ein Muster: Gehe hin, decke Karte auf, sammel nutzlose Dinge und erledige ein paar Aufträge. Wiederhole diesen Schritt, bis das Spiel zu Ende ist. So machen wir es in Far Cry 2 und 3 (inklusive dem großartigen Blood Dragon), Watch_Doges und Assassin’s Creed.

Der Erfolg der Serie ist, weil mir kein besseres Wort einfällt, krass. 2007 erschien der erste Teil, und in nur sechs Jahren blies das Franchise überproportional auf – sechs “große” Spiele und zehn Handheld- und Mobile-Spinoffs sprechen für sich. Allein dafür gehört der Titel auf diese Liste. Es ist fast, als wäre die Serie über Nacht gekommen – und mit ihr dieser elendig dröge Ballast, der an der Open World hängt.

serious ass cred

Assassin’s Glied hat die offene Videospiel-Welt nicht erfunden, aber gezeigt, dass sie auch außerhalb von Liberty City und Cyrodiil funktionieren kann. Das Problem ist, dass Ubisoft damit schon zufrieden war und dieses Muster dann lediglich auf weitere Spiele anwenden sollte. Ergebnis: Eine Reihe von Spielen, in denen es zwar viel zu tun gibt, aber nicht wirklich etwas passiert. Ubisofts “große” Spiele sind Checklisten, in denen wir alle Kästen abhaken und uns nebenbei ein paar Cutscenes ansehen; es reicht unseren kleinen Gehirnen anscheinend, vierzig Stunden lang glitzernden Objekten hinterherzujagen, um am Ende den 100%-Stempel verliehen zu bekommen.

Wütende Nostalgie

Lacht. Lacht und belächelt den Mobile-Titel mit den dicken Vögeln. Doch in zwanzig Jahren werden die Kinder von heute keine Game Theories über Mario schreiben oder einen Kuchen im Mass Effect-Design backen. Die Nostalgie, mit der wir heute die NES-Zeiten zukleistern, wird nicht auf die Xbox 360 und Playstation 3 überspringen, denn dort spielen die meisten jungen Menschen heute nicht. Free to Play wie League of Legends und Smartphone-Spielereien ziehen die Nostalgiker von später an – weil’s kostenlos ist. Und wenn das Geld knapp ist, wie es bei jungen Menschen oft so ist, dann spielt man Dinge, die kaum oder gar kein Geld kosten, auf Geräten, die man sowieso schon hat, weil man sie für die Schule oder zur Kommunikation braucht.

“Aber Christoph”, schreit ihr. “Du unglaublich gut aussehender Hengst von einem Mann, die neuen Konsolen haben sich doch millionenfach verkauft! Auf keinen Fall werden uns die dreckigen Casuals aus der Popkultur verdrängen!”

Doch, das werden sie. Konsolenverkaufszahlen bedeuten gar nichts, denn es liegt an den Spielen. Der Unterschied zwischen Angry Birds und z.B. Civilization V ist wie der Unterschied zwischen Tetris und Primal Rage: Das Erste ist überall spielbar, schnell zu lernen und leicht zu identifizieren; das andere läuft nur auf bestimmten Geräten, braucht einige Zeit und ist nur für einen kleinen, nerdigen Kreis von Menschen interessant.

Wer Es Fast in Diese Liste geschafft hätte

Die Liste könnte nun noch ein paar Einträge weitergehen; ich habe mich dabei jedoch auf Spiele beschränkt, die ich selber auch gespielt habe (ausgenommen von Hail to the Chimp). Darum schreibe ich hier nichts über Dark Souls, obwohl der Titel extrem wichtig ist – weil er unter anderem prominent zur neuen Härtewelle beitrug, die sich z.B. in roguelikes wie FTL manifestiert; und weil er eine Geschichte sehr vage, subtil und stark verschlüsselt erzählt.

League of Legends und Dota 2 mussten außerdem draußen bleiben, obwohl MOBAs zur Zeit das heißeste Genre im eSport sind. Ich spiele aber nur ungern Multiplayer-Spiele, und wenn MOBA, dann kommt mir nur Smite ins Haus. Weil ich es lustig finde, wenn Götter sich gegenseitig verprügeln (ich warte immer noch auf Jesus, Hi-Rez).

Außerdem habe ich so wenig Exklusivtitel wie möglich aufgenommen. Denn ein Spiel sollte überall zugänglich sein – es sollte keine Rolle spielen, auf welchem Gerät wir das Werk verschlingen. Wenn ihr jedoch denkt, dass Metroid: Other M das wichtigste Spiel der letzten Generation war, dann nur zu – schreibt es in die Kommentare, damit wir eine Diskussion über den Einfluss und „Stammbaum“ von Spielen führen können (Sommerloch und so).

Es ist nämlich schade, dass wir über Spiele nur in den ersten paar Wochen nach ihrer Veröffentlichung reden; was Weihnachten auf den Markt kommt, ist im Sommerloch danach schon wieder veraltet. Dabei fehlt oft die Zeit, einen Moment Abstand zu nehmen und das ganze Bild zu betrachten: Welche Spiele was beeinflussten, und was sie bewirkten. Doch dafür braucht es mehr als einen leicht angepissten Meinungsartikel auf einem deutschen Videospiel-Blog.

Darum frage ich meine drei Leser: Was sind eurer Meinung nach die Spiele der letzten Konsolengeneration, die den größten Einfluss auf unser Hobby hatten? Schreibt Ideen, Anregungen und Hass in die Kommentarsektion, während ich am Wochenende bei Dark Tranquillity auf dem Metal Splash den letzten Rest meines Hirns rausbange. Und nur zur Erinnerung: Hier geht es nicht um Lieblingsspiele, denn sonst hätte ich noch einmal tausend Wörter über Brütal Legend geschrieben.

Über Christoph Volbers

Christoph hat viel zu viele Töpfe am Kochen: Er ist der Kopf hinter dem Science Fiction-Metal-Projekt Xenogramm und schreibt an seinem eigenen Roman. Gleichzeitig studiert er Englisch und Geschichte im schönen Bremen (nicht lachen!). Da er jedoch nicht immer vor dem Bildschirm hocken kann, geht er arbeiten - und zwar in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wenn er sich davon erholen will, dann kocht er, oder er geht laufen, oder er sieht sich Filme und Serien an. Oh, und offenbar schreibt er auch für krautgaming. Wie konnte ich das nur übersehen?

Kommentare

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DerDachs 31. Juli 2014 um 14:43 31.07.2014 - 14:43

Erstmal ein Dankeschön für diesen super Artikel.
Leider muss ich dir bei der Nostalgiegeschichte Recht geben. Das liegt ja aber auch hauptsächlich daran, dass sich die Spieleindustrie wie jede andere auch auf den Wegwerfkurs gebracht hat. Spiele werden gespielt und nach ein paar Tagen oder Wochen wieder in die untiefen des Schranks oder der Ordnerstruktur gepackt.
Waren es früher noch Titel, die man mit Herz und Verstand bis in die kleinste Ecke erkunden wollte, sind es heute oft Spiele, die man zwar interessiert anspielt, jedoch nach den ersten Bissen gesättigt wieder weglegt. Das liegt auch nicht zuletzt daran, dass einem so viele „tolle“ Games um die Ohren gehauen werden. Man spielt eine Runde Call of Duty (o.Ä., das nur als Beispiel für die Massen) und noch während man die ersten Schritte im Spiel macht wird vom Publisher direkt der nächste Nachfolger (mittlerweile Nr. 27 soviel ich weiß) angeprießen.
Dieses dauerhafte Neukaufen von Spielen, lässt einem kaum noch Zeit eine Story komplett zu leben.
Nun zum Schluss noch ein Beispiel für einen gelungenen Story-Titel (meiner Meinung nach):
Broken Age
Mit sehr viel Liebe zum Detail und einer spannenden, fesselnden und überraschenden Story.

MfG
DerDachs

Christoph 2. August 2014 um 14:33 02.08.2014 - 14:33

Danke für deinen Kommentar.

Zur Wegwerfkultur: Ich habe laut Steam-o-meter 111 Spiele, die ich noch nicht gespielt habe. Einige von denen werde ich wahrscheinlich auch niemals spielen – was vielleicht auch an der Zeit liegt, die man dem Titel „opfern“ möchte, nicht nur am Angebot – heute schaffe ich es einfach nicht mehr wie in meiner Teenagerzeit, sechs bis acht Stunden am Tag zu zocken. Mehrfaches Durchspielen kommt heute erst recht nicht mehr in Frage.

Broken Age war tatsächlich gut – vor allem der Twist am Ende. Bin gespannt, wie es weitergeht.