Yoshi’s New Island – Mann, du hast dich kaum verändert!

Yoshi’s New Island – Mann, du hast dich kaum verändert!

von am 02.04.2014 - 11:02
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Ihr kennt dieses Gefühl: Da ruft nach Jahren ein Jugendfreund an. Er ist mal wieder in der Stadt, und ihr verabredet euch in einer Kneipe zu Bier und Plausch über die gute alte Zeit. Doch schon in der Kneipentür erschreckt ihr euch – er ist blass geworden, trägt eine Brille und seine Freundin hat ihn gezwungen, all seine Metal-Fanshirts wegzuschmeißen. Zuerst zögert ihr und überlegt, ob das noch der Mensch ist, mit dem ihr damals die Schule unsicher gemacht habt. Dann aber setzt ihr euch, und nach den ersten paar Bieren wisst ihr: Nichts hat sich verändert.

So ist es auch mit Yoshi’s New Island. Wenn ihr mit den Vorgängern auf dem Super Nintendo oder Nintendo DS Spaß hattet, werdet ihr auch mit dem dritten Teil auf dem Nintendo 3DS Spaß haben. Denn im Kern sind alle die gleichen Spiele – auch wenn ein paar Details anders sind.

Yoshi, der ewige Babysitter

Niemand spielt einen Mario-Ableger wegen seiner Geschichte. Trotzdem gibt es einen Kontext, der die 48 Level miteinander verbindet: Ein blöder Storch liefert Baby Mario und Baby Luigi bei den falschen Eltern ab. Die Sendung geht darum postwendend zurück. Doch der Storch fliegt in ein Unwetter und verliert seine Fracht über der Insel, auf der die Yoshi-Saurier leben. Baby Mario landet zwischen den Yoshis, die ihm auf der Suche nach seinem Bruder helfen. Dazu tragen sie ihn wie bei einem Staffellauf über die Insel.

Irgendwo auf dem Eiland soll auch noch Baby Bowser lauern, doch das ist noch nicht so wichtig. Zunächst sammeln wir Münzen, Sterne, Sonnenblumen und legen Eier, Eier, Eier.

Eipokalypse Now

Das Volk der Yoshis hat immer noch die gleichen Tricks im Kopf wie das letzte Mal, als wir es in Aktion sahen. Auf Knopfdruck verschluckt unser Dinoviech eine der einheimischen Lebensformen; die kann er dann entweder als langsames Geschoss wieder ausspucken, oder aber ein Ei legen. Eier sind Yoshis schwere Munition: Mit ihnen beseitigt er Hindernisse, die für seine Zunge zu groß, schwer oder stachelig sind.

urgh, the colors

Auf Yoshis neuer Insel gibt es jetzt aber auch richtig dicke Eier. Gleich im ersten Level werfen wir eins, das viermal so groß wie Yoshi ist und alles in seinem Weg vom Bildschirm fegt. Passender Name: Egg-Dozer, wobei uns die Wirkung eher an eine Nukle-ei-bombe erinnert. Das Ding gibt es auch eine Nummer kleiner und aus Metall: Damit kann Yoshi tauchen. Wirft er es unter Wasser weg, um ein Hindernis zu beseitigen, steigt er wieder an die Oberfläche. Wie er und Baby Mario unter Wasser atmen, verrät uns das Spiel jedoch nicht.

Wenn eine der vielen Kreaturen Yoshi berührt, gleitet Baby Mario in einer Seifenblase durch die Luft. Dann trötet der bekannte Countdown los – innerhalb von Sekunden muss Yoshi das Baby aus der Blase wieder einfangen, sonst entführen es die Schergen von Baby Bowser und seinem Hofmagier Kamek. Macht aber nichts, Yoshi hat ja noch das eine oder andere Extraleben. Und mit “das eine oder andere” meinen wir “hunderte”.

Inflation und Unsterblichkeit

Mit Extraleben wirft Yoshi’s New Island nur so um sich. Alle hundert Münzen gibt’s ein neues, und überall warten neue Versuche in den Spielstufen. Nach den ersten Leveln verfügten bereits wir über 28(!) Ersatz-Yoshis, am Ende waren es dann über 150.

Da fragen wir uns nach dem Sinn: Wenn ein System einerseits die Anzahl der Neuversuche begrenzt, den Spieler andererseits aber mit Extraleben überschüttet, verliert es an Bedeutung. Ein Freiversuch ist in Yoshi’s New Island nichts wert, denn es gibt so viele davon.

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Uns hätte es daher besser gefallen, wenn Nintendo komplett darauf verzichtet hätte. Aber dann gäbe es keinen Grund mehr für uns, Münzen zu sammeln. Und so fällt die gesamte Spiel-Ökonomie: Die Belohnungen im Spiel sind purer Selbstzweck und allenfalls eine optionale Herausforderung für Spieler mit Komplettierungswahn.

Hinzu kommt noch, dass Yoshi’s New Island – gerade für Veteranen! – ein leichtes Spiel ist. Erst in den letzten acht Leveln kann man regelmäßig über knifflige Passagen fluchen – da hatte das Original doch etwas mehr Fleisch auf den Knochen.

Mobile Anbiederungen

In einigen Abschnitten des Spiels mutiert Yoshi unter anderem zu einem Minenwagen, Heißluftballon, Presslufthammer oder U-Boot. Das kennen wir aus den Vorgängern, doch Yoshi hüpft ja nun über den 3DS; und der hat einen Bewegungssensor in seinem Gehäuse.

Um Maschinen-Yoshi zu steuern, sollen wir das Gerät nach links und rechts neigen, doch das klappt nicht immer gut: Das U-Boot etwa ist ein fast unspielbarer, träger Haufen Yoshi-Dung in einem engen Abwasserrohr, das bei der kleinsten Berührung mit der Wand oder einem Fisch gefühlte siebzehn Meter zurückprallt – während der Countdown für dieses Segment kurz vor dem Ziel ausläuft.

Das Boot

Früher hat man sich noch auf die Fahrzeuge gefreut, doch in Yoshi’s New Island sind sie leider nur nervige Lückenfüller. Was und wie man mit den Yoshi-Maschinen spielt, findet sich schon lange auf dem Smartphone. Das wäre ja auch nicht schlimm, wenn das ganze Spiel darauf aufbauen würde: Doch auf Yoshis neuer Insel stören die Wackel-Spiele leider den Fluss von Laufen, Hüpfen und Eierlegen.

Pastellfarben und Easy Listening

Die Serie tritt das erste Mal dreidimensional auf, doch damit ist nicht der 3D-Effekt der Konsole gemeint. Der Entwickler spendierte fast allen Objekten im Spiel 3D-Modelle, während in den Vorgängern 2D-Sprites mit Wachsstiftoptik durch die Landschaft tanzten. Das Ergebnis hängt von eurem Geschmack ab: Obwohl Yoshi und seine Freunde aussehen, als ob man sie mit einem Borstenpinsel bemalt hätte, vermisst man die prallen Farben und Pixelkonturen, die das Original zu einem Mix aus Bilderbuch und Videospiel machten. Yoshi’s New Island hingegen erinnert eher an ein Gemälde aus der Werbekampagne zu Art Academy. Das ist nicht hässlich (im Gegenteil!), hat aber etwas weniger Charakter als die beiden Vorgänger.

Auch der Musik fehlt etwas: Zwar schwingen die eingängigen Melodien des Originals durch die neuen Arrangements, doch sie sind ruhiger. Es fehlt ihnen ein wenig Klarheit und vielleicht auch der Soundchip des SNES; statt dessen begleiten uns ein seichtes Klavier, ein gestreicheltes Schlagzeug und gelegentlich Klänge, die man nur als Quietscher der Yoshis ausmachen könnte. Das ist niedlich, aber auch das einzige, mit dem der Soundtrack in unseren Köpfen bleibt.

Bleibt die Frage, warum das so ist – ein Spiel wie Yoshi’s New Island lebt von der Nostalgie der Super Nintendo-Generation. Wenn jetzt aber der Grafikstil und die Musik so anders leuchten und klingen, wundert man sich, welche Zielgruppe Nintendo denn überhaupt bedienen möchte – oder ob die Yoshi-Fans ausreichen, damit das Spiel oft genug im Einkaufskorb landet. Verdient hätte es das.

Einmal Freund immer Freund

Ich wollte zu Yoshi’s New Island zuerst einen Verriss schreiben, weil mir das Original so heilig ist: Die Grafik ist anders, die Musik packt nicht mehr, es nervt mit seinen Bewegungs-Spielereien und überschüttet uns mit nutzlosen Extraleben. Doch im Kern steckt immer noch das gleiche Spiel: Eine vermeintlich simple Sammlung an Spielmechaniken, mit der ihr allerlei komplexe Aufgaben löst. Der 3DS-Titel ist damit sehr nah am Original – wenn nicht der andere Grafikstil wäre, dann hätte das Spiel auch gut eine Erweiterung für das Original von 1995 sein können.

Und so merkt ihr nach ein paar Stunden: Euer Schulfreund trägt zwar heute eine Brille, hört sanftere Musik, nervt ständig mit seinem Smartphone und will euch eine Lebensversicherung andrehen; aber er lacht noch immer über die gleichen Witze und weiß genau, dass es auf die Details nicht ankommt. Und dann trifft es euch – ihr habt Spaß und seid dankbar, dass ihr für ein paar Stunden wieder in eurer Kindheit leben durftet.

Yoshi's New Island

von am 02.04.2014

An Yoshi’s neuer Insel sind nur Look, Musik und Rieseneier neu – Yoshi selber ist noch immer der gleiche. Wenn ihr also ein paar Zusatzlevel zum SNES-Klassiker wollt, greift zu. Der Rest fragt sich, was dieses Relikt eigentlich im Jahr 2014 macht.

Über Christoph Volbers

Christoph hat viel zu viele Töpfe am Kochen: Er ist der Kopf hinter dem Science Fiction-Metal-Projekt Xenogramm und schreibt an seinem eigenen Roman. Gleichzeitig studiert er Englisch und Geschichte im schönen Bremen (nicht lachen!). Da er jedoch nicht immer vor dem Bildschirm hocken kann, geht er arbeiten - und zwar in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wenn er sich davon erholen will, dann kocht er, oder er geht laufen, oder er sieht sich Filme und Serien an. Oh, und offenbar schreibt er auch für krautgaming. Wie konnte ich das nur übersehen?

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