Verdampfte Träume: Steam ist nicht dein Freund

Verdampfte Träume: Steam ist nicht dein Freund

von am 17.01.2014 - 17:41
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Was sind wir doch alle stolz, PC-Spieler zu sein: Spiele sind so günstig wie nie. Hardware ist so günstig wie nie – einen PC kann der Bastler für den Preis einer Xbox One zusammenschrauben. Und dann kommt da auch noch Gabe Newell, Ersatzheiliger der Computerspieler, und kündigt die Steambox an. Die Gemeinde frohlockt – bald wird es so einfach wie noch nie sein, die Konsole aus dem Wohnzimmer zu vertreiben. Der PC siegt über die geschlossenen Systeme. Linux siegt über Windows. Und alle sind glücklich in dieser freien, offenen Welt, die von keinem Konzern mehr regiert wird.

Oder eben von Valve. Aber das macht nichts, denn das sind ja die Guten. Die generösen Erlöser, die aus purer Gutmütigkeit die Rabatt-Stempel aus den Taschen holen, damit wir sparen können. Valve, die Sammelkarten einführen, weil sie doch selber Spieler sind – nicht, damit wir länger und öfter spielen, um am Ende mehr Geld zu verschleudern. Valve, die guten Menschen der Industrie: Alles, was sie anfassen, wird gut und Gold. Oder nicht?

Eine Klasse für sich

Als Valve im Herbst 2013 den Schritt ins Wohnzimmer wagte, wehte ein kleiner Sturm durch die PC-Landschaft. Die Steam Machines versprachen die fehlende Option zwischen Media-PCs, Spielekonsolen und Desktop-Rechnern. Zwar zwängten auch schon vorher viele Bastler ihren PC in ein passendes Gehäuse, damit er zwischen Xbox, Playstation und Wii verschwindet – aber nicht jeder will seine Konsole selber bauen.

Steam Machine made easy

Mittlerweile kennen wir Valves Partner: Unter ihnen weilen bekannte Namen wie etwa Alienware oder Zotac. Einige Geräte unter ihnen sind richtige Kampfrechner, vollgestopft mit modernster Technik, während andere nur Spiele streamen, die irgendwo im Haus auf einem Windows-Rechner laufen. Diese Vielfalt klingt zuerst gut – doch bei über vierzehn verschiedenen Kästen nörgelt die Frage, was die Steam Machine eigentlich ist.

Ob sie nun ein Stream-Apparat mit Kartoffelprozessor oder Spielemonster mit siebzehn Grafikkarten ist: Die Steam Machines sind ein Plural, fast schon eine eigene Gerätekategorie wie etwa das Smartphone, das Tablet oder eben die Spielekonsole. Das ist clever, denn Valve möchte nicht mit Sony und Microsoft in Konkurrenz treten. Statt dessen soll der bisherige Steam-Nutzer Bock drauf bekommen, Steam auch im Wohnzimmer zu benutzen. Eine Option für die bisherigen Nutzer statt Eroberung neuer Märkte – in diesem Licht sieht die Strategie doch recht defensiv aus.

Das ist ein wunderbarer Ansatz, aber kein Grund, die Steambox zum Gerät der Revolution aufzublasen, die den Untergang der Konsolen herbeiführt. Denn wie jeder PC-Spieler bestätigen kann, wachsen die Probleme, je mehr der PC schrumpft: Ein gutes Gleichgewicht zwischen Leistung, Größe, Energieverbrauch, Lautstärke und Preis ist beinahe eine biblische Aufgabe. Kein Wunder, dass einige der Steam Machines das dreifache einer Playstation 4 kosten und aussehen wie gewöhnliche Desktop-Rechner, vielleicht mit Steam-Logo auf der Front.

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Die Steam Machines lösen im schlimmsten Fall kein einziges PC-Problem. Ihre Hardware ist von Gerät zu Gerät verschieden – und das ist ein klarer Nachteil gegenüber den Konsolen. Denn wer ein Spiel für die Playstation oder Xbox kauft, weiß, dass dieses Spiel auf seiner Konsole laufen wird – wer hingegen eine Steam Machine hat, muss weiterhin auf die Systemanforderungen schauen, ein Schlachtopfer darbringen und beten, dass das Spiel auf der Box läuft.

PC-Spieler kennen das. Ich kenne das, obwohl ich schon lange nicht mehr auf die Systemanforderungen blicke, wenn ich mir ein Spiel kaufe – weil mein Rechner alles wegschmatzt, was ich ihm auf die Platte schmiere, und weil die letzten X- und Playboxen das Grafik-Wettrüsten ausbremsten. Was übrigens gut ist – denn ohne die Konsolen stünde wohl jedes halbe Jahr der Zwang einer neuen Grafikkarte an, um die hübschesten Spiele zu spielen. Danke, Microsoft und Sony.

Du stirbst als Held oder…

Dafür haben Xbox und Playstation ein anderes Problem – ich kann keine Spiele der Vorgänger auf ihnen spielen. Warum das für die Geschichte des Mediums gefährlich ist, habe ich bereits in einem anderen Artikel beschrieben. Doch auch aus der Sicht des Nutzers ist das blöde, denn es lässt die hundert und tausend von Euro, die ich in den Vorgänger investierte, wie eine gewaltige Fehlanlage erscheinen.

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Valve möchte dagegen ankämpfen – indem Steam die Spiele von der Hardware löst, auf der sie laufen. Steam läuft auf jedem PC, Mac und Linux-Rechner. Vielen Spielen (z.B. dem Double Fine-Klassiker Psychonauts) ist es völlig egal, auf welchem Betriebssystem sie laufen. Steam speichert außerdem die Speicherstände vieler Spiele in der Cloud: Wenn ich zum Beispiel auf meinem Desktop-Rechner X-Com spiele, kann ich übers Wochenende zu meiner Freundin fahren und dort auf meinem Laptop an der gleichen Stelle weiterspielen, an der ich zu Hause aufgehört habe.

Das klingt zuerst nach Freiheit, ist aber ähnlich wie bei den Konsolen eine Form von Abhängigkeit. So viel Komfort Steam auch ermöglicht – Valve bindet uns damit an sein eigenes, exklusives Vertriebssystem, ähnlich wie Sony, Microsoft und Nintendo dies auch tun. Das ist noch ganz in Ordnung, da Steam im Moment zu den coolen Kindern in der Branche gehört und viele Vorteile für den Nutzer hat. Doch das bleibt vielleicht nicht immer so.

Gabenism

Die Gamer und Nerds, die Valve gebaut haben, weichen irgendwann den Anzugträgern. Noch ist es möglich, zusätzlich zum SteamOS Windows als Betriebssystem zu installieren; noch ist es möglich, außerhalb von Steam am PC zu spielen. Doch Firmen wachsen und wechseln ihre Philosophie wie normale Menschen die Unterhose. Erinnern wir uns: Auch bei Sony gab es mal die Option, Spiele von der ersten Playstation auf der Playstation 2 zu spielen – eine Möglichkeit, die mit der dritten Generation verschwand. Nichts ist sicher.

Spiele am laufenden Meta

Außerdem ist Steam selber ein Problem – denn es ist ein eigenes Spiel geworden. Jeder Nutzer erstellt ein Profil und spielt Spiele, durch die er zufällig Sammelkarten erhält. Mit diesen Sammelkarten kann er Badges zusammenstellen, die dann seine Stufe erhöhen. Mit einer höheren Stufe steigt die Chance auf weitere Sammelkarten. Außerdem gewinnt er Hintergründe für sein Profil sowie Rabattgutscheine für Steam-Spiele und Emoticons für den Chat. So kann er seinen Auftritt in der Steam-Welt wie einen Avatar in einem Online-Rollenspiel frei nach seiner Vorstellung gestalten.

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Das Ganze nennt man Gamification – etwas so banales wie das Spielen am Computer macht Valve zu einem eigenen Spiel. Das Beste: Es funktioniert verdammt gut. Steam gaukelt uns vor, dass ein ständiger Fortschritt hinter den Spielen steht. Unsere Zeit in Tomb Raider, Saints Row und Endless Space ist so keine verlorene Zeit, sondern lässt uns als Steam-Mitglieder wachsen.

Theoretisch. Denn wer überschüssige oder ungewollte Karten verkaufen will, kann das tun – und im Gegenzug kann jeder die Karte kaufen, die ihm zum Abschluss seines Badges noch fehlt. Damit entscheidet der Geldbeutel über dein Spieler-Level bei Steam; ich selber habe bereits fünfzehn Euro investiert, weil auch ich schwache Momente habe.

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Schwerer wiegt aber der längerfristige Schaden, den das System anrichtet. Wenn Spiele spielen selber ein Spiel ist, dann verkommen die eigentlichen Spiele zum Konsumgut, in das der Spieler nur noch eintaucht, um seine Steam-Stufe zu erhöhen. Das ist traurig, denn damit verschwindet alles, was uns das Spiel sagen wollte.

Selig und Dampf im Hirn

Muss ich noch Early Access erwähnen? Damit können Steam-Nutzer Vorabversionen von Spielen kaufen. Das Feedback der Spieler soll den Entwicklern helfen, das System erinnert aber an die Instant-Kassetten aus Spaceballs: Kaufen und spielen, bevor das Produkt überhaupt fertig ist – denn ich kaufe meine Filme auch immer, bevor die Computersklaven die Spezialeffekte eingebaut haben.

Das alles mag jetzt sehr harsch klingen. Ich bin aber kein Feind von Steam – ich selber habe seit 2007 etwa 230 Spiele in meiner Bibliothek gesammelt. Ich bin PC-Spieler, seit ich sechs bin (Siedler 2, fuck yeah). Doch ich bin nicht so naiv, dass ich an einen Status quo glaube. Steam wird wachsen und in ein paar Jahren anders aussehen: Vielleicht schlechter, hoffentlich besser. Doch nichts ist sicher. Gerade hat Valve zum Beispiel das Design des neuen Controllers für Steam verändert, und Steam Greenlight soll auch wieder verschwinden.

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Vielleicht wird Steam an den zentralen Problemen des Mediums arbeiten und etwa die Hürde für Einsteiger senken. Im Moment sehen einige Trends jedoch bedenklich aus: Steam-Konsolen, die Valve als PCs für das Wohnzimmer ankündigt; die sabbernde PC-Gemeinde feiert sie aber als den Untergang der Heimkonsolen. Ein eigenes Betriebssystem, denn das beste System für Valves Spiele ist ein System, das Valve kontrolliert. Und letztendlich macht Valve aus Steam ein eigenes Spiel, in dem die eigentlichen Spiele Mittel zum Zweck sind.

Außerdem stinkt Steam nach Monopol. Der Marktanteil liegt bei geschätzten 70%; geschätzt, weil Valve die Zahlen nur an Entwickler weitergibt, und diese dürfen die genauen Zahlen nicht weiter veröffentlichen. Gibt es außer Origin von EA, Good old Games und Amazon eigentlich noch Alternativen? Ich selber kriege von manchen Spielen gar nichts mehr mit, wenn sie nicht auf Steam erscheinen. Und ich schreibe auf einem Blog über Videospiele, müsste die Szene also kennen.

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Im Hype um die Steam Machine möchte ich allen Steam-Aposteln gerne sagen: Beruhigt euch. Der Konsolenkrieg wird nicht mit der Steam Machine enden – er wird ein Krieg der Anbieter werden. Sony startet mit Playstation Now seinen eigenen Streaming-Service. Microsoft arbeitet an der Cloud. Und eventuell wird Steam auch irgendwann die ersten serverbasierten Spiele starten.

In den kommenden Jahren haben wir dann vielleicht eine einzige Box in unseren Wohnzimmern, auf denen Apps von Sony, Valve, OnLive, Microsoft und Nintendo laufen. Doch wie auch immer diese Zukunft aussieht – beten wir darum, dass wir unter vielen und nicht nur unter Steams Stiefeln liegen. Seid vorsichtig und schwört niemandem die Treue, nur weil der Gabe so ein richtig netter Kerl ist.

 

Über Christoph Volbers

Christoph hat viel zu viele Töpfe am Kochen: Er ist der Kopf hinter dem Science Fiction-Metal-Projekt Xenogramm und schreibt an seinem eigenen Roman. Gleichzeitig studiert er Englisch und Geschichte im schönen Bremen (nicht lachen!). Da er jedoch nicht immer vor dem Bildschirm hocken kann, geht er arbeiten - und zwar in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Wenn er sich davon erholen will, dann kocht er, oder er geht laufen, oder er sieht sich Filme und Serien an. Oh, und offenbar schreibt er auch für krautgaming. Wie konnte ich das nur übersehen?

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Andreas 17. November 2014 um 21:22 17.11.2014 - 21:22

So viel geschrieben
Da hast du aber viel geschrieben. Habe aber nicht das gefunden was ich gesucht habe. Aber dein „über chritoph Volbers“ hat mir gefallen. Habe auch promt deine Seite notreadytopublish.com angeschaut, war auch sehr Interessant. Danke Für die 15 Minuten Ablenkung. Weiter so.