Ragequit – Always Online! Sonst noch was?
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Was erwartet uns in der neuen Konsolengeneration? Sony verspricht viel, während Microsoft sich noch in Schweigen hüllt. Die Möglichkeit einer Always Online Variante der nächsten Xbox hängt wie ein Damoklesschwert über vielen Spielern. Aber ist die Menschheit überhaupt bereit dafür, immer online zu sein?

Ein Problem unserer Zeit ist, dass Personen die kritische Produktentscheidungen treffen scheinbar die Fähigkeit verloren haben, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Zum Beispiel aus der des Kunden.

Die 140 Zeichen Kündigung

Als Adam Orth seinen Twittererfolg mit den Always Online Beiträgen feierte, da waren viele Spieler aufgebracht. Ein Shitstorm brach los, auf Twitter, Facebook, Youtube und generell überall. Obgleich Microsoft sich daraufhin sogleich bemühte die Gerüchte zu entschärfen, muss doch beachtet werden, dass nie gesagt wurde Always Online sei keine Option. Lediglich von den spezifischen Tweets des Adam Orth, welcher mittlerweile bei Microsoft seinen Hut genommen hat, wollte man sich verständlicherweise distanzieren.

Nun ließ uns auch Yannis Mallat, CEO von Ubisoft Montreal, in einem Interview mit der Zeitung The Guardian an seiner Sicht der Dinge teilhaben und oh Wunder, seiner Einschätzung nach ist der gemeine Spieler bereit für eine ständige Online Verbindung, da er ohnehin mit diversen Geräten dauernd online sei.

Nun sind die üblichen Argumente schon tausendmal gewälzt worden und sollen hier kein Revival erleben, denn aus meiner Sicht geht es bei dem Thema nicht um Always Online an sich. Es geht darum den Spielern ein Feature zuzumuten, von dem sie keine Vorteile haben. Das Beispiel Always Online zeigt dies sehr drastisch. Denn hier geht es nicht um ein für den Spieler nutzloses Feature, sondern um ein solches, welches im schlimmsten Fall sogar verhindern würde, dass der Spieler seine Konsole überhaupt benutzen könnte.

RROD & YLOD gehören zum guten Ton

Langsam aber sicher wird so was zur Normalität. Es gab mal Zeiten, da musste man als Spieler einen Knopf drücken und war innerhalb von Sekunden im Spiel. Mittlerweile hat man Launcher und Homemenüs, welche gefühlte Ewigkeiten brauchen, bis sie geladen sind. Überfrachtet mit Funktionen, die vielleicht die Hälfte aller Spieler benutzen. Verschlankte Versionen sind nicht verfügbar. Man kriegt eine Xbox360 ohne Festplatte, aber keine, die einfach nur Spiele abspielt.
Das Starten der Spiele dauert dann teilweise noch mal diverse Minuten, falls einem kein Update in die Quere kommt. Dann wartet man teilweise schon mal bis zu einer halben Stunde. Am Launchtag. Aber hey, das Update ist ja schließlich wichtig, sagen da viele, weil sonst friert ja die Konsole alle zwei Minuten ein.

Dass alle Konsolen endlich immer online sind, ist ein enormer Vorteil. Für die Publisher. Endlich müssen Spiele nicht mehr fertiggestellt werden, bevor man sie vertreibt. Man haut einfach flächendeckend unfertige Produkte raus und wo der Break Even Point (der Punkt an dem die Einnahmen alle Kosten decken) nicht innerhalb von zwei Wochen erreicht ist, werden einfach kein Content und keine Updates mehr nachgeschoben. Lohnt sich ja nicht. Auf diese Weise kann man in der Videospielindustrie endlich nach Belieben die Kosten senken und die Gewinne maximieren.

Es klingt unglaublich, aber Always Online ist nur das untere Stück der Spitze des Eisbergs. Sei es DRM, der nur den ehrlichen Kunden gängelt, Accountbindung und damit einhergehende Zerstörung des Gebrauchtmarktes, oder Always Online. Allein über die schizophrene Erfindung Region Lock könnte ich ein ganzes Kapitel schreiben.

Doch am Ende werden die Spieler auch die nächste Xbox kaufen, egal ob sich Always Online bewahrheitet oder nicht. Weil man dem Spieler nur einen guten Launchtitel bieten muss, damit er sich sagt: „Ach, so schlimm ist das ja nicht, dass ich das nicht ertragen kann.“ Ob die Qualität des Launchtitels im Endeffekt im Hype verpufft ist egal. Die Konsole ist ja da, da kann man auch weiter ertragen, bis endlich gute Spiele kommen. Ertragen ist hier auch das Stichwort. Features, die dem Kunden keine Vorteile bringen, sind nutzlos. Features, die für den Kunden im Optimalfall keine negativen Konsequenzen haben, sind eine Schweinerei.

Fair Trade auch für Gamer

Wo ist sie hin die Kundenfreundlichkeit? Seit wann wird nicht mehr für, sondern gegen den Konsumenten produziert? Früher baute man praktische Sachen, die (im Hinblick auf ein Menschenleben) eine Ewigkeit hielten. Heute baut man kleine, nicht ersetzbare Plastikschnippel ein, die etwas länger als die Garantiezeit halten, damit dann die Sachen auseinanderfliegen und ersetzt werden müssen. Mein 20 Jahre altes Super Nintendo funktioniert immer noch, während den Leuten innerhalb von sechs Jahren dreimal die Playstation oder die Xbox abraucht. Nennt man so was etwa Qualitätsware?

Womit wir wieder beim Thema ertragen wären. Dem Spieler wird jedes Jahr eine neue Dreistigkeit präsentiert, die sein Spielgefühl verbessern soll. Und da jeder den offensichtlichen Vorteil eines frei einsehbaren Profils, mit Zwang zum Klarnamen, Adressangabe, sowie Telefonnummer erkennt, hat man nichts dagegen und fügt sich. Für Entwickler, Publisher und Konzernbosse heißt das: „Hürde aufgestellt, Hürde genommen. Was bringen wir nächstes Jahr?“

Glücklicherweise gilt das noch nicht für die gesamte Industrie. Die Jungs von DICE haben sich ja jüngst öffentlichkeitswirksam gegen den Featurehype gestellt und erklärt, dass Bewegungssteuerung in Battlefield 4 keine Rolle spielen werde, da es nur ein nutzloses Gimmick sei. Danke für diesen kleinen Lichtblick DICE.

Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende?

Im Endeffekt ist es am Spieler sich gegen diesen Trend zu stellen und ein Zeichen zu setzen. Natürlich mit seiner Brieftasche, denn nichts anderes hilft an dieser Stelle. Hätten seinerzeit die Leute nur ein Jahr lang auf die PC Version von Assassins Creed 2 verzichtet, vielleicht hätte Ubisoft seinen Always Online Kopierschutz schon lange in die Tonne geschmissen. Denn machen wir uns nichts vor, der offline Patch war nur dafür da, das Lager der Leute noch mal abzugrasen, die tatsächlich standhaft geblieben sind und sich AC2 bis dato nicht gekauft hatten.

Die Always Online Xbox, so sie denn kommen sollte, wird die neue Feature Hürde dieses Jahres sein. Und es ist an den Spielern ein Zeichen zu setzen und zu zeigen, dass sie keine Ratten sind, die man mit Elektrostößen in die gewünschte Richtung treiben kann.

Der moderne Spieler hat zwar schon viele Male bewiesen, dass er ne Menge schluckt, bevor er sich als Konsument verarscht fühlt, aber ich will trotzdem nicht die Hoffnung verlieren. Denn ich liebe Videospiele und strebe weiter einer Zukunft entgegen, in welcher Games wieder ein hochqualitatives Erlebnis für Spieler sind und kein Mittel um Menschen den letzten Rest an Geld und Rechten abzunehmen.

Eine Utopie, sicherlich. Aber man wird doch wohl noch träumen dürfen.

Über Martin Seiler

Krautgaming Redakteur aus Leidenschaft. Dieses Motto umreißt Martins Leben ziemlich präzise. Langjährige Erfahrung mit dem Medium Videospiele haben ihn zwar verbittert, doch auch seinen Blick für die vielen Feinheiten geschärft. So kämpft er weiter für die Spieler der Zukunft und eine hochqualitative Berichterstattung.

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