Dead Space 3 im Test – und es gruselt mich DOCH!

Dead Space 3 im Test – und es gruselt mich DOCH!

von am 22.02.2013 - 18:32
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Dead Space 3 wird in diesen Tagen als actiongeladene, aber dennoch recht gelungene Fortführung der erfolgreichen Weltraumshooter-Serie beworben. Doch Moment, Weltraum-SHOOTER? Ich erinnere mich an angsterfülltes Vorantasten im ersten Teil, als ich vor Hysterie kaum den Controller halten konnte. Wo ist dieses Spielgefühl von damals nur hin? „Auf und davon“, sagen die Kritiker. „Blödsinn“, sage ich. Hier meine Begründung.

Vor langer, langer Zeit kam eine Gruppe von Gamesdesignern, Programmierern und Videospielbegeisterten zusammen, nannte sich Visceral Games und entwickelten den Software-gewordenen Albtraum, der Spielern weltweit die Angst vor verlassenen Raumschiffstationen, Lüftungsschächten und mehrgliedrigen Exoskeletten ins Spaßzentrum einpflanzte: Dead Space war geboren und sorgte für angeschaltete Nachtlämpchen in Zockzimmern und heftige Diskussionen, ob dieses rotierende Stück DVD  im Laufwerk nicht sogar ZU gruselig für den Durchschnittsspieler geraten war. Dennoch, die Community wollte mehr und die Entwickler antworteten.

Dead Space 2 erschien und ein Aufschrei ging durch die Fangemeinde, die sich 2 Jahre zuvor tapfer um den ersten Teil gescharrt hatte: Wo war der Horror? Wieso explodierte nun fast jede Levelarchitektur, um anschließend in eine „Über einen Abgrund springen und gerade noch so am Rand festhalten können“-Sequenz überzuleiten? Einen shooterlastigen Multiplayer gibt es auch noch? Während die Fans der ersten Stunde ihren Augen nicht trauen konnten, gewann die Spielserie zahlreiche neue Anhänger, für die der erste Teil wegen des hohen Gruselfaktors nicht durchspielbar war. Diese neuen Fans genossen nun die zahlreichen Actioneinlagen.

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Glaubt man den Kritikern, so geht das nun erschienene Dead Space 3 konsequent den von Teil 2 eingeschlagenen Weg der Explosion und Zeitlupensprungeinlage weiter und entfernt sich von seinen Wurzeln. Haben wir es hier tatsächlich mit einer Neuauflage der Geschichte zu tun, die uns zuletzt von den Resident Evil–Teilen erzählt wurde? Ein schier endloses Melken einer einst für seinen Horror bekannten Spiellizenz, die nach und nach immer mehr in explodierende Bedeutungslosigkeiten abdriftet?

All diese Meinungen und Prozentwertungen beiseiteschiebend, habe ich mir das neuste Machwerk von Visceral Games angesehen und war am Ende überrascht, dass ein Schlüsselfeature offensichtlich bisher immer falsch benutzt wurde.

„Ich brauche mehr munition, captain!“

Das Spiel beginnt auf einem Eisplaneten, auf dem sich unser Held durch einen Schneesturm kämpfen muss, um ein abgestürztes Raumschiffwrack zu bergen. Während ich mir noch während der ersten Kamerafahrt skeptisch ein „Offener Eisplanet – wo sind die beklemmenden Raumschiffgänge?“ notierte, musste ich diesen Punkt nach wenigen Spielminuten wieder von meiner Liste streichen: Die überragende Soundkulisse zauberte einen unheimlich einschüchternd klingenden Schneesturm in meine Gehörgänge und während ich angespannt versuchte, wenige Zentimeter vor dem Monitor kniend Umrisse im Einheitsweiß um mich herum zu erkennen, kam keine Spur von Sehnsucht nach den engen, knarrenden Raumschiffgängen der Vorgängerspiele auf.

Nach einem kleinen Storytwist befinden wir uns 200 Jahre später im Apartment von Isaac Clarke. Während dieser noch frustriert mit aufkommenden Erinnerungen an die Trennung seiner früheren Freundin Ellie Langford kämpft, platzen plötzlich Captain Robert Norton und Sergeant John Carver in die Szenerie, und sie haben keine guten Neuigkeiten für unseren Helden: Ellie und ihr Team werden nach einem Einsatz vermisst und diese geheimnisvollen Marker haben auch noch damit zu tun. Isaac wird gezwungen, die beiden Herren zu begleiten – doch die Flucht wird alles andere als ein gemütlicher Spaziergang, denn schon kurz nach ihrem Aufbruch stellen sich Unitologen dem Trio in den Weg.
Unitologen? Isaac kämpft jetzt also gegen Soldaten und unerbittliche Schusswechsel erfüllen die Luft, während ein ganzer Planet droht zu explodieren?

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Nach dem anfänglichen, sehr klug inszenierten Horror des Intros auf dem Eisplaneten wirkt diese 180° – Kehrtwende wie der spielerische Dolchstoß in den Rücken des Spielers: Von den ersten Minuten nach dem Titelbildschirm begeistert, hatte ich mich bereits auf ähnliche Gruselmomente wie im ersten Teil gefreut, wollte schon einen Flamewar gegen Kritiker landesweit starten, die das Spiel als actionlastig und stumpf verschrien hatten.

Doch jetzt befinde ich mich mit einem sich schnell leerenden 30-Schuss-Magazin inmitten eines Feuergefechts und suche verzweifelt den Knopf für das nicht vorhandene Deckungssystem, während mir die Gegner Parolen aus 80er Jahren–Actionfilmen entgegenbrüllen: „HIER KOMMST DU NICHT DURCH!“, „VERSUCHS NICHTMAL, FREUNDCHEN!“ und „ENDTSTATION!“

Ich brauche eine Pause. Der Schock sitzt tief. Diese Art von Grusel und Gänsehaut habe ich nicht erwartet, geschweige denn gewollt, liebes Visceral Games Team.

HOPSENDE ALIENS STATT BLANKER HORROR?

Zurück im Spiel. Durchatmen. “Weiter gehts” drücken.

Unser Rettungsteam Isaac erreicht ein im Weltraum treibendes Wrack, Kenner der Serie riechen schon jetzt Alienblut – und davon wird in den kommenden Stunden in mitreißend inszenierten Sequenzen tatsächlich reichlich fließen.
Dennoch, was die Spielmechanik betrifft scheint sich Dead Space 3 ab diesem Punkte genau dort eingependelt zu haben, wo es auch sein will: In der goldenen Mitte. Oder doch im Zentrum der Belanglosigkeit?

Es gibt fortan nur noch wenige subtile Horroreinlagen, wie ich sie in den ersten 20 Spielminuten erleben durfte, genauso wenig kommt es aber zu intensiven Feuergefechten wie bei der unfreiwilligen Abtransportierung Isaacs: Unser Held erkundet die Raumschifflevel Stück für Stück, Gruselatmosphäre möchte sich aber auch in den entlegensten Ecken der Metallarchitektur nicht einstellen – und wenn selbst ich, erklärter Nachtlampenbesitzer und hysterisch schreiender Spieler des ersten Dead Space mit eiserner Miene Kapitel für Kapitel hinter mich bringe und nicht der kleinste Zentimeter meiner Haut auch nur über Gänsehaut nachdenkt, so sagt dies viel über den Gruselfaktor des neusten Machwerks von Visceral Games aus.

Und nein, liebe Leser, NEIN, Jumpscares zählen nicht in die Kategorie „Horror“. Ich erschrecke auch, wenn ein Kätzchen neben mir auf dem Sofa unerwartet niest. Ein durch das Fenster springende Alien erschreckt den Spieler beim ersten Mal für einige Sekunden, treibt den Puls nach oben, macht auf vielleicht schon vergessen Gefahren wieder aufmerksam – hopst aber das vierte Alien in immer gleicher Choreografie durch das Fenster, quittiere ich den Besuch mit einem trockenen Kopfschütteln und einem Knopfdruck auf den Schuss-Button.

Die Kritiken hatten also recht und ich muss die Befürchtungen vieler Spieler nun doch bestätigen?

TÖDLICHES HANDWERK(EN)

Einfache Antwort: Nein, denn ein neues Gamefeature habe ich bis zu diesem Moment noch nicht angesprochen – Die Werkbank. Sie bietet dem Spieler immer wieder aufs Neue die Entscheidung, wie die kommenden Stunden fortan gespielt werden wollen: Als einzige Hommage an die Terminator–Filme oder als kleine Verneigung vor dem ersten Teil der Dead Space–Trilogie.

An der Werkbank ist es nun u. A. erstmals möglich eigene, individuelle Waffenbausätze zusammenzuschrauben und so jedes Stückchen lose herumliegendes Metall, das man zuvor im Level gefunden hat, zu einer tödlichen Waffe zu verwursten: Flammenwerfer, Mehrfachlaser, Pulsstöße, der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Derart ausgerüstet geht selbstverständlich schon bald die Angst vor den Aliens verloren, selbst haarige Situationen werden mit maßgeschneiderten Ausrüstungskombinationen schnell entschärft.

Ich selbst erwischte mich dabei, wie ich mit dem frisch montierten Flammenwerfer auf meinem Schnellschussgewehr mit Schadensupgrade schief grinsend den nächsten dunklen Raum betrat und hoffte, möglichst schnell die neue Werkbankschöpfung an Aliengeknüll ausprobieren zu können.

Puut, puut, puut, Aliens, wo versteckt ihr euch?

Doch der Einsatz dieses Spielfeatures ist optional und damit sind wir am Knackpunkt von Dead Space 3 angekommen: Sparen wir uns die Aufrüstung der Primärwaffe weitestgehend, so gewinnt das Spiel eine ganz neue Dimension an Qualität – Levelabschnitte werden fordernder, Munition zunehmend knapper, selbst kleine Aliengruppen sind eine ernst zu nehmende Bedrohung, Angst stellt sich ein. Angst um das eigene Überleben.

Nachdem ich mehrere Stunden – erfolgreich –  auf diese Weise mich Schritt für Schritt durch die Kapitel gekämpft und gefürchtet habe, kann ich behaupten: Danke Visceral Games, dass ihr uns Horror liebenden Spielern diese Hintertür – absichtlich oder unfreiwillig – im Spieldesign offen gelassen habt. Und Ihr, liebe Kritiker, versucht doch einmal, etwas kreativer mit dem Spiel umzugehen, das da in eurem Laufwerk rotiert: Nur weil das Spiel euch eine Möglichkeit bietet, müsst ihr diese nicht zwingend wahrnehmen.

Dead Space 3

von am 22.02.2013

Dead Space 3 ist kein schlechtes Spiel, ob nun mit intensiver Werkbankschrauberei oder ohne. Die Handlung ist zwar schwach erzählt und die Schalterrätsel ein spielerischer Witz aber der Spielspaß bleibt konstant auf hohem Niveau und die Minimissionen innerhalb jedes Kapitels interessant und abwechslungsreich. Danke, Visceral Games, für dieses feine Stück Programmiercode, und Danke, liebe Werkbank, dass ich auch gut und gerne auf dich pfeifen kann. 

Kommentare

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enkcrypt 4. März 2013 um 20:42 04.03.2013 - 20:42

Ich liebe Dead Space 3 und danke, dass du das Thema mit den Mikro-Transaktionen angesprochen hast! Eine Kritik am Rande, wieso hast du für das Coverbild den Dead Space 2-Isaac genommen?

Dominik Schott 25. Februar 2013 um 20:34 25.02.2013 - 20:34

Die Story ist tatsächlich wirklich schwach, als Spieler von Teil 1 und 2 und verkappter Fan des Dead Space – Universums fiel es mir schwer, der Handlung zu folgen. Spaß hats trotzdem gemacht, verrückte Welt!