Rollenspiele – Ost vs. West

Rollenspiele – Ost vs. West

von am 31.07.2011 - 13:45

Jeder Zocker kennt sie, viele lieben sie: Rollenspiele. Doch vor allem in der heutigen Zeit ist ein Rollenspiel nicht gleich ein Rollenspiel oder (um im Gamerjargon zu bleiben) ein RPG. Denn da gibt es Japano-RPGs und die westlichen Rollenspiele. Wir stellen euch nun die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Spielarten vor  und werden versuchen, am Ende einen Gewinner zu küren – was sicherlich alles andere als einfach wird, da beide Spielgattungen großartige Games hervorgebracht haben!

Fangen wir damit an, welche Zutaten ein gutes Rollenspiel benötigt: eine stimmungsvolle Spielwelt, interessante Charaktere, ein durchdachtes Kampf- und Skillsystem, eine Story voller Wendungen und abwechslungsreiche Gegner und Nebencharaktere. Wenn ein RPG diese Voraussetzungen erfüllt, haben wir es mit einem gelungenen Vertreter der Gattung Rollenspiel zu tun. Nun, wie kommen die oben genannten Bereiche in östlichen beziehungsweise westlichen Rollenspielen zum Tragen?

1. Die Spielwelt

In einem typischen Japano-RPG ist die Geschichte meist in einer farbenfrohen, fantastischen Welt, oftmals mit futuristischem Einschlag, angesiedelt. Die Umgebungen sind sehr unterschiedlich ausgeprägt und kleinere Ungereimtheiten werden zugunsten von Abwechslungsreichtum in Kauf genommen. So ist es in der Final Fantasy Serie beispielsweise möglich, dass eine trockene Sandwüste direkt in einen Regenwald übergeht, der wiederum an eine Eislandschaft grenzt. Dafür hat der Spieler viel Abwechslung und jedes neue Gebiet unterscheidet sich eindeutig von dem vorangegangenen.

In einem westlichen Rollenspiel dagegen ist die Welt eher stimmungsvoll in einem Setting angelegt. Die Spielwelt folgt größtenteils den klimatischen Regeln, was die ganze Welt realistischer erscheinen lässt. Im Gegenzug zu Japano-RPGs, wie Final Fantasy oder Phantasy Star, werden Fantasy und Sci-Fi strikt getrennt. Daraus resultiert allerdings auch, dass sich die im Spiel dargestellten Landschaften oft nur marginal unterscheiden. So sieht beispielsweise mit der Zeit jede erkundete Höhle, Festung oder Ayleiden-Ruine in TES IV: Oblivion gleich aus.

In Sachen Spielwelt gehört der Vorzug deswegen den Japano-RPGs. Zwar haben auch einheitliche und stimmungsvolle Fantasy-Reiche wie Ferelden aus Dragon Age oder Cyrodiil aus Oblivion ihren Reiz, doch allein die Spielwelt von Final Fantasy XII bietet mehr unterschiedliche Level (Wälder, Küsten, unterirdische Höhlen, Wüsten, Ebenen, Sümpfe, verfallene und belebte Städte, Minen, Regenwälder, Schneegegenden und gigantische Luftschiffe, um nur einige zu nennen) als eine Handvoll westlicher RPGs zusammen. Damit steht es 1:0 für Fernost.

2. Die Charaktere

Bei japanischen Rollenspielen ist der Hauptcharakter zu Beginn des Spiels meist ein echter Waschlappen mit Stachelfrisur und Kulleraugen, der sich bis zum Ende des Spiels zu einem Übermenschen mit einer Waffe, die etwa 2,5 mal so groß ist, wie er selbst, entwickelt. Ok, Scherz beiseite, aber vielen Japano-Charakteren fehlt einfach der Wiedererkennungswert. Nur wenige Spieler können sich wirklich mit einem Protagonisten wie Cloud oder Vaan (beide Final Fantasy) identifizieren. Dafür gibt es aber auch absolute Kult-Charaktere, wie natürlich der One-Winged Angel Sephiroth aus Final Fantasy VII. Langes Samurai-Schwert, wallendes silbernes Haar, ein schwarzer Engelsflügel… muss man dazu noch mehr sagen?

In westlichen RPGs bekommt der Spieler dagegen meistens die Möglichkeit, seinen Charakter selbst zu erstellen. Dadurch besteht schon zu Beginn des Spiel eine recht persönliche Beziehung zwischen Protagonist und Spieler. Doch auch die vorgefertigten Charaktere in Rollenspielen westlicher Bauart haben meist ihre ganz eigene, individuelle Persönlichkeit. Allein in Dragon Age: Origins tummeln sich eine wilde Hexe, ein loyaler Ritter, ein schwuler Attentäter, eine bisexuelle Klosterschwester, die in ihrer Vergangenheit als Spionin aktiv war, ein schweigsamer Zwei-Meter Hüne, ein trinkfreudiger Zwerg, eine erfahrene Magierin und ein Golem, der in seiner Freizeit am liebsten Tauben zerquetscht und Gedichte über dasselbe Thema vorträgt. Abwechslung ist also vorprogrammiert! Auch in anderen westlichen RPGs wie The Witcher oder TES IV: Oblivion (vor allem im Shivering Isles Add-On) wird dieser Trend bestätigt.

Bei der Gestaltung der Charaktere gewinnen deswegen die westlichen RPGs die Oberhand. Allein die Charakterpalette von Dragon Age: Origins bietet einige Protagonisten, in die man sich regelrecht verlieben kann (in einige mehr als andere…). Deswegen hier der verdiente Ausgleich. Sephiroth, Angeal und Genesis (allesamt Final Fantasy VII: Crisis Core) mögen bitte ruhig bleiben! Damit steht es 1:1.

3. Das Kampf- beziehungsweise Skillsystem

Im Land der aufgehenden Sonne schätzt man Kontrolle, in Politik wie im Rollenspiel. Das ist wohl mit ein Grund dafür, dass viele Japano-RPGs ein rundenbasiertes Kampfsystem haben. Der Spieler wählt in einem separat eingeblendeten Kampfmenü die Aktionen aus, die er seinen Charakter wirken lassen möchte. Dann führen alle Kämpfer brav nacheinander ihre Aktionen aus, wenn die Gegner dann noch stehen, sind sie an der Reihe. Auch wenn viele Spieler rundenbasierte Kämpfe als altbacken empfinden, Taktik-Fans und Kontroll-Freaks machen sie durchaus Spaß. Denn das Ende eines halbstündigen Bosskampfes lässt sich viel besser genießen, wenn man es seiner eigenen Vorgehensweise und nicht möglichst schnellem Knöpchendrücken verdankt.

In Sachen Skillsystem sieht es bei östlichen Rollenspielen ähnlich aus. Wenn man sich beispielsweise das Lizenzbrett aus Final Fantasy XII vor Augen hält, wird einem erst bewusst, wie wenig Möglichkeiten der Charakterentwicklung West-RPGs im Vergleich dazu bieten. Zugegebenermaßen mag das dann aber manchem Spieler schon zu viel Kontrolle sein, sodass er sich nicht zurechtfindet und seinen Charakter „verskillt“ (was, wie wir dank GameOne alle wissen, den absoluten Weltuntergang bedeutet). Aber nicht nur die Final Fantasy-Serie ist hier als Vorbild zu nennen, auch Rogue Galaxy beispielsweise kann mit dem ungewöhnlichen, aber sinnvollen Fähigkeiten-Brett begeistern. Allerdings gibt es auch einige negative Beispiele. In dem ansonsten absolut grandiosen Final Fantasy VII: Crisis Core wurde der Zeitpunkt des Levelaufstiegs etwa durch einen Glücksspielautomaten bestimmt. Und als eingefleischter Rollenspieler kann man es einfach nicht verkraften, wenn der Protagonist nach stundenlangem Monster-Metzeln keine Stufe aufsteigt.

Bei westlichen Rollenspielen liegt die Sache schon anders. Gekämpft wird fast immer in Echtzeit, die Charaktere stürzen sich einfach ins Gemetzel. Spezialaktionen und Zauber werden auf Knopfdruck gewirkt und meist auf einen Slot gelegt, wodurch schneller Zugriff gewährleistet wird. So zu sehen beispielsweise in Sacred 2: Fallen Angel, Oblivion und Diablo. Dadurch gestalten sich die Kämpfe um einiges schneller und auch spannender. Hier können auch Rollenspiel-Neulinge sofort drauf los schnetzeln, ohne sich zuvor durch lange Listen scrollen und jede Entscheidung nochmal bestätigen zu müssen. Allerdings wird so auch die Kontrolle des Spielers über das Kampfgeschehen reduziert. Denn er muss entweder auf die KI seiner Mitstreiter vertrauen (sofern es überhaupt andere Mitstreiter gibt, was in westlichen Rollenspielen nicht unbedingt selbstverständlich ist) oder selbst zwischen den Charakteren hin und herwechseln, was wiederum viel Konzentration erfordert.

Dafür hat sich das Skillsystem westlicher Rollenspiel über die Jahre bewährt und kaum verändert. Erfahrungspunkte helfen dem Charakter bei der Verbesserung seiner Attribute und lassen ihn neue Fähigkeiten/Talente/Spezialaktionen et cetera erlernen. Oftmals sind Fähigkeiten in unterschiedlichen Rängen verfügbar, die dann vom Level des Spielers abhängen oder aufeinander aufbauen. Auch das Tragen von Ausrüstung und die Benutzung von Waffen ist meistens von den Attributen des Charakters abhängig. Daneben gibt es aber auch Ausnahmen. In TES IV: Oblivion gibt es beispielsweise keine Erfahrungspunkte, der Charakter steigt durch Verbesserung seiner Hauptfertigkeiten auf, die sich beispielsweise auch durch Rennen, Gegenstände verkaufen und mit Leuten Reden verbessern.

Zugegebenermaßen fällt es in dieser Kategorie besonders schwer, einen Gewinner zu benennen. Dennoch behalten am Ende die westlichen RPGs die Oberhand, da hier einfach die Tugenden eines jeden Rollenspielers (Geduld und Fleiß, natürlich nur beim Spielen) belohnt werden. Zwar unterscheiden sich verschiedene westliche Rollenspiele in dieser Hinsicht nur minimal, jedoch ist das Übernehmen eines gelungenen und erprobten Konzepts nichts Schlechtes. Also: 2:1 für den Westen!

4. Die Story

In einem japanischen Rollenspiel gibt es grob zwei Möglichkeiten, wie die Story aufgebaut ist. Entweder (wie in Final Fantasy XII) steht der Feind von Anfang an fest und ist eindeutig als Bösewicht klassifiziert, aber seine Pläne bleiben noch im Dunkeln und werden erst im Verlauf der Geschichte Stück für Stück enthüllt. Durch diese schrittweise Weiterentwicklung kann der Spieler der Handlung leicht folgen, bleibt aber interessiert bei der Stange (beziehungsweise dem Controller oder der Tastatur). Die zweite Möglichkeit ist, dass der Bösewicht vermeintlich fest steht, doch der Spieler im Verlauf des Spiels übel hintergangen und verraten wird. So wandelte sich Sephiroth beispielsweise in Final Fantasy VII: Crisis Core zum Bösewicht, nachdem er zuvor noch großes Vorbild war. Auch dazwischen bieten japanische Rollenspiele viele Wendungen, die Geschichte ist eigentlich immer hoch emotional, aber man muss sich auch darauf einlassen. Die Protagonisten durchleben eine ganz persönliche Läuterung, persönliche Schicksale stehen im Vordergrund, die Welt wird quasi „nebenbei“ gerettet.

Im Westen gibt’s dagegen nichts beziehungsweise selten Neues. In vielen RPGs dient die Story leider nur als Mittel zum Zweck und ist vergleichsweise einfach gestrickt, bestes Beispiel dafür ist definitiv Sacred 2: Fallen Angel, wo der Spieler eben die Welt retten muss, weil’s kein anderer macht und er eh nichts besseres zu tun hat. Auch in Oblivion oder vergleichbaren Spielen ist die Story etwas zu traditionell, eine böse Macht bedroht die ganze Welt und der Spieler wird eher zufällig zum Helden, der alle rettet. Zum Glück gibt es aber auch gelungene Beispiele: die Story von Dragon Age: Origins etwa versteht es, den Spieler zu fesseln, da sich der aufkommende Krieg mit der Dunklen Brut und die politischen Intrigen des Adels in Sachen Brutalität in nichts nachstehen. Außerdem wird die Story von persönlichen Entscheidungen beeinflusst, wobei es eher selten ist, dass eine Entscheidung nur gut oder nur böse ist. Oftmals kann man nur das kleinere Übel auswählen und den Schaden begrenzt halten. Auch die beiden Spiele rund um Geralt von Riva sind positive Beispiele, was das Storytelling in westlichen Spielen angeht.

In dieser Kategorie ist der Sieger wirklich eindeutig. Wer einmal ein beliebiges Spiel der Final Fantasy-Serie gespielt hat, ist für den Rest seines Lebens verwöhnt und erhöht seine Erwartungen an die Story immens. Und auch wenn es schade um Dragon Age: Origins ist, diese Runde gewinnt Japan und Co! Damit steht es 2:2!

5. Die Gegner und Nebencharaktere

Was in Rollenspielen östlicher Machart nicht fehlen darf, ist Humor. Und der kommt eben oft durch witzige Nebencharaktere oder Gegner zum Tragen. Bei den Nebencharakteren stört das kein bisschen, unvergessen bleiben etwa die Kabbeleien zwischen Zack Fair und Yuffie in Final Fantasy VII: Crisis Core. Was aber schon eher stört ist, wenn Gegner als eher harmlos und witzig dargestellt werden. Denn als echter Held will man nicht gegen übergroßes Gemüse und Furien-Hasen kämpfen, sondern gegen riesige Drachen und Dämonen. Zwar sind auch diese in Japano-RPGs vertreten, aber oftmals nur als Boss-Gegner. Und viele der normalen Gegner sind einfach zu kunterbunt und skurill, sodass sie ihren Sinn als ernstzunehmender Feind verlieren.

In westlichen-RPGs verhält es sich mit den Nebencharakteren ähnlich. Wenn sie schon für den Verlauf der Story keine große Rolle spielen, sollen sie wenigstens durch Humor oder witzige Äußerungen im Gedächtnis der Spieler bleiben. Beispiele dafür sind etwa die sadomasochistisch veranlagte Buchhändlerin aus dem Oblivion Add-On Shivering Isles (inklusive Handschellen und anderen „Utensilien“ in ihrem Schlafzimmer) und der dümmliche Wächter im Hafen des Calenhad-Sees in Dragon Age: Origins. Zum Glück sind die Gegner in westlichen Rollenspielen weniger ausgeflippt. Die Dunkle Brut aus dem letztgenannten Spiel ist wirklich furchterregend und auch die Drachen und anderen Fabelwesen können sich sehen lassen.

Auch was das Design von Gegnern und Nebencharakteren anbelangt, bleibt der Westen siegreich. Zwar gibt es in Japano-RPGs ebenfalls eindrucksvolle Endgegner wie etwa die Esper aus der Final Fantasy Serie, doch insgesamt bleiben viele Gegner und Charaktere zu bunt und zu skurill.

Und gewonnen hat…

Wer zählen kann, ist klar im Vorteil und hat bereits erkannt, dass sich die westlichen Vertreter mit einem knappen 3:2 gegen Japan und Co. durchgesetzt haben. An dieser Stelle nochmals der Hinweis, dass es sich auch dabei lediglich um eine subjektive Meinung und keineswegs um eine allgemeingültige Feststellung handelt. Denn sowohl Japano- als auch West-RPGs haben Vor- und Nachteile, was aus diesem Artikel hoffentlich klar hervorgeht. Deswegen seid jetzt ihr gefragt: schreibt uns, was ihr von unserem Vergleich handelt. Alle Meinungen, alle Verbesserungsvorschläge, alles Lob und alle Hassnachrichten bitte in die Comments. Und wenn ihr Vorschläge für weitere Vergleiche und Versus-Artikel habt, zögert nicht, sie uns mitzuteilen!

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